Gastautor / 26.06.2012 / 22:08 / 0 / Seite ausdrucken

Die Energiepreise sinken…kein Witz

Fabian Heinzel

Die Energiepreise sinken. Nicht, seit die FDP wieder an der Macht ist, auch nicht, seit Strom gelb ist oder seit sich Autofahrern der Eindruck aufdrängt, Niedersachsen wäre mehr Windpark als Bundesland. Sie sinken seit Jahrhunderten. Der Zoologe Matt Ridley gibt in seinem brillanten Vortrag „When ideas have sex“ ein anschauliches Beispiel, das diese Entwicklung illustriert: Um den Preis für eine Stunde Leselicht bezahlen zu können, muss ein durchschnittlich verdienender Brite heutzutage etwa eine halbe Sekunde arbeiten. 1950 wären dafür acht Sekunden Arbeit vonnöten gewesen, 1880 fünfzehn Minuten und um 1800 hätte ein Arbeiter sechs Stunden seiner Zeit investieren müssen, um sich eine Kerze zu leisten, die eine Stunde gebrannt hätte. Für Deutschland kommt eine Studie der Hochschule Rottenburg, die die Entwicklung der Strompreise von 1950 bis heute betrachtet, zum dem Schluss, dass die inflationsbereinigten Strompreise in den 1950er und 60er Jahren kontinuierlich gefallen sind. Danach seien die Preise konstant geblieben oder gefallen – bis zum Jahr 2000.

Seit 2000 aber steigen die Strompreise schneller als die Einkommen derjenigen, die sie bezahlen müssen. Zu einem gewissen Grad ist die Entwicklung dieser Preise von den Weltmarktpreisen für Primärenergieträger wie Öl, Gas oder Kohle abhängig, doch der staatliche Einfluss ist nicht zu unterschätzen: In Deutschland kommen ca. 45 % des Strompreises für Haushaltskunden durch Steuern, Abgaben und Umlagen zustande. Im Zusammenhang mit der geplanten Energiewende werden die Verbraucher darüber hinaus immer wieder auf Preissteigerungen eingeschworen.

Die Verfügbarkeit erschwinglicher Energie ist aber weit mehr als eine Annehmlichkeit beim fernsehen oder Playstation spielen. Sie ist neben der Verfügbarkeit von Wissen und der Möglichkeit, Ideen auszutauschen, der entscheidende Motor des Fortschritts. Was allein Kühl- und Gefrierschränke, wie sie in Industrienationen auch noch in den bescheidensten Haushalten zu finden sind, zur Verbesserung der Ernährung der Menschheit beigetragen haben, lässt sich kaum in Zahlen, oder Worte fassen. Ähnliches gilt für Fließbänder, elektrisches Licht und Computer. Ohne Erfindungen wie diese, die nur mit ausreichend verfügbarer und bezahlbarer Energie denkbar sind, gäbe es zum Beispiel keine modernen Krankenhäuser, keine Supermärkte und keine Flughäfen in ihrer heutigen Form. Diese Liste ließe sich noch sehr weit fortsetzen und die Konsequenzen wären ausgesprochen drastischer Natur. Durch das Fehlen einer auf die jetzige Form der Energienutzung aufgebaute Infrastruktur würde beispielsweise eine Missernte in einer bestimmten Region eine Hungersnot auslösen – so wie es in früheren Jahrhunderten normal war.

Das völlige Verschwinden dieser Infrastruktur mag zwar nicht sehr wahrscheinlich sein, doch so wie die fallenden Energiepreise der Vergangenheit Innovation und Fortschritt erleichtert haben, ist die Annahme eines Rückschritts durch steigende Energiepreise absolut plausibel. Da sie zwangsläufig auch eine Verteuerung der Produktions-, Transport- und Lagerkosten bedeuten, ziehen sie eine Verteuerung sämtlicher Produkte und damit eine Absenkung des Wohlstandsniveaus nach sich. Sinkender Wohlstand bedeutet wiederum, dass mit einer sinkenden Lebenserwartung zu rechnen ist, da medizinische und Versorgung mit Nahrungsmitteln sich verschlechtern, dass sich Sozialsysteme nicht länger aufrecht erhalten lassen und dass eine weitere Abwanderung gut ausgebildeter Fachkräfte zu erwarten ist. Um den Zustand der Umwelt ist ebenfalls zu fürchten – so würde in Mitteleuropa derzeit kaum jemand auf die Idee kommen, einen Wald abzuholzen, um heizen und kochen zu können, dort, wo es keine bezahlbaren Alternativen gibt, ist dieses Verhalten gängige Praxis. Kurz gesagt: Wohlstand schafft Wohlstand, Armut schafft Armut. Es bleibt daher zu hoffen, dass bei energiepolitischen Entscheidungen nicht aus dem Blick gerät, wie weitreichend der Strompreis in seiner Bedeutung ist.   

