Alexander Meschnig / 07.03.2022 / 14:00 / 63 / Seite ausdrucken

Ein verlorener Sieg

Eine nüchterne Einschätzung der militärischen und geopolitischen Lage nach dem zehnten Tag des Einmarsches der russischen Armee in die Ukraine.

Während ich diese Zeilen schreibe (4. März 2022), dauert der Krieg in der Ukraine an. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis sich die zahlenmäßige und waffentechnische Überlegenheit der russischen Armee durchsetzen wird. Der durchaus heroische Widerstand der Ukraine ist ein reiner Verzögerungskampf. Gewinnen kann sie diesen Krieg militärisch nicht, politisch wird sie aber siegen. Der Krieg nähert sich auf Seiten der Ukraine immer mehr dem an, was in der Kriegstheorie als existentieller Krieg, im Gegensatz zum instrumentellen, definiert wird. Hier ist der Krieg nicht mehr ein Mittel der Politik, sondern ein Medium der Konstitution einer politischen Größe, die Identität verspricht. Solche Formen des Krieges neigen zur Eskalation, indem sich die kriegerische Energie von traditionellen Werten und normativen Setzungen emanzipiert. Die russische Regierung scheint den Widerstandswillen der ukrainischen Führung und der Bevölkerung, nach allem, was wir im Nebel des Krieges erkennen können, unterschätzt zu haben.

Autokratien wie das Russland Putins neigen zur Abkapselung von der Realität. Es ist bekannt, dass der Kremlchef seit dem Beginn der ersten Meldungen über ein neuartiges Virus sich häufig in einem Bunker außerhalb von Moskau aufhält. Wer ihn treffen will, muss sich desinfizieren und testen lassen. Die Bilder seines überlangen Tisches im Kreml, an dem er 10 Meter entfernt von seinen Besuchern sitzt, gingen in den Medien viral, ein Symbol für die Distanz der politischen Führung zur Außenwelt. Aber überlassen wir die Interpretation über die psychische Verfassung Putins den Psychologen und sehen uns die aktuelle Lage nüchtern an. Ein wirklicher Krieg unterscheidet sich stets von dem auf dem Papier, denn, so der bekannteste Philosoph des Krieges, Carl von Clausewitz, „das Handeln im Kriege ist eine Bewegung im erschwerenden Mittel“, woraus er schließt, selbst der beste Plan überlebt den ersten Feindkontakt nicht.“

Was aber war der Plan, was ist das Kriegsziel, das Motiv der russischen Führung? Dazu gibt es im Westen eine Vielfalt von Hypothesen und Theorien: Die Angst vor einer Erweiterung der NATO an der russischen Grenze? Der Rückgewinn von Einflussgebieten in Osteuropa? Die Zerstörung der kulturellen Identität der Ukraine? Die Bildung eines großrussischen Reiches mit Kiew als der „Mutter aller russischen Städte“? Der bekannte amerikanische Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski vertrat in diesem Zusammenhang schon vor längerem die These, „dass Russland mit der Ukraine ein Imperium ist, ohne Kiew aber nur ein großes Land.“ Oder zielte der Angriff auf eine geopolitische Neuordnung der Welt mit den USA als altem Hauptrivalen, was die Annäherung an China und auch Indien erklären könnte? 

Putin bleiben nicht mehr viele Optionen

Vielleicht muss man aber gar nicht von einem klaren Plan ausgehen, obwohl die Kriegsziele vor dem Beginn der Kampfhandlungen im Eigentlichen als Orientierung dienen sollten. Schon Clausewitz hatte in seinem Hauptwerk Vom Kriege zu den Kriegszielen geschrieben: 

„Man fängt keinen Krieg an, oder man sollte vernünftigerweise keinen anfangen, ohne sich zu sagen, was man mit und was man in demselben erreichen will, das erstere ist der Zweck, das andere das Ziel. Durch diesen Hauptgedanken werden alle Richtungen gegeben, der Umfang der Mittel, das Maß der Energie bestimmt, und er äußert seinen Einfluss bis in die kleinsten Glieder der Handlung hinab.”

