Manfred Haferburg / 10.01.2017 / 12:00 / 5 / Seite ausdrucken

Eine widerwillige „Schwamm drüber Stimmung“

Andere Länder, andere Sitten: die Opfer des Attentates am Stade de France von Paris wurden mit einem bewegenden  Staatsbegräbnis beigesetzt. Ein Chanson von Jaques Brel begleitete die Bilder der Opfer, alle Regierungsmitglieder tragen die Farben der Trikolore. Ähnliches geschah nach Nizza. Und Präsident Hollande weint mit dem Volke, schauen Sie hin und weinen Sie mit. Hier trauert eine Nation von Herzen um die ihren.

Von anderen lernen? Das muss im Deutschland des Jahres 2017 nicht sein. Es geht ja auch anders. Erst einmal verzichtet der Bundestag auf eine offizielle Gedenkveranstaltung für die 12 Opfer des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche. Steht so tatsächlich in der „Zeit“: „Der Bundestag verzichtet“. Eine zentrale Zeremonie sei im Bundestag nicht geplant, sagte ein Parlamentssprecher der Zeitung "Münchner Merkur" vom Mittwoch. Nach massiven Protesten dreht und windet sich Berlin und diskutiert nun über ein Opfergedenken sowohl im Bundestag als auch womöglich eine Gedenktafel. Ein Staatsakt zum Begräbnis? Eine Handvoll Erde vielleicht.

In den letzten drei Wochen wurde nicht bekannt, dass Spitzenpolitiker die Verletzten des Berliner Attentats im Krankenhaus besucht hätten. Ein Gedenkgottesdienst in der Gedächtniskirche ohne Politprominenz sollte genügen. In der deutschen Politik herrscht bezüglich des Berliner Attentats eine widerwillige „Schwamm drüber Stimmung“, die kaum Platz für die politisch unpassenden Opfer lässt.

Es ist Wahlkampf, da stören die Opfer nur. Erinnern sie doch an eine schier unglaubliche Kette von multiplem Staatsversagen seit dem Jahre 2015. Mit „Haltet den Dieb“ Rufen überbieten sich jetzt die Verantwortlichen mit gegenseitigen Schuldzuweisungen und aus dem Programm der AfD abgeschriebenen Forderungen zur „schnellen Abschiebung“, „besseren Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden“, maasvoller Verteilung von „Fußfesseln für Gefährder“ und „Abschiebehaft“.

Er klingt fast, als wolle sich Vizekanzler Gabriel als Spitzenkandidat der AfD aufstellen lassen, wenn er fordert „Schließung salafistischer Moscheen und Ausweisung der Hassprediger“. Wow, gut gebrüllt, Löwe, als hätte das der Höcke gesagt. Nur - wetten, dass nichts davon, rein gar nichts, in unserem Rechtsstaat umgesetzt wird?

 „Der schreckliche Anschlag auf den Breitscheidplatz in Berlin mahnt uns, hier schnell zu handeln, hier richtig zu handeln, nicht nur in Ankündigungen steckenzubleiben, sondern auch wirklich Flagge zu zeigen“, sagt ahnungsvoll die Kanzlerin und will mit schnellen Konsequenzen „Flagge zeigen“. Vielleicht fragt sie ja mal ihren Generalsekretär Hermann Gröhe. Der weiß womöglich noch, wo sie die Flagge hingetan hat, die sie ihm auf der Bühne weggenommen hat.

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Leserpost

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Bernhard Freiling / 10.01.2017

Wundert mich das wirklich? In Frankreich beweinte M. Hollande Franzosen, woher die auch immer stammen mochten. Wen soll die Kanzlerin beweinen? Jemanden, der schon länger hier ist, oder Einen, der noch nicht so lange hier ist? Wo es kein Zusammengehörigkeitsgefühl mehr gibt, muß man auch Keinen mehr beweinen. Das sind doch nur noch Kollateralschäden, um die man besser kein Aufhebens macht,  auf dem steinigen Weg in eine wunderbare Zukunft.

Günter Kremer / 10.01.2017

Vielen Dank Herr Haferburg. Sie sprechen mir aus der Seele und haben mit ein paar Sätzen geschrieben,was geschrieben werden musste.Ich trauere um die Verstorbenen,die jetzt auf Facebook doch Gesichter und teilweise auch Namen bekommen haben und wünsche den Überlebenden eine baldige Genesung.

Karla Kuhn / 10.01.2017

Wenn bei diesem furchtbaren Anschlag auf den Weihnachtsmarkt Vertreter der Politkaste verletzt oder umgekommen wären, wäre mit Sicherheit mindestens ein Staatstrauertag angeordnet worden. Aber so, diejenigen, die hier schon länger leben, können das natürlich nicht erwarten. Eine Schande!!  Aber eines ist sicher, diesen Anschlag und auch die Anschläge vorher, werden die meisten Menschen in Deutschland nicht vergessen, ebensowenig, wie das schoflige Verhalten der Polutkaste. Man kann von Hollande halten was man will aber in diesen Fällen hat sich der Mann brillant verhalten und ich halte auch seine Tränen für echt. Auch das Verhalten dem polnischen Fahrer gegenüber hat mich empört. Ich habe das Gefühl, daß durch jahrelanges sitzen in gepanzerten Autos die Seelen ebenfalls einen Panzer erhalten haben. Ich wünsche mir eine Rundumerneuerung der gesamten Politik, mit frischen, unverbrauchten, unverdorbenen Politikern, die maximal einmal wiedergewählt werden dürfen. Da ist Amerika direkt mal Vorbild. Wer weiß ??

Lothar Kempf / 10.01.2017

Generalsekretär ist ein gewisser Herr Tauber, Gröhe kümmert sich im Anschluß an die unsäglichen Äußerungen und das Tun des Herrn Tauber um die Wiederherstellung der Gesundheit evtl. Geschädigter,

Wilfried Cremer / 10.01.2017

Eine Gedenkveranstaltung in der Form wie in Frankreich wäre auch eine Riesendemo des politischen Versagens. Das soll natürlich vermieden werden. Um so mehr gilt: Die Regierung hat fertig!

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