Was wären wir ohne die Strategen hier im Kommentarbereich ....
Warum schaut man sich nicht erst einmal die Karten mit den militärischen Aktionen an, wenn über die Kriegsziele des Angreifers spekuliert wird? Es ist doch anzunehmen, dass der russische Generalstab die eigenen Ressourcen entsprechend den Zielen positioniert hat. Schaut man zB die Karte https://liveuamap.com an (- Vorsicht: auch Propaganda), zeigen sich die Gebiete westlich des Kiewer Metropolen-Bereichs (- also Hauptstadt plus Flughäfen u.a. Infrastruktur-Einrichtungen) von den Angriffen weitgehend unberührt. Man wird die Hauptstadt erobern und die dort angeblich regierenden “Neonazis” besiegen wollen. Ausserdem dürfte ein dauerhaftes Ziel darin bestehen, die östlichen Separatisten-Gebiete mit der Krim zu verbinden; die schon anerkannten “Ministaaten” werden dann nach Krim-Vorbild um Integration nach Russland bitten. Ob es gelingt, zwischen Kiew und Odessa eine neue Grenze zu etablieren und den Rest der Westukraine (- früher polnisch und österreichisch-ungarisch, also historisch nicht russisch) als einen Vasallenstaat zu etablieren, darüber wäre noch zu spekulieren. Im Kern erscheinen mir die Ziele in der Dauer-Okkupation (- d.h. Einglieserung) des Ostens und der Entmachtung der Kiewer Regierung zu liegen.
Komisch, hab’ jetzt zwanzig Kommentare gelesen und maße mir selber keinerlei Urteil über den Konflikt und seine Hintergründe an – einfach, weil mich die Komplexität und die Vielfalt der Sichtweisen und Standpunkte (politisch und moralisch) überfordert. Hier hingegen treffe ich die gleichen Leute, die bei Virologie, Infektiologie und Epidemiologie ihre Laienhaftigkeit einzuräumen imstande sind, als versierte Fachleute an. Jeder mit einer dezidierten Meinung zum Thema, von der Richtigkeit und der Wichtigkeit des eigenen Standpunktes hundertprozentig überzeugt. Jeder ein ausgewiesener Fachmann und Weltpolitiker, der genau weiß, wie Putin tickt, Selensky denkt (und Schwab lenkt!) und wie der historische Background des jahrzehntelangen Konflikts zu bewerten ist. Merkwürdig nur, dass das bei den konsumierten zwanzig Kommentaren dann auf fast zwanzig sich meist diametral widersprechende Einschätzungen hinausläuft, sich aber fast alle über die komplette Ahnungslosigkeit des Autors einig sind…
Wer hier von klaren Kriegszielen Rußlands schreibt, hat wohl die widersprüchlichen Aussagen dazu von russischer Seite in den letzten Wochen nicht zur Kenntnis genommen. Ganz zu schweigen von deren Übersetzung aus der Propagndasphäre in die Realität. Denn ginge es um die Neutralität der Ukraine, so war die auf absehbare Zeit gesichert. Die notwendige Zustimmung der NATO-Mitgliedsländer zu einem Beitritt war nicht in Sicht, das Kriterium der sicheren Grenzen durch Rußlands Aktionen 2014 unerfüllbar. Somit ist anderes gemeint, wenn Neutralität gefordert wird, wohl ein Status auf dem Level von Weißrußland und Kasachstan. Dann die Grenzforderungen: vor Kriegsbeginn Abtretungen des Rests der beiden Ostprovinzen, also von zweimal mehr Territorium, als seit 2014 verloren wurde. Seitdem dazu nur Unklarheiten, aber mit der klaren Tendenz zu weitergehenden Wünschen Rußlands. Gebremst nur vom Mißtrauen gegenüber der “verwestlichten” Bevölkerung im Westen der Ukraine. Wo aber die Grenze? Darüber konnte man sich in Rußland schon 2012 nicht einigen, als es noch reine Sandkastenspiele waren, umso weniger jetzt, konfrontiert mit Realitäten. Im Fall eines russischen Sieges würde wohl das ganze Land zur Besatzungszone, etc. etc. Ich bleibe dabei (ähnlich wie hier im Artikel): Rußland kann mit dieser Aktion nichts Sinnvolles gewinnen. Putin erfüllt Aufträge, wider besseres Wissen, aber durchaus in einer ihm sympathischen Richtung - wenn nur die Realität nicht ständig so “russophob” wäre (um ein im Kreml-Umfeld beliebtes Wort zu zitieren, das eben zeigt, wie woke und westlich man auch dort ist).
Auf dem Bild sieht Putin aus wie Breivik. Ist das Absicht?
@ J Nester Selenskjy versteht man doch ganz einfach. Ist eine NWO-Marionette wie ja auch die EU. Der entscheidet so viel wie Baerbock. PS.: Und Adenauer. Als wenn der die Neutralität, die für Deutschland 1952 auf dem Tisch lag, hätte annehmen können/dürfen.
“Autokratien wie das Russland Putins Putins neigen zur Abkapselung von der Realität.” Warum in der Ferne schweifen. Berlin ist ja dann wohl “Autokratie hoch Tausend” (frei nach Barbock), denn realitätsferner geht nicht.
Wie kann man darüber spekulieren, was Putin will? Er hat es mehrfach ganz klar gesagt: Die Ukraine soll kapitulieren, damit ein neutraler Staat errichtet wird, der entnazifiziert und demilitarisiert wird, Luhansk und Donezk als Volksrepubliken und die Krim als russisches Territorium anerkennt. Ausgerechnet die vernünftigste Forderung wird von Präsident Selenskij brüsk zurückgewiesen: die Neutralität. Putin kann ich verstehen, Selenskij überhaupt nicht. Gerade die Neutralität sehe ich als einen Weg zum Frieden an, wenn damit Souveränität und Freiheit verbunden sind. Darüber müsste zuerst verhandelt werden. Sollte die Ukraine neutral und souverän sein, macht eine Demilitarisierung keinen Sinn. Die Entnazifizierung könnte man in Richtung Herstellung eines diskriminierungsfreien Klimas, Abbau von Feindseligkeiten verhandeln. Vielleicht wäre es erreichbar, Luhansk und Donezk in der Ukraine mit einem weitgehend autonomen Status zu belassen. Im Gegenzug könnte sich die Ukraine von der Krim trennen. Damit möchte ich deutlich machen, dass Verhandeln zu einem für beide Seiten akzeptablen Ergebnis führen kann. Man muss herausfinden, wie weit Putins Kompromissbereitschaft reicht. Darauf zu setzen, dass die Ukraine vielleicht doch den Krieg gewinnt, wie in anderen Medien geschehen, halte ich für verantwortungslos. Gelingt das nicht, sind tausende von Toten umsonst gestorben. Sorry, man hat sich halt geirrt.
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