Vera Lengsfeld / 10.01.2010 / 12:37 / 0 / Seite ausdrucken

Doppeltagebuch 1989 /2009 - 6.-10. Januar

6.1. Udo Lindenberg beginnt in Suhl seine erste DDR-Tournee.

7.1. In Prag verständigen sich Regierung und Opposition auf freie Wahlen Mitte des Jahres.

8.1. In Rumänien wird das Dekret über die Streichung der Todesstrafe verabschiedet.    In Ostberlin kommt es bei der sechsten Sitzung des Runden Tisches zum Eklat. Mit großer Entschiedenheit weist die Opposition, unterstützt von der CDU und der LDPD den Versuch der SED-PDS zurück, die Schmierereien am Sowjetischen Ehrenmal in Treptow Ende Dezember zum Vorwand zu nehmen und die angebliche Notwendigkeit der Erhaltung der Staatssicherheit mit einer behaupteten rechtsradikalen Gefahr zu begründen. Die Opposition spricht der Regierung Modrow das Misstrauen aus. Sie unterbricht die Sitzung und erklärt: „Die Opposition fordert den Ministerpräsidenten auf, unter Beteiligung des Generalstaatsanwaltes und des Ministers des Inneren um 16 Uhr einen Bericht über die innere Sicherheit zu geben.“ Gleichzeitig wird Modrow aufgefordert, bis zum 15. Januar einen Stufenplan für die Auflösung der Stasi vorzulegen. Das Ultimatum schlägt fehl, weil sich Ministerpräsident Modrow auf dem Weg nach Sofia befindet, zu einer Tagung der Ostblockstaaten zu wirtschaftlichen Fragen. Nach seiner Rückkehr wird Modrow erklären, dass er der Forderung der Opposition nicht nachkommen werde. Am Abend wird auf der ersten Leipziger Montagsdemonstration des Jahres der Unmut über die Hinhaltetaktik der SED-PDS-Regierung laut. Außerdem ist der Ruf nach der Vereinigung mit der BRD unüberhörbar.

9.1. In Sofia beschließen die Ostblockstaaten Reformen zur Anpassung ihrer Wirtschaftssysteme an die Marktwirtschaft.

10.1. Am Vorabend des Staatsbesuches von Staats-, und Parteichef Gorbatschow demonstrieren in Litauen Zehntausende für die Unabhängigkeit der Republik von der Sowjetunion.

Heute demonstriert die SED-Linke wieder zu Ehren der ermordeten Arbeiterführer Liebknecht und Luxemburg in Berlin-Friedrichsfelde. Die Demonstration wird aus taktischen Gründen nicht am traditionellen 3. Wochenende des Jahres angehalten, weil der Jahrestag der Massenverhaftungen am Rande dieser Veranstaltung im Jahre 1988 auf den nächsten Sonntag fällt. Statt sich ehrlich mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen, weicht die Partei ihr nach wie vor lieber aus. Wie vor zwanzig Jahren taktiert sie, um von der unbequemen Wahrheit abzulenken. Sie kann sich darauf verlassen, dass ihr von den Medien keine kritischen Fragen gestellt werden. Die Journalisten sind ohnehin mit der Lafontaine-Astrologie beschäftigt, wie sie früher Kreml- Astrologie betrieben haben. Warum ist Lafo heute nicht dabei? Wegen seiner Krebserkrankung, oder aus machtaktischen Gründen? Wenn die Vereinigung mit der WASG der SED den längst überfälligen Todesstoß versetzen sollte, würde   sie sich ein historisches Verdienst erwerben. Tatsächlich sieht es so aus, als hätten die alten Genossen den Forderungen aus dem Westen außer ihrer Allzweckwaffe Gysi nichts entgegenzusetzen. Neben Lafontaine wirkt Gysi allerdings wie der Zauberlehrling gegenüber dem alten Hexenmeister. Er wird die Geister, die er rief, nicht mehr los.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Vera Lengsfeld / 21.04.2024 / 10:00 / 34

„Der General muss weg!” Der Fall Siegfried Buback

Als ich noch in der DDR eingemauert war, hielt ich die Bundesrepublik für einen Rechtsstaat und bewunderte ihren entschlossenen Umgang mit den RAF-Terroristen. Bis herauskam,…/ mehr

Vera Lengsfeld / 11.03.2024 / 16:00 / 20

Wie rettet man eine Demokratie?

Warum lässt die schweigende Mehrheit zu, dass unter dem Schlachtruf, die Demokratie und das Grundgesetz zu verteidigen, beides ausgehöhlt wird? Was man ganz einfach tun…/ mehr

Vera Lengsfeld / 06.02.2024 / 12:00 / 38

Wie man Desinformation umstrickt – und noch schlimmer macht

Wenn man gewisse „Qualitätsmedien" der Fehlberichterstattung und Manipulation überführt, werden die inkriminierten Texte oft heimlich, still und leise umgeschrieben. Hier ein aktuelles Beispiel.  Auf diesem Blog…/ mehr

Vera Lengsfeld / 04.02.2024 / 15:00 / 20

Die Propaganda-Matrix

Die öffentlich-rechtlichen Medien und die etablierten Medien leiden unter Zuschauer- und Leserschwund, besitzen aber immer noch die Definitionsmacht. Das erleben wir gerade wieder mit einer Propaganda-Welle. …/ mehr

Vera Lengsfeld / 02.02.2024 / 06:05 / 125

Wie man eine Desinformation strickt

Am 30. Januar erschien bei „praxistipps.focus.de“ ein Stück mit dem Titel: „Werteunion Mitglied werden: Was bedeutet das?“ Hier geht es darum: Was davon kann man davon…/ mehr

Vera Lengsfeld / 06.01.2024 / 06:25 / 73

Tod eines Bundesanwalts

Als ich noch in der DDR eingemauert war, hielt ich die Bundesrepublik für einen Rechtsstaat und bewunderte ihren entschlossenen Umgang mit den RAF-Terroristen. Bis herauskam,…/ mehr

Vera Lengsfeld / 29.12.2023 / 13:00 / 17

FDP #AmpelAus – Abstimmung läuft noch drei Tage

Die momentane FDP-Führung hatte offenbar die grandiose Idee, die Mitgliederbefragung unter dem Radar über die Feiertage versanden zu lassen. Das Online-Votum in der FDP-Mitgliedschaft läuft…/ mehr

Vera Lengsfeld / 28.12.2023 / 10:00 / 124

Wolfgang Schäuble – Tod einer tragischen Figur

Wolfgang Schäuble, die große tragische Figur der deutschen Nachkriegspolitik und gleichzeitig ein Symbol für das Scheitern der Parteipolitik, wie sie sich in Deutschland entwickelt hat…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com