Was wir derzeit von der russischen Führung sehen, ist m.E. ein Oszillieren zwischen unterschiedlichen Kriegszielen: von Maximalforderungen, dem Sturz der Regierung in Kiew und ein „Regime Change“, bis hin zum Mindestziel der Verhinderung eines NATO-Beitritts der Ukraine. Der strategische Vorteil Moskaus besteht darin, als der militärisch Überlegene die unterschiedlichen Ziele je nach Kriegsverlauf variieren zu können. Allerdings werden die Spielräume kleiner, je länger der Krieg andauert. Eine diplomatische Lösung ist derzeit (noch) nicht denkbar, was Putin innen- und geopolitisch in die Defensive drängt, denn weder trifft die Invasion auf große Zustimmung in Russland selbst, noch will China sich vorbehaltlos an seinen neuen Partner binden. Obwohl es, nach allem, was wir wissen, wahrscheinlich ist, dass die chinesische Regierung vom Einmarsch in die Ukraine wusste, gab es bereits kurz nach dem Angriff erste Absetzbewegungen. China wird mit Blick auf die eigenen Ziele kaum Ambitionen zeigen, sich in einem globalen Wirtschaftskrieg allzu deutlich an der Seite Putins zu positionieren. Vielleicht wird China am Ende auch als der Vermittler auftreten und seine Position gegenüber Russland und insgesamt in der Welt weiter stärken können, also der eigentliche Sieger sein. 

Sollte in den nächsten Tagen keine diplomatische Lösung gefunden werden, bleiben Putin nicht mehr allzu viele Optionen: einmal eine militärische Eskalation, bei der mit schwerer Artillerie und Luftangriffen die großen Städte der Ukraine, v.a. Kiew, zerstört werden, um einen Machtwechsel sozusagen herbei zu bomben. Aber erfüllt die russische Armee mental die Voraussetzungen, in Kiew ähnlich hemmungslos wie in Grosny oder Aleppo vorzugehen? Zumindest sind hier Zweifel angebracht, wobei natürlich jeder Krieg eine Gewaltspirale erzeugt. Auf der anderen Seite würde Putin einen Rückzug der Armee und den Abbruch des Krieges politisch wohl nicht überleben. Zumindest müsste er plausible Gründe anführen, um den Einsatz und die umsonst gebrachten Opfer vor der russischen Bevölkerung zu legitimieren.

Krieg politisch verloren, auch wenn er militärisch gewonnen wird

Es bietet sich insgesamt eine Parallele zur amerikanischen Kriegsführung im Irak an, wo das weit gefasste Ziel ebenfalls „Regime Change“ lautete. Bekanntlich konnten die USA den Krieg gegen die Truppen Saddam Husseins rasch gewinnen, mussten danach aber zur Kenntnis nehmen, dass ein militärischer Sieg bei Vorhandensein einer opferbereiten Bevölkerung, die den Besatzer nicht anerkennt, keine Bedeutung mehr hat. Ähnliches könnte der russischen Armee in der Ukraine drohen, falls der Widerstand sich nach dem Ende der eigentlichen Kampfhandlungen fortsetzt. Zudem ist noch im Vorfeld einer Kapitulation ein Häuserkampf in Großstädten – das war schon die Erfahrung in Stalingrad – extrem verlustreich. Jede professionelle Armee will das verhindern, da die waffentechnische Überlegenheit hier kaum mehr greift.

Erstaunlich ist auch die Tatsache, dass die Erfahrungen im zehn Jahre andauernden Afghanistankrieg (1979 bis 1989) der Roten Armee offenbar auf russischer Seite „vergessen“ worden sind. Wir erinnern uns an die Demonstrationen von Soldatenmüttern vor dem Kreml und die innenpolitischen Erschütterungen dieser Zeit. Der Afghanistankrieg hat mit zum Zusammenbruch der Sowjetunion geführt. Ein lang anhaltender Guerillakrieg, plus die verschärften Wirtschaftssanktionen des Westens, wird Russland auch heute an seine ökonomischen wie militärischen Grenzen führen. Deshalb muss der Krieg so schnell wie möglich militärisch gewonnen werden. Auch demographisch ist Russland nicht mehr in der Lage, einen opferreichen Krieg zu führen.

Im Prinzip ist dieser Krieg für Putin bereits politisch verloren, auch wenn er militärisch gewinnen wird. Die Invasion der Ukraine zeigt nicht nur die geopolitische Schwäche Russlands, die nur durch die Tatsache, die stärkste Atomstreitmacht der Welt zu sein, noch verdeckt wird, sondern es wurde in Folge deutlich, dass Moskau auf den globalen Märkten nur als Rohstofflieferant eine relevante Rolle spielt. 

