Vera Lengsfeld / 09.04.2009 / 13:44 / 0 / Seite ausdrucken

Doppeltagebuch 1989/2009- Neunter April

Inspektoren aus der Bundesrepublik nehmen als offizielle Beobachter an der Truppenübung der Nationalen Volksarmee „Zyklus 89“ teil.  Die Westdeutschen sollen von der Schlagkraft der Truppen des Warschauer Paktes überzeugt werden.
Doch während das Manöver läuft, kommt die Meldung,  dass ein sowjetisches Atom-U-Boot vor der Bäreninsel gesunken ist. Mindestens fünfzig Matrosen sind ums Leben gekommen.. Norwegen, das der Unglücksstelle am nächsten liegt, bildet einen Katastrophenstab. Die dem Stab angehörenden Wissenschaftler schließen eine Kernschmelze im Reaktor nicht aus. Man befürchtet eine Verseuchung des Meeres mit Plutonium. Von den Norwegern wird die Welt über die möglichen Gefahren unterrichtet. Die offiziellen Verlautbarungen der Sowjetunion geben nicht viel her. Wie beim Reaktorunglück in Tschernobyl wird Gorbatschow seinem eigenen Prinzip, der Glasnost, der Transparenz, nicht gerecht. Das Unglück kratzt an der Legende von der bestausgerüstetsten Streitmacht der Welt.
In der Nacht flimmert ein dreiviertelstündiges Gespräch von Günter Gaus mit Hermann Kant, dem Staatsschriftsteller der DDR über den Bildschirm. Kant kann die Legende von der erfolgreichen Kulturpolitik des SED-Regimes verbreiten, ohne allzu kritische Fragen beantworten zu müssen.

Die Verlängerung der Abwrackprämie durch das Kabinett stößt auf massive Kritik. Es ist nicht nur die rituelle Kritik der Opposition an einer Regierungsentscheidung, sondern heftiger Widerspruch von Leuten, die etwas von Wirtschaft verstehen. Es steht bereits fest, dass die Prämie die Krise nicht aufhalten, aber teuer werden wird. Sie begünstigt neben den Autoverkäufern, die sicher am wenigsten Unterstützung brauchen , vor allem ausländische Kleinwagenanbieter. Das könnte man noch hinnehmen mit der Ausrede, die Krise sei schließlich global. Aber die systematische Vernichtung von Werten, in Form von gebrauchsfähigen Autos mit Steuergeldern ist volkswirtschaftlicher Wahnsinn.

Heute ist Gründonnerstag.
Als letzter Tag der ursprünglichen Fastenzeit fand am Gründonnerstag die erst Mitte des letzten Jahrhunderts gestrichene Rekonziliation der öffentlichen Büßer statt. Es wird aber wohl zu Unrecht vermutet, dass der Name vom dabei stattfindenden lauten Weinen(ahd.grinen), abgeleitet wird.
Eine weitere Vermutung ist, dass der Name auf einen Brauch aus dem 14. Jahrhundert zurück geht, an fünften Tag der Karwoche grüne Triebe von Nesseln und anderen Kräutern zu essen, im Glauben, dies hätte eine Heilwirkung für den Rest des Jahres.
Die Christen gedenken des letzten Abendmahls Jesu mit den zwölf Aposteln , der Fußwaschung und der Segnung des Öls.
Der heutige Gründonnerstag erinnerte eher an die Auferstehung, als an die Passion. Ein strahlend schöner Tag. Die von Japan geschenkten Kirschbäume auf dem ehemaligen Todesstreifen haben einen rosa Schleier über die Hinterlassenschaften der deutschen Teilungsgeschichte gebreitet. Unter der Blütenpracht treffen sich Familien aus dem Wedding mit Familien aus Pankow. Der Gedanke, dass einer von ihnen die Mauer wiederhaben möchte, ist absurd.

Wenn die Regierung jegliche wirtschaftliche Vernunft fahren lässt, eifert ihr das Volk nur allzu gern nach. Die 2500 € Prämie werden abgefasst, auch wenn man dafür einen Wagen der Schrottpresse übergibt, der mehr wert ist. Das Ganze gleicht einem irrationalen Tanz auf dem Vulkan.

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