Weiterführende Links    

Matt Ridley: When ideas have sex: http://www.youtube.com/watch?v=OLHh9E5ilZ4

Entwicklung der Strompreise im Verhältnis zur Kaufkraft und Abhängigkeit der Strompreise von den Primärenergiekosten im Untersuchungszeitraum 1950 bis heute: http://www.lukas-emele.de/cms/wp-content/uploads/2009/05/Projekt1.pdf

http://de.wikipedia.org/wiki/Strompreis

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Gastautor / 31.03.2024 / 12:00 / 5

Der Bücher-Gärtner: Warum die Giraffe nicht ohmächtig wird

Von Edgar L. Gärtner. Dieses Buch erzählt Geschichten von kleinen und großen Tieren von Seepferdchen bis zu Elefanten und Narwalen, in denen sich manchmal jahrtausendealte…/ mehr

Gastautor / 18.03.2024 / 12:00 / 19

Pubertätsblocker-Verbot: Wer folgt dem Beispiel Englands?

Von Martin Voigt. In Großbritannien bekommen Kinder und Jugendliche, die sich als Transgender identifizieren, künftig keine Pubertätsblocker mehr. Das sollte auch die Debatte in Deutschland…/ mehr

Gastautor / 17.03.2024 / 12:00 / 10

Der Bücher-Gärtner: Zum Krankheitsbild unserer Epoche

Von Edgar L. Gärtner Moralischer Narzissmus, Selbstüberschätzung und Selbsthass: Damit beschäftig sich „Die Weisheit des Herzens. Wie wir werden, was wir sein wollen" des Neurowissenschaftlers und…/ mehr

Gastautor / 12.03.2024 / 06:15 / 106

Europa 30 Grad kälter? Ein wissenschaftlicher Amoklauf

Von Andreas Zimmermann. Kürzlich machten Panikmeldungen die ganz große Runde, die Temperaturen in Europa könnten um 30 Grad absinken. Bereits schlichtes Nachrechnen entlarvt das ganze Szenario…/ mehr

Gastautor / 10.03.2024 / 11:00 / 2

Der Bücher-Gärtner: Das Zusammenleben täglich neu aushandeln?

Von Edgar L. Gärtner. Der zugegeben sperrige Titel „Ohne Bestand. Angriff auf die Lebenswelt“ von Michael Esders ist eine höchst anregende Lektüre, die vom Raubbau am sozialen…/ mehr

Gastautor / 06.03.2024 / 06:15 / 147

SOS eines Berliner Lehrers

Von Piotr Kowalski. Hilferuf eines Lehrers, der bereit ist, viele Demütigungen zu ertragen, aber nicht jene, sich nicht mehr als Pädagoge zu betrachten. Nachdem ich…/ mehr

Gastautor / 04.03.2024 / 06:00 / 52

Corona-Aufarbeitung: Skandal-Antworten der Bundesregierung

Von Andreas Zimmermann. Die Bundesregierung beantwortete eine parlamentarische Anfrage zu eklatanten Impfrisiken: Arrogant, ignorant und inkompetent. Und genauso geht sie mit der Gesundheit der Bürger um.…/ mehr

Gastautor / 03.03.2024 / 11:00 / 22

Der Bücher-Gärtner: Fossilenergie erneuerbar?

Von Edgar L. Gärtner. Unsere neue Buch-Kolumne richtet sich allein danach, ob ein Buch oder die Diskussion darüber interessant ist oder nicht. Den Anfang macht…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com