Ökonomisch wird Russland weiter zurückfallen

Die Wirtschaftsleistung ist, angesichts der Größe des Landes, seiner Ressourcen und einer gut ausgebildeten Bevölkerung, erschreckend schwach. Im Jahr 2020 betrug das Bruttoinlandsprodukt gerade einmal 1,48 Billionen Dollar. Diese Zahl wird plastisch, wenn wir uns die USA und China ansehen, deren BIP 20,94 bzw. 14,72 Billionen Dollar beträgt. Selbst Deutschland verfügt über ein mehr als doppelt so hohes BIP (3,84 Billionen). Ökonomisch ist Russland also ein „Zwerg“, vergleicht man es mit den großen weltpolitischen Playern. Mit den nun verhängten Sanktionen und dem Ziel der westlichen Länder, sich in den nächsten Jahren von russischem Gas, Kohle- und Ölimporten unabhängiger zu machen, wird Russland ökonomisch noch mehr zurückfallen. Und welche ausländischen Unternehmen oder Banken werden noch in Russland investieren wollen, falls das in absehbarer Zeit wieder möglich sein wird?

Natürlich hat sich Moskau in den letzten Jahren mehr nach Osten und hin auf den pazifischen Raum orientiert, aber China wird nicht alles an Verlusten kompensieren können und wollen. China steht nun in einer ausgezeichneten Verhandlungsposition und wird sicher zu wesentlich billigeren Preisen als die Europäer und Amerikaner der Abnehmer russischer Rohstoffe sein. Der eigentliche Rivale der USA ist schon längst China, Russland spielte im Prinzip nicht mehr wirklich eine große Rolle. Ob Europa – das nun in Abgrenzung zu Russland, zumindest temporär, näher zusammenrückt – in Zukunft wieder ein stärkerer geostrategischer Spieler sein wird, muss offen bleiben, ist aber unwahrscheinlich. Militärisch ist es sicher zu schwach, was aber mehr einer mentalen Disposition geschuldet ist (exemplarisch besonders an Deutschland zu beobachten).

Kehren wir am Ende nochmals zum Krieg in der Ukraine zurück: Selbst wenn Kiew in den nächsten Tagen fallen sollte, die Bilder aus den zerstörten Städten der Ukraine werden in Russland – trotz Zensur – innenpolitisch ein wachsendes Problem werden. Schon jetzt findet der Angriff in der eigenen Bevölkerung nur wenig Zustimmung, wenngleich es natürlich schwierig ist, hier belastbare Informationen zu bekommen. Die Ukraine ist aber nicht Syrien, und der Abschuss schwerer Artillerie – mit Granaten und Raketen – auf ein „Brudervolk“ ist auf Dauer schwer, wenn nicht unmöglich, zu vermitteln. Auch die semantische Umbenennung des Angriffes als „begrenzte militärische Sonderoperation“ wird bei Fortdauer der Kampfhandlungen immer fadenscheiniger. Kann dieser Krieg also auch das mögliche Ende Putins sein? Das halte ich nicht für ausgeschlossen, wenngleich er Geheimdienst, Polizei und Militär noch beherrscht. Sollte es aber zu einem Fall Putins kommen, dann wird sich die Tektonik der Welt wahrscheinlich fundamentaler ändern als von uns allen gedacht. Aber vielleicht kommt auch alles anders. Derzeit würde ich hier keine Prognose wagen.

Dieser Text erschien zuerst unter www.tumult-magazine.net, der Internetseite von TUMULT, Vierteljahresschrift für Konsensstörung.

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Stanley Milgram / 07.03.2022

So, jetzt haben wir den Salat: Russland droht mit Lieferstopp durch Nordstream1. Ich bestelle jetzt erstmal einen guten Schlafsack auf Ämäson… wird noch ziemlich kalt nachts… done.

JoachimKaleja / 07.03.2022

Der „heroische Kampf“ der Ukrainer ist zu 90 Prozent der Kampf der im ehemaligen Ostblock verbliebenen „stay behind Armeen“ .  Immerhin muss die Einkreisung Russlands vervollständigt werden .

