Die Debatte über die Endlagerung von Atommüll ist neu entfacht. Am Mittwoch wurde im Bundeskabinett das Gesetz zur Suche nach einem Standort behandelt und weitergereicht. Eine bleierne Schwere liegt über dem Thema, eine Menschheitsfrage von kosmischen Ausmaßen scheint anzustehen. Geht es doch angeblich nicht nur darum, was wir unseren Kindern und Kindeskindern an tödlich strahlendem Erbe hinterlassen. Wir schaffen, wie es vielfach heißt, etwas, was noch in Millionen Jahren den Menschen oder deren Nachfolgern Probleme und Verantwortung aufhalst. Und ewig strahlt der Müll? Welch ein grandioser Irrtum.
In einem Leitartikel der Welt, den Sie hier nachlesen können, habe ich jetzt dargelegt, warum diese Schwarzmalerei völlig unberechtigt ist. Daraus folgt: Das wichtigste Kriterium für die Suche nach einem Endlagerraum ist nicht die Haltbarkeit seiner Wände für Millionen Jahre sondern vielmehr die Rückholbarkeit des Mülls, und zwar schon bald. In spätestens zwei oder drei Jahrzehnten wird man so weit sein, die strahlende Materie in harmlosen Stoff zurückzuverwandeln, und dabei auch noch Energie zu gewinnen. In einem Reaktor, der unterkritisch läuft, also keine unkontrollierbare Kettenreaktion zulässt.
Die Methode, die unter dem Zauberwort “Transmutation” firmiert, istim Labormaßstab längst erprobt. Im belgischen Mol ist ein Versuchsreaktor der EU geplant, der in wenigen Jahren die Transmutation in industriellen Größenordnungen erproben soll. Nicht nur die Fachwelt, auch Publikumszeitungen nehmen sich bisweilen des Themas an, es ist unstrittig, dass das Prinzip im Grundsatz funktioniert.
Wer behauptet, dass der Müll noch Hundertttausende von Jahren tödlich strahlt, beleidigt unsere Folgegenerationen. Nicht, weil er ihnen den Müll hinterlässt, sondern weil er ihnen nicht zutraut, ein Problem zu lösen, was schon heute angegangen wird – nach dem Prinzip “Nach uns die Dummheit”. Und in der Ignoranz vor dem sich immer schneller drehenden technischen Fortschritt.
Fatal in dem Zusammenhang allerdings, dass – nicht zuletzt durch Betreiben der früheren rotgrünen Regierung – die Atomforschung stark zurückgefahren wurde. So kann man die Transmutation natürlich ausbremsen, aus naheliegenden politischen Gründen.
Das einzige, was bei dem Thema verwundert, ist, dass es bei der Debatte um die Endlagersuche schlichtweg nicht zur Sprache kommt.
Da in dem genannten Leitartikel die technischen Hintergründe nur oberflächlich angerissen werden konnten, hier noch der Link zu meiner etwas hintergründigeren Reportage von vor dreieinhalb Jahren, als ich das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) besuchte, in dem Laborversuche für die Transmutation laufen. Am Sachstand hat sich nicht viel geändert, außer dass die Versuchsanlage in Mol mittlerweile aufs Gleis gesetzt ist.
Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT