Vera Lengsfeld / 28.04.2009 / 16:52 / 0 / Seite ausdrucken

Doppeltagebuch 1989/2009- 28. April

Wieder etwas Neues in Polen: der polnische Rundfunk sendet erstmals eine Wahlsendung der Gewerkschaft Solidarnosc für die Wahlen am 4. Juni. Jetzt
hat die Opposition auch eine offizielle Stimme. Die Zeiten der heimlichen, verbotenen Aktionen, ist endgültig vorbei.
In der DDR scheint alles seinen sozialistischen Gang zu gehen. Staatschef Honecker empfängt den niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht. Für ihn ist das ein weiterer Meilenstein zur ersehnten Anerkennung. Albrecht ist CDU-Mann und deshalb für Honecker ein wertvollerer Gesprächspartner als jeder SPD-Politiker. Dem Bericht des „Neuen Deutschland“ ist nicht viel zu entnehmen. Jedenfalls scheint Albrecht keine verwertbaren Huldigungen des Realsozialismus geäußert zu haben. Weniger zurückhaltend war da wenige Tage zuvor eine Dame Müller von der SPD, die sich mit anderen Genossen am Scharmützelsee mit SED-Bonzen getroffen hatte. Frau Müller machte klar, wie grauenhaft die BRD die Menschenrechte verletzen würde: Arbeitslosigkeit, der Umgang mit den Asylbewerbern, „Ausschluß“ ganzer Gruppen von NS-Opfern von der Wiedergutmachung, Extremismusbeschluss, Angriffe auf die Würde der Frau. Ein SED-Funktionär namens Schmidt versicherte ihr darauf hin, dass dies in der DDR ganz anders liefe. Frau Müller konnte mit dem guten Gefühl nach hause fahren, dass es ein wahrhaft besseres Deutschland gibt, das sie selbst nicht ertragen muss. Von Frau Alice Schwarzer, die ebenfalls keine eigenen Erfahrungen mit der DDR hatte, erfahren wir , wie gut wir doch dran waren, weil wir uns keine modischen Klamotten kaufen konnten. Da wurde der Sinn der DDR-Frau von vornherein auf das Wesentliche gelenkt. Das Philosophieren über den Mangel gibt dem Leben erst einen Sinn. Wie gut, dass in der DDR auch „Emma“ fehlte. Das bunte Emanzenblatt hätte die Ernsthaftigkeit der DDR-Frauen beschädigt, die Frau Schwarzer so wohltuend findet, wenn Sie in Dresden oder Erfurt aus ihren tiefsinnigen Werken liest. Sehr wahrscheinlich geht nur deshalb jemand zu den Lesungen Schwarzers, weil im Osten immer noch niemand weiß, wer sie eigentlich ist.

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