Großer Bahnhof in Greifswald. Der von hauptsächlich westlichen Geldern frisch renovierte Dom wird feierlich wieder eingeweiht. Neben zahlreichen Gästen aus der Bundesrepublik wird auch Partei-, und Staatschef Erich Honecker erwartet, der vom staatsloyalen Bischof Horst Gienke eingeladen wurde. Honecker zu ehren wurde jede menge Jubelvolk an den Straßenrand beordert. Die Fernsehkommentatoren vom DFF überschlagen sich vor Begeisterung. Walter Kempowski notiert in sein Tagebuch: „Begeisterte Vorpommern, die dem Staatsratsvorsitzenden Blumen überreichen, dazu ein unsinniger Kommentar über Greifswald: Diese Stadt sei als einzige kampflos den Russen übergeben worden.! Das stimmt überhaupt nicht, in Rostock und Stralsund wurde auch nicht gekämpft.“ Die Legende über den Stadtkommandanten von Greifswald, der sich entschloss, die Stadt zu übergeben, um die wertvolle historische Architektur zu retten, stand in der DDR in den Schulbüchern. Kurz vor Ende der DDR wurde ein großer Teil dieses wertvollen Erbes allerdings umstandslos abgräumt. Vor dem Besuch Honeckers wurden mehrere Straßenzüge einfach abgerissen und planiert, um dem Staatschef den Anblick des Verfalls zu ersparen.
Nach der Domeinweihung tauschten Honecker und Bischof Gienke im „Neuen Deutschland“ Briefe aus, die das gute Verhältnis von Staat und Kirche demonstrieren sollten. Daraufhin distanzierte sich die Konferenz der Kirchenleitungen von Gienke.
Die Causa Kurras beschäftigt die Medien immer noch. Heute durfte Klaus Hartung im „Tagesspiegel“ demonstrieren, wie weit die Geschichtsverleugnung bei vielen Linken nach wie vor geht. Er will unbedingt die Legende vom präfaschistischen Staat retten, um den sich sich damals bei der Bundesrepublik angeblich gehandelt hat und vor der uns die tapferen 68er erfolgreich bewahrt haben sollen. Auch bei Hartung kein Wort darüber, dass die DDR-Propaganda immer wieder den Eindruck zu erwecken versuchte, die Bundesrepublik wäre nach wie vor von Altnazis regiert und vom faschistischen Geist durchtränkt. Er beruft sich statt dessen auf das „Empfinden“ der Studenten, als wäre das ein Beweis für die Realität. Jeder weiß, dass es zwischen gefühlter und tatsächlicher Temperatur erhebliche Unterschiede geben kann. Egal wie man fühlt, es ist nur so warm oder kalt, wie das Thermometer zeigt. Natürlich kein Wort über die vielen von Agenten der Staatsicherheit geschändeten jüdischen Friedhöfe, die zum „Gefühl“, in einem präfaschistischen Staat zu leben, beitrugen. Kein Wort über die von der Stasi gefälschten Akten, mit denen westdeutsche Politiker erfolgreich als Altnazis denunziert wurden.
Und natürlich kein Wort über die Massenmörder als Idole der Studentenbewegung, kein Wort über den angebeteten chinesischen oder kambodschanischen Sozialismus, der, wenn es nach den 68ern gegangen wäre, die Demokratie in der Bundesrepublik ersetzen sollte. Statt dessen jede Menge Nebelkerzen über die Ablehnung des DDR-Sozialismus, dessen Geld man dennoch gern genommen hat. Kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit sieht anders aus.