Vera Lengsfeld / 13.04.2009 / 19:03 / 0 / Seite ausdrucken

Doppeltagebuch 1989/2009- Dreizehnter und vierzehnter April

Dreizehnter April

Berlins neuer Regierender Bürgermeister Walter Momper gibt eine Regierungserklärung ab, mit dem bemerkenswerten Satz: „Wir sind gegen die Mauer, die durch unsere Stadt geht, und gegen die Mauer in unsren Köpfen“
Bild präsentiert die neue Regierung von Bundeskanzler Helmut Kohl.
Mit dieser Kabinettsumbildung versucht er auch, seinen innerparteilichen Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Umfragewerte sind schlecht, die Aussichten, nach der nächsten Bundestagswahl weiterregieren zu können, werden als trübe bewertet. Nur ein Wunder könne noch helfen, schreibt ein voreiliger Kommentator.
Als hätte er nichts zu befürchten, empfängt DDR-Staatsratsvorsitzender Erich Honecker die Außenminister der Warschauer-Pakt-Staaten. Die Außenministerkonferenz war tatsächlich ohne Missstimmungen zu Ende gegangen.


Mit strahlendem Sonnenschein gehen die schönsten Ostertage seit langen zu Ende. Man konnte im Garten den Pflanzen buchstäblich beim Wachsen zuschauen.
In der Politik wächst die Angst vor den Wahlen. Die SPD gönnt sich keine Osterpause.
Kanzlerkandidat Steinmeier fordert ein „Krisentreffen der Koalition. Dort will er aber nur besprechen, was ohnehin auf der Tagesordnung des Kabinetts steht.
Finanzminister Steinbrück will nicht nur eine, sondern viele Banken stützen. Sie sollen ihre Risikopapiere in eine Bad Bank auslagern, wo dann der Steuerzahler für sie zur Kasse gebeten wird. Es wird Zeit, dass Steuergeldverschwendung genauso bestraft wird, wie Steuerhinterziehung. Man braucht dabei nicht die Unschuldsvermutung außer Kraft setzten.
Mit ihren Ankündigungen liefern unsere Spitzenpolitiker derzeit genügend
Verdachtsmomente.


Vierzehnter April

DDR-Ökonomen erfahren bei einem Besuch in Moskau, dass sowohl die Sowjetunion als auch die Tschechoslowakei informelle Sondierungsgespräche über einen Beitritt zum Internationalen Währungsfonds führen. Die Empörung ist groß, obwohl die DDR doch längst stiller Teilhaber in eben diesem Fonds ist. Sie profitiert, wie so oft, vom Klassenfeind im andern Teil Deutschlands. Mehr noch, sie kann ohne den Klassenfeind nicht mehr leben. Seit 1983, dieses Wissen verdanken wir dem DDR-Devisenbeschaffer Schalck-Golodkowski, ist die DDR praktisch pleite und hängt am Devisentropf der Bundesrepublik. Das hindert die Machthaber nicht, immer mal wieder aufzutrumpfen, als hätten sie wirklich was zu sagen. Die Nato solle endlich ohne weiteres Zögern auf die Abrüstungsvorschläge des Warschauer Paktes eingehen. Die Nato denkt aber nicht daran, sich den Zeitplan von der DDR- Oberen diktieren zu lassen. Zum Glück!
Aus persönlicher Betroffenheit noch ein Fundstück aus dem „Spiegel“, über die angebliche „Isolationshaft“ der RAF-Terroristen:
„In ihrer Zelle…kann sich Christa Eckes,39, morgens ungestört schminken und abends die Bettleuchte anknipsen, um wahlweise die „Frankfurter Allgemeine“ oder etwa den „Kurdistan- Report“ zu lesen. Zu ihren persönlichen Gegenständen…gehöre ständig frischer Blumenschmuck….Der Freistundenhof…besteht aus einer teilweise plattierten Grünfläche, bepflanzt mit Bäumen und Sträuchern…
Die Außenkontakte der Inhaftierten gehen…über das übliche Maß hinaus. Zuletzt hat Eckers binnen 13 Monaten 917 Briefe abgesandt und 967mal Post bekommen. Ihre Verteidiger besuchten sie im selben Zeitraum 47mal zwischen zwei und vier Stunden lang. Verwandte und Bekannte waren 34mal bei ihr, durchschnittlich für eine Stunde.“
Angesichts dieser Tatsachen ist es schon mehr als erstaunlich, dass die Legende von der angeblichen Isolationshaft der RAF-Terroristen bis heute die herrschende Lesart ist.

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