Rainer Bonhorst / 06.10.2013 / 15:33 / 5 / Seite ausdrucken

Die Katastrophe macht eine Pause

Zur Zeit herrscht, wie ich lese, Klimapause. Was heißt zur Zeit: Schon ein paar Jahre ist Pause. Da es sich beim Klima gewöhnlich um die Klimakatastrophe handelt, nehme ich an, dass die Klimapause eine Katastrophenpause ist. Das ist eine gute Nachricht. Jedenfalls für die meisten Menschen. Schwieriger ist es sicher für die Leute, die ganz fest auf die Katastrophe gebaut haben. Und nun macht sie Pause. Das kann doch sehr enttäuschend sein.   

Aber es könnte noch schlimmer sein. Ich möchte mir nicht den Vorwurf eines wilden Komparatismus (zu deutsch: Vergleicherei) einhandeln. Aber was sollen die Leute sagen, die zur Jahrtausendwende fest mit dem Weltuntergang gerechnet haben, der dann nicht kam. Sie haben einen guten Job gekündigt, vielleicht sogar ihr Haus zu billig verkauft, und dann ging das Leben einfach weiter. Ihr Job ist mit einem anderen, jüngeren besetzt, das Haus vom neuen Besitzer schon umgebaut, und die Kleiderspende ist längst in Rumänien. Das ist eine echte Katastrophe.

Die Klimapause ist im Vergleich harmlos. Bitte sehr, die Erderwärmung macht erst einmal nicht weiter. Was soll’s. Sie wird schon wieder. Eine Pause ist eine Pause, mehr nicht. Natürlich gibt es unterschiedliche Pausen. In der Schule gibt es kleine Pausen und große Pausen. Aber auch die große Pause ist einmal zu Ende. Dann geht der Mathe-Unterricht wieder los. Beziehungsweise: Dann legt das Klima wieder einen Zahn zu. Die Katastrophe holt nach, was sie versprochen hat.

Natürlich kann man sich fragen: Wann ist eine Pause eine Pause? Wie lang darf eine Pause sein? Die große Pause in der Schule war, wenn ich mich recht erinnere, 15 bis 20 Minuten. In der Welt des Klimas wäre das eher eine kleine Pause. Die Pause, die das Klima zur Zeit macht, dauert immerhin schon ein paar Jährchen. Das ist nach schulischen Maßstäben eigentlich schon keine Pause mehr. Auch Ferien, sogar die großen, dauern nicht so lange. Man kann also schulisch gesprochen auch nicht von Klimaferien reden. Eher von einem vorzeitigen Abgang. Wer ein paar Jahre Schulpause macht, kehrt meistens nicht mehr zurück. Haben wir es also mit einem Klimaabgang ohne den erwünschten Abschluss zu tun?

Nun, beim Klima herrschen andere Maßstäbe. Da können ein paar Jahre durchaus noch als Pause gelten. Aber kann man noch von einer kleinen Pause sprechen? Warum nicht. Im Angesicht der Ewigkeit ist alles klein. Was sind da schon ein paar Jahre. Allerdings: Je länger sich die Pause hinzieht, desto stärker werden die Zweifel auf, ob Pause wirklich noch das richtige Wort ist.

Worte werden ja gerne zielgerichtet benutzt. In den 60er Jahren sprach man zum Beispiel gern von einer Schwangerschaftsunterbrechung. Unterbrechung. Das klang auch nach Pause. Eine Schwangerschaftspause also. So eine Unterbrechung kann jederzeit wieder fortgesetzt werden. Pause zu Ende, es geht weiter. Aber so war das mit Schwangerschaft natürlich nicht. Wenn die Pause machte, war das auch gleich das Ende. Das ist, glaube ich, auch heute noch so. Aber damals waren das Kampfjahre. Man wollte nicht gleich von Schwangerschaftsabbruch sprechen, weil die Gegner dann gemerkt hätten, dass die Schwangerschaft nicht nur Pause macht. Sie haben auch so etwas gemerkt, aber der Kampf wurde gewonnen. Was als Pause beziehungsweise Unterbrechung begann, wurde schließlich als Beendigung akzeptiert.

Vergleiche ich schon wieder Äpfel mit Birnen? Ja, weil es Spaß macht. Aber der Ordnung halber sei gesagt: Das Klima hat natürlich nichts mit Schwangerschaft zu tun. Außer, dass man schon lange mit der Klimakatastrophe schwanger geht. Aber anders als bei der Schwangerschaft, kann die Katastrophe nach der Unterbrechung immer noch kommen. Selbst wenn die Pause nochmal viele Jahre dauert, kann die Katastrophe das überleben. Sie hat schon längere Pausen, sogar Jahrhunderte, ja Jahrtausende lange Pausen überlebt und ist dann doch noch gekommen.

Und wenn sie dann wieder kommt, muss man nur noch klären, wer sie gemacht hat. Vater Mensch oder Mutter Natur. Bei der Schwangerschaft sind es gewöhnlich beide.   