Steffen Huebner / 07.03.2022

Man fragt sich eher, was der Plan der deutschen Regierung ist, wenn ich die Massen sehe, die alle hier her rammeln. Die Kosten, das Chaos, die rasante Inflation, gestiegene Kriminalität & Gewalt, Niedergang Recht Gesetz + Bildung, die halbleeren Regale im Supermarkt (aufgefüllt mit Konserven und was noch da ist.), der alte Schrott in den Bekleidungsgeschäften… alles weist darauf hin: Niedergang. So fing es in der früheren DDR auch an - Bis zum Kollaps gebe ich diesem “Neuen Deutschland” noch maximal fünf Jahre…

lutzgerke / 07.03.2022

Da warten wir erstmal ab. Ich glaube nicht unbedingt, daß der Kreml den Einmarsch in der Ukraine falsch eingeschätzt hat. Russland hat ja nicht nur Öl und Gas, mit dem man z.B. Panzer betanken und Deoroller herstellen kann, Russland ist der weltgrößte Weizen-Exporteur. Die meisten Lieferungen gehen nach Asien und Afrika. Wer von Weizen-Lieferungen abhängig ist, wird zu anderen Geschäften nicht Nein sagen. Russland ist vor allem in Afrika tätig und stabilisiert dort die im Sturm des Arabischen Frühlings instabil gewordene Staaten. Russland ist sehr Kriegserfahren. Und die Ukraine ist die Kornkammer Europas. Es zeichnet sich schon jetzt ab, daß nicht nur Öl- und Gas-Preise durch die Decken gehen werden, auch die Lebensmittelpreise werden explodieren. / Wenn man wissen will, worum es in dem Krieg geht, dann schaue man auf die Causa Chodorkowskij. Chordokowskij war Chef von Yukos und wollte Anteile an amerikanischen und andere Ölindustrien verkaufen. Deshalb hat ihn der Kreml “seines Amtes enthoben” und die Ölindustrie verstaatlicht. Da drehte der sich der Propaganda-Wind gen Osten. „Die größten Triumpfe der Propaganda wurden nicht durch ein Tun, sondern durch das Unterlassen eines Tuns vollbracht. Groß ist die Wahrheit, größer aber, vom praktischen Gesichtspunkt, das Verschweigen der Wahrheit.„ Aldous Huxley 1949 / Es gibt eine nette Schweizer Website: sniper. Da schaue man unter Regime-Changes der USA. Überzeugungen sind ja ganz herrlich, aber sie sollten auf Tatsachen beruhen. Ich gehe eher wie ein Wissenschaftler vor, schaue mir das große ganze an, entwerfe eine Hypothese, und sammle alle Tatsachen, die hinein passen. Wenn sie stimmt, hat sie eine gute Vorhersagekraft. Wir laufen womöglich in einen großen Krieg, der übrigens auch kalkuliert sein kann, um die Bevölkerung zu reduzieren. Oder der Westen wird von Russland gerupft.  Denn so schlecht steht Russland nicht da.      

Reinhold R. Schmidt / 07.03.2022

Herr Meschnig. natürlich haben Sie völlig recht, wenn Sie sinngemäß sagen: Es ist gibt keine Rechtfertigung für einen Krieg. Na ja, der Westen hatte in den letzten Jahren mit Krieg gegen Serbien, Irak, Libyen, Syrien, Afghanistan usw. ja auch so seine eigenen Vorstellungen, was völkerrechtlich zulässig ist. Nur hilft die Überzeugung moralischer Überlegenheit hier nicht weiter. Putin wird von seinen Zielen nicht abweichen und auch nicht aufgeben, das widerspräche völlig dem russischem Stolz und der russischen Seele. Sanktionen, die uns selbst mehr treffen als Russland sind reine Schaufensterpolitik und werden keine Wirkung zeigen. Schließlich lebt Russland schon seit Jahren ganz gut mit den bereits durch den Westen verhängten Sanktionen. Will man Russland etwa militärisch völlig niederringen, wie damals das Deutsche Reich? Dann sollte man sich nochmal vor Augen führen, dass nahezu die gesamte Welt dazu 5 Jahre brauchte, mit unendlichem Leid auf beiden Seiten. Wenn man heute so die emotionalisierte Kriegstreiberpropaganda der westlichen Seite hört, könnte man fast glauben, das sei die Absicht. Ich sage, dass das bei der derzeitigen militärischen Konstellation allerdings völlig aussichtslos ist. Jetzt muss doch die Absicht aller vernünftigen Menschen sein, um es mal flapsig zu formulieren, wie krieg ich die Kuh vom Eis. Und da ist es schon sehr wichtig, ohne vorzeitige Schuldvorwürfe und moralische Rechthaberei, sorgfältig zu analysieren, wie es denn zu einer solchen Eruption der Gewalt in dieser Region kommen konnte. Ich hoffe, dass sich bald mehr Menschen, mal damit befassen, wie man die Kuh vom Eis bringt, als sich täglich irgend welche neuen Propagandageschichten einfallen zu lassen, um Putin zu verteufeln. Nur mal so nebenbei, die russische Streitkräfte haben bisher nicht mal 10 % ihrer Kapazitäten eingesetzt. Wenn Putin wollte, könnte er der Ukraine in zwei Tagen den Stecker ziehen. Die westliche Unterstützung verlängert nur das Leiden der Ukraine.

