Kein Aprilscherz: schon zwei Tage nach der Ankündigung, das Reisegesetz zu novellieren, veröffentlicht das SED-Regime eine Bestimmung, nach der zukünftig auch Ehepaare gemeinsam zu besonderen Anlässen wie runde Geburtstage, Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen Verwandte in der Bundesrepublik besuchen dürfen. Bisher durfte immer nur ein Partner fahren. Der Andere blieb sozusagen als Pfand zurück. Was dem Zurückgebliebenen angetan wurde, wenn der Ehepartner im Westen blieb, kann man sehr gut im Film „Good bye Lenin“ ansehen, der zum DDR-Nostalgiefilm uminterpretiert wurde, obwohl er schonungslos die Verhörmethoden der Stasi porträtiert. Die Genossin, deren Mann im Westen blieb, musste sich von ihm lossagen und unterschreiben, dass sie künftig jeden Kontakt mit dem Vater ihrer beiden Kinder ablehnen wird. Vorher muss sie aber glaubwürdig versichern, dass sie nicht die geringste Ahnung von den Plänen ihres Gatten hatte, sonst hätte sie ihre Arbeit verloren. Wieso das wehmütige Sehnsuchtsgefühle nach der DDR auslösen soll, bleibt das ewige Geheimnis der Rezensenten. Dass es Ostalgie schon vor dem Verschwinden der DDR gegeben hat, darüber schreibt Walter Kempowski in seinem Tagebuch. Er hatte im Fernsehen einen Film gesehen, der auch nicht als schlechter Aprilscherz gedacht war. Ein Stück über eine LPG im Mecklenburgischen. Alle interviewten Bauern waren äußerst Glücklich über ihr Los. Sie waren voller Eifer, den Sozialismus nähren zu dürfen und wünschten sich, niemals den kalten Westen sehen zu müssen. Ob die Filmemacher wirklich glaubten, was sie ihrem Publikum präsentiert haben? Schwer vorstellbar.
Andererseits: gestern habe ich das sonnige Berlin verlassen müssen, um im kalten, trüben München einen Vortrag für die Thomas-Dehler-Stiftung zu halten. „Aufklären statt Weichspülen. Über die Diktaturgeschichte der DDR“ In der anschließenden Diskussion hob ein Herr im Lodenmantel tatsächlich Kuba als Beispiel dafür hervor, das die sozialistische Wirtschaftsweise bestens funktioniere. Die Touristen würden sehr gern hinfahren und die Lebenserwartung der Kubaner wäre höher, als in den USA. Ein anderer älterer Herr bekräftigte das Argument: Er sei gern in die DDR gefahren. Er hätte sein Geld 1:6 umtauschen können, es wäre ihm immer gut gegangen. Wenn das ein vorgezogener Aprilscherz gewesen sein sollte, war das jedenfalls nicht zu erkennen.