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Fiona Allen / 08.10.2013

Herr Bonhorst, Sie schreiben:  “Worte werden ja gerne zielgerichtet benutzt. In den 60er Jahren sprach man zum Beispiel gern von einer Schwangerschaftsunterbrechung. Unterbrechung. Das klang auch nach Pause. Eine Schwangerschaftspause also. So eine Unterbrechung kann jederzeit wieder fortgesetzt werden. Pause zu Ende, es geht weiter. Aber so war das mit Schwangerschaft natürlich nicht. Wenn die Pause machte, war das auch gleich das Ende.” Das ist nicht immer der Fall. Bei Tieren gibt es die Keimruhe,  das Phänomen, dass eine befruchtete Eizelle eines Säugetieres sich nicht sofort kontinuierlich zum Embryo weiterentwickelt, sondern die befruchtete Eizelle (Zygote) nistet sich zwar in der Gebärmutterschleimhaut ein, teilt sich aber zunächst nicht. Erst nach der Keimruhe beginnt die normale embryonale Entwicklung. Die dadurch verlängerte Tragzeit ermöglicht die Geburt während einer für die Aufzucht günstigen Jahreszeit. Beim Reh etwa erfolgt die Befruchtung während der Blattzeit Ende Juli. Aber erst Ende November beginnt das embryonale Wachstum. Dadurch werden die Kitze im vegetationsreichen Frühjahr (etwa Mai) gesetzt. In Europa kommt die Keimruhe regelmäßig außer beim Reh auch beim Dachs, Marder, Hermelin, Seehund, Fischotter und beim Braunbär vor. Besonders lang im Verhältnis zur eigentlichen Tragzeit ist die Keimruhe bei Beuteltieren.” (Danke Wikipedia!) Klar hat das nicht direkt etwas mit ihrem Artikel zu tun. Ich wollte nur ein wenig klugsch . . .  Nur das noch: Um auf die Tötung eines Ungeborenen den Begriff “Schwangerschaftsunterbrechung” anzuwenden, braucht es schon eines menschlichen Verstandes. Gut dass Tiere nicht wissen, was Zynismus ist.

Jens Breitenbach / 08.10.2013

Es tut mir ja leid, wenn ich dem Autor die Party ein wenig verderben muß, aber ich sehe keinen Grund, die Hände in den Schoß zu legen und sich selbst einzureden, alles sei Einbildung. - Andererseits halte ich genausowenig von Panikmache, denn die Folgen einer (normalen, nicht durch eine Katastrophe hervorgerufenen) Klimaänderung treten nicht von heute auf morgen auf und lassen Zeit, sich entsprechend vorzubereiten. Fakt ist, daß zwar in den letzten 15 Jahren die Erdatmosphäre nicht nennenswert wärmer wurde, aber dafür das Eis an den Polen und im Hochgebirge an Volumen eingebüßt und sich die Permafrostgrenze verschoben hat. Dies ist höchstwahrscheinlich auch der Grund für die fehlende Erwärmung: Um ein kg Eis zu tauen, braucht man 330 kJ - etwa die gleiche Wärme, die man auch benötigt, um ein kg Wasser von 0 auf 80 Grad Celsius zu erhitzen. Solange genug Eis zum Schmelzen da ist, wird es also voraussichtlich keinen merklichen Temperaturanstieg geben. Unangenehm wird es allerdings in anderer Hinsicht, wenn nicht mehr nur das Meereseis zu tauen beginnt (was praktisch keinen Anstieg des Meeresspeigels zur Folge hat), sondern auch auch das Festlandeis Grönlands und der Antarktis - ein Effekt, der sich eventuell verstärken kann durch eine Verringerung des Albedos der Erde (d.h. des Anteils, in dem Licht reflektiert wird). Legt man die Entwicklung zugrunde, die die Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation für den Zeitraum 1993 - 2012 ermittelt hat, liegt es nahe, einen Meeresspiegelanstieg von knapp 30 cm bis 2100 zu prognostizieren - vor allem durch die Ausdehnung des Wassers bei höherer Temperatur. Auch dieser Wert ist mit Vorsicht zu genießen -  das Meerwasser wird durch das Tauen des Eises nicht wesentlich wärmer, aber der Meeresspiegel kann steigen, sobald das Festlandeis schmilzt. Wie auch immer der Wert aussehen wird: es ist nicht zu erwarten, daß nächstes Jahr weltweit die Küstenstädte unter Wasser stehen. Die Industriestaaten haben also Zeit genug, die Deiche an ihren Küsten zu erhöhen, eventuell einige Landstriche aufzugeben (und die Bewohner entsprechend zu entschädigen) und vor allem, den Entwicklungsländern unter die Arme zu greifen, selbiges zu tun. Wie gesagt: Man hat genausowenig Grund, die Hände in den Schoß zu legen und davon auszugehen, daß die Sonne rechtzeitig etwas weniger Aktivität zeigt, als in Panik zu verfallen und den Weltuntergang heraufzubeschwören.

Ernst Thiemann / 06.10.2013

Zwei Tage kommt sie, drei Tage bleibt sie, zwei Tage geht sie.

Gerhard Sponsel Lemvig / 06.10.2013

“Die Katastrophe macht eine Pause” Das kann man gerade noch ertragen. Nur, wann macht endlich der deutsche Umweltminister, mir fällt der Name gerade nicht ein, eine Pause in den deutschen Talkshows. Wo man auch hinzappt, über all begegnet man den trolligen Umweltminster. Was für eine Katastrophe!

Wolfgang Janßen / 06.10.2013

Ja, es ist schon ein Kreuz mit den Katastrophen. Der einzige, der bisher eine Katastrophe sinnvoll vorausgesagt hat, war der Gründer der Religionsgemeinschaft der Mormonen. Dieser hat den Weltuntergang auf ein Datum gelegt, zu dem er mit Sicherheit nicht mehr leben würde. Das hatte gleich zwei Vorteile: 1. Er war im Falle des Weltuntergangs selbst nicht betroffen 2. Wenn der Weltuntergang nicht stattfand, mußte er sich dafür nicht rechtferitgen

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