Markus Vahlefeld: “Erst stirbt der Wald, dann stirbt der Mensch”
Eines der Rätsel in Bezug auf die Grünen ist die Tatsache, dass die Grünen ein schwer deutsches Phänomen sind. Kein anderes Industrieland auf dieser Erde leistet sich den Luxus der Ökopaxe mit einer derartigen Inbrunst wie wir Deutschen.
Aber warum wir Deutschen?
Natürlich ist diese Frage nicht monokausal zu beantworten („weil wir Idioten sind“), sondern benötigt eine bestimmte Sensibilität, um sich in die Gefühlslage der Deutschen hineinzuversetzen.
Da ist zum einen der unbändige Wunsch, aus der Mitte Europas heraus Einfluss zu nehmen (und oftmals auch zu herrschen) verbunden mit der Tatsache, dass Deutschland allein schon aus seiner geografischen Lage heraus abhängig ist von den es umgebenden Ländern. Ein Luther ist ohne dieses Gefühl der Abhängigkeit (in dem Falle von Rom) nicht zu verstehen. In gewisser Weise ist Luther sogar der historische Vorläufer des berühmten und von den Deutschen so favorisierten „Dritten Wegs“, der sich bekanntlich irgendwo zwischen den Blöcken Ost (orthodoxe Kirche, Kommunismus u.ä) und West (Rom, Kapitalismus, USA) befinden soll.
Zu diesem Gefühl der Abhängigkeit und Unterlegenheit aber gesellt sich beim Deutschen auch die Hybris, klüger, fortschrittlicher, fleißiger und kulturtiefer zu sein als seine Nachbarn. Harmlos gesprochen könnte man die Hybris auch einfach Besserwisserei nennen.
Unterlegenheit und Hybris reichen sich beim Phänomen „Deutsche Seele“ die Hand. Das immer wieder – heute vor allem von den Grünen – gern gehörte Argument, Vorbild sein und mit gutem Beispiel vorangehen zu wollen, ist so eine typische Krankheit aus dieser Melange aus Minderwertigkeitskomplex und Überheblichkeit.
Irgendeine gefühlte metaphysische Tiefe, die sich durchaus aus der Komplexheit der Deutschen Sprache speisen könnte, wirkt jetzt als Brandbeschleuniger und gebiert diese berühmt-berüchtigte “German Angst”. Es ist ein Zuviel an metaphysischer Sehnsucht, das die irdischen Verhältnisse ständig als latent dem Niedergang geweiht ansieht, können doch die irdischen Verhältnisse den hehren Gesetzen des Geistes, der Sinnhaftigkeit und der Bedeutungsschwere niemals entsprechen. Die “German Angst” verstärkt die Unbillen des Lebens zu einer ständig gefühlten Bedrohung.
Als die Grünen 1983 in den Deutschen Bundestag einzogen und dem gerade frisch gewählten Kanzler Helmut Kohl statt eines Blumenstraußes eine entnadelte tote Tanne überreichten, war die Überraschung im Ausland groß, dass eine Nation, die in den 30 Jahren zuvor einen ungeheuren wirtschaftlichen, technischen und demokratischen Aufschwung verzeichnet hatte, strickende Männer mit Rauschebärten und Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs zu ihren Repräsentanten wählte. Damals war das Modeschwein der Grünen, das durch das mediale Dorf getrieben wurde, das berühmte Waldsterben.
Es waren aber nicht nur ein paar tote Bäume, die da beweint wurden, es war die kollektive Erfahrung eines dumpfen Gefühls des Weltuntergangs. So nimmt es nicht Wunder, dass die Franzosen, die unter dem Waldsterben genauso litten, das Phänomen der absterbenden Bäume mit gehöriger Distanz und leichter Ironie in Bezug auf ihre hyperventilierenden Nachbarn im Osten schlicht und einfach „Le Waldsterben“ nannten. Auch die Angelsachsen sprachen nur von „The Waldsterben“. Scheinbar war niemand außer den Deutschen bereit, die eigene Sprache durch einen hysterischen-metaphysischen Kampfbegriff zu verhunzen. Die Nutzung des deutschen Wortes dagegen betonte den nicht von der Hand zu weisenden Eindruck, dass das Waldsterben eine deutsche Erfindung und Eigenart war vergleichbar dem „Kindergarden“.
“Erst stirbt der Wald, dann stirbt der Mensch” - war das meistgehörte Credo dieser Zeit. Das Waldsterben wurde unsterblich.
Nachdem sich das Waldsterben als ein vornehmlich natürliches Phänomen herausgestellt hatte und damit ergo keine Weltuntergangsängste mehr ausgelöst werden konnten, wurde es von der nächsten Lügensau, die durch das mediale Dorf getrieben wurde, ersetzt: vom Kampf gegen den Nato-Doppelbeschluss. Hier wieder das gleiche Ritual: die Deutschen bekamen es mit der Angst vor dem Weltuntergang zu tun.
1985 gingen Millionen Menschen in Deutschland auf die Straße, um gegen die Stationierung der Pershing-II-Raketen zu demonstrieren. Keine Woche verging ohne Ostermärsche, Friedensdemos und Sitzblockaden. Wer sich in Deutschland zur Intelligenzija zählte, musste mitmachen. Das deutsche Gewissen war schwer pazifistisch.
Aufgrund des Wettrüstens aber, gegen das die grünen Seelen so vehement protestiert hatten, kollabierte die Sowjetunion und auf einmal war das, was ehedem Kalter Krieg genannt wurde, Geschichte. Logischerweise hätten nun die linken Angstseelen ihren Fehler erkennen und ihre Grundhaltung der Welt gegenüber ändern können, stattdessen aber erfand die sensible grüne Seele eine neue Angst: die Klimakatastrophe. In ihr finden sich alle anderen Ängste vor der Atomkraft, vor Tschernobyl, vor Umweltverschmutzung und vor einer ungerechten Welt gebündelt wieder.
Der Zukunftsforscher Matthias Horx kommentiert das sehr luzide: “Es geht um die Deutungsmacht des mächtigsten aller archaischen Symbole: des Wetters. Jeder Regenschauer ist nun ein Anzeichen. Jeder milde Winter ein Menetekel. Jeder Sturm ein Armageddon. Wer DIESE Angst beherrscht und funktionalisieren kann, verfügt über den zentralen Code der Menschheitsängste.“
Welcome to the world of green!