giesemann gerhard / 07.03.2022

Putin wird gehen ohne Russland oder er geht und nimmt Russland mit. In den Abgrund. Aber am Ende bleibt Mütterchen Russland bestehen - wir sollten es mit offenen Armen empfangen. Das können wir dem Mütterchen jetzt schon sagen, bez Putina - ohne Putin. Der gehört in die Psychiatrie oder in den GULAG. Wenn in nicht jemand vorher umbringt.

Detlef Fiedler / 07.03.2022

Werter Autor, wenn Sie einerseits ausführen Putin sei ein Autokrat, Russland eine Autokratie, jedoch etwas später im Text zu der Erkenntnis kommen, Putin müsste die Folgen seines Handelns später vor der Bevölkerung legitimieren, ergibt das wenig Sinn. Welcher Autokrat ist auf Legitimation durch die Bevölkerung angewiesen? Einerseits stellen Sie eine geopolitische Schwäche Russlands dar, andererseits erkennen Sie Russland als ein rohstoffreiches Land. Auch wenn BIP und Wirtschaftskraft vergleichsweise gering erscheinen, sind Rohstoffe ein immens wichtiger, immer weiter an Bedeutung gewinnender, geopolitischer Faktor. Gerade gegenüber Westeuropa. Denn dieses ist, wie Sie ausführen, militärisch schwach, die eigene Position ist hier nur den USA geschuldet. Westeuropa ist wirtschaftlich stark, arm an Rohstoffen, welche jedoch die unabdingbare Grundlage dieser wirtschaftlichen Stärke bilden. Das Ziel der westlichen Länder, sich in den nächsten Jahren von russischem Gas, Kohle- und Ölimporten unabhängiger zu machen, wird zwar Russland ökonomisch zurückfallen lassen, im Endeffekt jedoch die westlichen Länder selbst viel härter treffen. Denken Sie wirklich, diese Importe kann man einfach so ersetzen? Hier wirkt die gleiche Ideolologie wie bei der Energiewende. Erst der Kampf gegen das CO², nun der Kampf um Demokratie in der Ukraine. Jedes Mal, hehre Ziele, jedoch stets unter der Abschaffung der eigenen Wirtschaftskraft, der einzig verbliebenen Kraft und unabdingbaren Basis für alles andere. Mein Vater pflegte in solchen Fällen zu sagen: “Was nützt uns das schöne Wetter, wenn wir nichts auf Stulle haben”.

W. Renner / 07.03.2022

Mal einer der besseren Artikel der letzten Tage, hier auf der Achse. In der Tat macht es wenig Sinn über die Ziele Putins zu spekulieren. Putin ist Psychopath, getragen alleine von seiner Kontrolle über Militär, Polizei und Geheimdienste, da hat er die Fäden noch in der Hand. Um ihn zu verstehen, müsste man allerdings selbst Psychopath sein. Und ja @ Wilfried Cremer, er ist Breyvik und genau wie letzterer, nachdem er auf unschuldige Kinder schoss, plädiert auch Putin auf „Notwehr“. Aber eines eher nahen, als fernen Tages, wird einer oder mehrere der oben genannten Fäden für den Vlad reissen. Dann ist er so tot wie Stalin und Müllhaufen der Geschichte, an den sich auch die Russen nur noch mit Scham erinnern werden.

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