Vierzig Jahre DDR sollen gefeiert werden und Honecker ist entschlossen, sich seine Feierlichkeiten nicht stören zu lassen. Eine Welle von Ordensverleihungen überschwemmt das Land. Mancherorts muss die Ehrung ausfallen, weil der Geehrte nicht erscheint. Die Feierlichkeiten in den Städten und Dörfern nehmen einen ungewöhnlichen Verlauf, denn die Festredner werden immer wieder durch höhnische Zurufe aus der Menge unterbrochen, wenn sie die Erfolge des Sozialismus preisen. An vielen Orten kommt es zu Gegendemonstrationen oder Veranstaltungen der Opposition. In Gotha werden während eines Friedensgebetes symbolisch vierzig Kerzen als Ausdruck enttäuschter Hoffnungen gelöscht. In Erfurt versammeln sich 2000 Menschen in der Kaufmannskirche. In Leipzig kommt es erstmals ohne Friedensgebet zu einer Demonstration. Seit dem Vormittag kommen immer mehr Menschen um die Nikolaikirche herum zusammen. Ständig versucht die Polizei, die Ansammlung zu zerstreuen, indem sie viele Anwesend verhaftet. Trotzdem sind es am Nachmittag mehr als 5000 Menschen. Erst am Abend kann die Demonstration durch die Sicherheitskräfte endgültig aufgelöst werden.
In Dresden ziehen ab 20 Uhr mehr als 10 000 Menschen durch die Stadt. Vor dem Rathaus, wo eine Festveranstaltung mit internationalen Gästen stattfindet, ruft die Menge: „Wir sind das Volk !“ Zunächst halten sich die Sicherheitskräfte zurück. Doch am späteren Abend kommt es zu Prügelorgien und Verhaftungen. In Plauen findet die eindrucksvollste Demonstration statt. Obwohl es heftig regnet, kommen auf dem Theaterplatz, auf dem eigentlich das offizielle Volksfest stattfinden soll, bis zu 20000 Menschen zusammen. Bald rücken Wasserwerfer an und die Polizisten zücken ihre Schlagstöcke. Der Demonstrationszug bewegt sich in Richtung Rathaus. Dort sind Maschinengewehre aufgestellt. In dieser Situation gelingt es dem Superintendenten Küttler, beruhigend auf Demonstranten und Sicherheitskräfte einzuwirken. Die Konfrontation bleibt aus. Erst am späten Abend werden 60 Personen verhaftet und teilweise schwer misshandelt. In Karl-Marx-Stadt wird ein Schweigemarsch von 1000 Bürgern gewaltsam aufgelöst. Auch in Arnstadt und Ilmenau werden Demonstranten verprügelt und verhaftet.
All das findet praktisch unter Ausschluss der internationalen Öffentlichkeit statt. Westliche Journalisten sind im ganzen Land nicht zugelassen. Nur die Bilder aus Berlin gehen um die Welt. Hier werden die Vorgänge von in der DDR akkreditierten Journalisten dokumentiert. Es beginnt auf dem Alexanderplatz, wo ,wie in jedem Monat, die Proteste gegen die Wahlfälschung statt finden. Trotz zahlreicher Polizeiübergriffe zieht die Menge bis vor den Palast der Republik, wo der Festakt zum Jahrestag der Republik in vollem Gange ist. Vor dem Palast hatten sich schon weitere Demonstranten versammelt. Vereint rufen die Menschen: „Wir sind das Volk“ und „Demokratie, jetzt oder nie“. Der rumänische Diktator kommt zu spät zum Bankett, weil seine Staatskarosse Umwege fahren mußte. Die so genannte „Protokollstrecke“, auf der sich Regierungefahrzeuge sonst ungehindert bewegen, ist von Demonstranten blockiert. Stasichef Mielke muss die Festivität dagegen früher verlassen. Als er die Demonstranten vor dem Palast sieht, ordnet er, vor Wut schreiend, die gewaltsame Auflösung des Zuges an. Unter dieser Drohung ziehen die Menschen gegen 18 Uhr zur Gethsemanekirche im Prenzlauer Berg. Als sie am Gebäude des Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienstes vorbei kommen, rufen sie „Lügner, Lügner!“ Festnahmen und Prügeleien begleiten die Demonstranten auf der ganzen Strecke. An der Gethsemanekirche kommen nur etwa 1500 Menschen an. Die Polizei sperrt das Gebiet weiträumig ab. Dann setzt sie Wasserwerfer, Hunde, Schlagstöcke und Tränengas ein. Viele der Verhafteten können in kein Gefängnis mehr eingeliefert werden. Sie müssen stundenlang in Kellern und Garagen stehen. Viele werden bei den Verhören geschlagen. In Wartenberg müssen Gefangene durch ein mit Gummiknüppeln bewaffnetes Polizistenspalier rennen, wobei willkürlich zugeschlagen wird. Andere müssen sich nackt ausziehen und Liegestütze machen, wobei sie laut mitzuzählen haben. Im Eifer des Gefechts oder wegen Übermüdung, werden auch Inoffizielle Mitarbeiter der Staatsicherheit traktiert, die in der Menge ihren geheimen Dienst verrichtet hatten. Der bekannteste ist IM „Heiner“, ein Theologieprofessor mit Neigung zur SED.
Abseits von diesem Trubel findet in einem Pfarrhaus in Schwante bei Berlin eine entscheidende Neugründung statt. Die SDP wird aus der Taufe gehoben. Wie es sich für eine ordentliche Partei gehört mit Statut und Grundsätzen. Erster Sprecher wird Stefan Hilsberg, Geschäftsführer Ibrahim Böhme, der bald darauf zum Parteivorsitzenden avanciert. Damit gibt es erstmals seit der Zwangsvereinigung wieder eine eigenständige sozialdemokratische Partei auf dem Boden der DDR.
Es ist schon eine bittere Ironie der Geschichte, dass sich die Sozialdemokraten zwanzig Jahre nach diesem emanzipatorischen Akt, der SED freiwillig an den Hals werfen. Er wolle einen „angstfreien“ Umgang mit der „Linken“ verkündet der designierte neue Vorsitzende Siegmar Gabriel und läutet damit das langsame Ende dieser Traditionspartei ein. Es sieht immer mehr so aus, als übernähme die DDR das vereinte Deutschland.