Vera Lengsfeld / 13.04.2007 / 17:48 / 0 / Seite ausdrucken

Ein furchbarer Ministerpräsident

Seit zwei Tagen ist Deutschland wieder einmal fest im Griff seiner unbewältigten   Vergangenheit. Anlaß ist die Trauerrede von Ministerpräsident Oettinger für seinen verstorbenen Amtsvorgänger Filbinger. Als Festredner des von seiner Regierung veranlassten Requiems für Filbinger glaubte Oettinger betonen zu müssen, bei dem Verstorbenen hätte es sich um einen Gegner des Naziregimes gehandelt .Er wäre „schicksalhaft in Situationen hineingeraten, die den Menschen heute glücklicherweise erspart bleiben.“ Dies ist ein Freispruch erster Klasse für einen Karrieristen, der buchstäblich über Leichen gegangen ist. Leider ist diese Haltung typisch für die Vergangenheitsbewältigung der Deutschen. Nachsicht gegenüber den Tätern, Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern. Bis heute gelten Deserteure im zweiten Weltkrieg in Teilen der Gesellschaft als Kameradenschweine, denen kein Denkmal zusteht. Noch immer wird das Recht auf Leben der jungen Menschen, die skrupellose in einem verbrecherischen Krieg verheizt wurden, geringer geachtet als die Stellung eines willigen Vollstreckers menschenverachtender Willkürgesetze. Filbingers Satz: “Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein“, beweist, dass er sein Tun niemals bereut hat. Schlimmer, Oettingers Verteidigung der Unrechtstaten Filbingers beweist, dass Reue auch niemals wirklich verlangt   wurde. Die Filbingers sind die zuverlässigen Rädchen im Getriebe eines jeden Regimes. Sie funktionieren auch unter demokratischen Verhältnissen und sind vielleicht sogar erleichtert, dann keine Todesurteile fällen zu „müssen“. Nur, dass sie sich von ihrem Tun nie distanziert haben, macht sie zu potentiellen Wiederholungstätern, die es lediglich den geänderten Umständen zu verdanken haben, dass sie nicht tödlich für ihre Mitmenschen sind.
Indem Oettinger den Täter Filbinger zu einem Opfer der Umstände erklärt, setzt er dessen fatales Erbe fort. Wenn Filbinger auch nur an einem Terrorurteil gegen kriegsmüde junge Menschen beteiligt war, hätte er kein Staatsbegräbnis bekommen dürfen. Man hätte anlässlich seines Todes sein Wirken als Ministerpräsident durchaus würdigen können. Einen reuelosen Todesrichter zu ehren, gab es keinen Anlaß.                             

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