Der Dialog zwischen SED-Funktionären und Bürgern in Dresden wird erstmals im DDR-Fernsehen übertragen. Walter Kempowski sitzt in Nartum vor dem Bildschirm und findet die Veranstaltung „saft-, und kraftlos“. „Anstatt die Leute bei der Krawatte zu packen, laufen sie umeinander herum. Nichts Konkretes wird gesagt“. Damit hat Kempowski nur zum Teil Recht. Vor den Kameras produzieren sich oft Kirchenvertreter, die es gewohnt sind, vor vielen Leuten zu sprechen. Natürlich formulieren sie vorsichtig, weil sie sich wie auf dünnem Eis fühlen. Außerdem will die Kirchenleitung den Gesprächsfaden zur SED keinesfalls abreißen lassen. Also wird alles vermieden, was „provokativ“ wirken könnte. Andere sind weniger zurückhaltend. Vertreter der „Gruppe der 20“ fordern bei ihrem ersten Auftritt vor der Stadtverordentenversammlung von Dresden freie Wahlen.
In Halle, wo keine Fernsehkameras dabei sind, verläuft die Dialog-Veranstaltung ganz und gar nicht nach den Wünschen der SED. Im Saal befinden sich 1000 Menschen, vor dem Gebäude verfolgen weitere 5000 Bürger die Debatte, die mit Lautsprechern übertragen wird. Die Oppositionelle Kathrin Eigenfeld fordert unter tosendem Beifall der Versammelten, dass rechtliche Rahmenbedingungen für den Dialog geschaffen werden sollten, die Bespitzelung durch die Staatsicherheit beendet werden müsse, außerdem Presse-, Versammlungs-, und Demonstrationsfreiheit, sowie einen Gewaltverzicht der Staatsorgane.
In Sofia wird zu dieser Zeit gerade eine Demonstration gewaltsam aufgelöst. Während einer Umweltkonferenz der KSZE versuchen bulgarische Umweltaktivisten, auf die massiven Umweltprobleme des Landes hinzuweisen. Ekoglasnost, eine oppositionelle Umweltorganisation, verbreitet unter den Teilnehmern der Konferenz eine Petition. Als sie die Konferenz verlassen, werden die Aktivisten von der Polizei angegriffen.
Die von den Wählern erzwungene schwarz-gelbe Koalition ist alles andere, als eine Liebesheirat unter den Politikern. Kaum ist der Koalitionsvertrag der faulen Kompromisse verkündet, gehen die Diskussionen auch schon los. Mit Recht wird von den CDU-Mittelständlern bemängelt, dass Reformwille im Papier der zweiten Merkel- Regierung nicht zu erkennen sei. Weder in der Steuer-, noch in der Gesundheitspolitik sind Weichen für eine notwendige Veränderung gestellt worden. In beiden Fällen hat sich Merkel himmelweit von dem entfernt, was sie als Oppositionsführerin anzustreben vorgab. Die CDU-Führung agiert, als hätte es nie Leipziger Beschlüsse gegeben. Dass sich Probleme, die nicht gelöst werden, ihre Lösung schließlich selbst suchen, wie man aus den Ereignissen von vor zwanzig Jahren lernen könnte, ist schon wieder vergessen.