Vor nicht einmal einem Jahr beschloss die CSU auf ihrem Landesparteitag am 15./16.12.2017 eine Grenzschließung für die illegale Zuwanderer, verbunden mit der Forderung an die Bundesregierung, dies umzusetzen. Wörtlich heißt es (siehe Beschlussbuch, Seite 98) :
„Allen aus einem sicheren Drittstaat, wie z.B. Österreich nach Deutschland einreisenden Nicht-EU-Ausländern, die nicht über die erforderlichen Pass- oder Visa-Dokumente verfügen, muss die Einreise nach Deutschland gemäß Art. 16 a Abs. 2 Grundgesetz und § 18 Abs. 2 Nr. 1 Asylgesetz verweigert werden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich für einen lückenlosen Gesetzesvollzug zu sorgen.“
Seit März 2018 besetzt die CSU mit Horst Seehofer das für solchen Gesetzesvollzug zuständige Bundesinnenministerium. Was nun hat die CSU in der Zwischenzeit von ihrer Forderung umgesetzt?
Nachfolgend ein kleines Potpourri der Anstrengungen der CSU und insbesondere ihres Bundesinnenministers Horst Seehofer zur Lösung der „Mutter aller Probleme".
1) Auf Zeit spielen
Wenige Tage nach Amtsantritt Anfang März 2018 plädierte Horst Seehofer dafür, das Schengen-Abkommen auszusetzen und die Grenzkontrollen an den deutschen Binnengrenzen auszuweiten. In einem Interview sagte er: „Die Binnengrenzkontrollen müssen so lange ausgeführt werden, solange die EU es nicht schafft, die Außengrenzen wirksam zu schützen und zu kontrollieren. Auf absehbare Zeit sehe ich im Augenblick nicht, dass ihr das gelingen wird.“ Derzeit seien "nicht allzu viele Grenzstellen in Deutschland" dauerhaft besetzt. "Auch darüber wird nun zu reden sein, ob das so bleiben kann."
Geredet wurde viel. Geblieben ist alles beim alten. Doch nicht ganz: Seehofer führte die Politik der offenen Grenzen nicht nur weiter, sondern reduzierte gar noch die wegen der „Flüchtlingskrise“ eingeführten (ohnehin nur rudimentären) Grenzkontrollen im Schengenraum. Zwar verlängerte er die wenigen Kontrollen zu Österreich um sechs Monate, verzichtete jedoch darauf, die bisherigen systematischen Kontrollen für Flüge aus Griechenland fortzuführen (siehe hier).
2) Theater spielen
Im Sommer 2018 dann ein Polittheater besonderer Art. Seehofer polterte, faselte von einem Masterplan zur Zuwanderung mit 63 Punkten und forderte insbesondere die Zurückweisung illegaler Migranten an der Grenze. Sogar mit Rücktritt drohte er, wenn seinen Vorstellungen nicht entsprochen würde. Am Ende dann ein sogenannter Asylkompromiss „zur besseren Ordnung, Steuerung und Verhinderung der Sekundärmigration“: Demnach sollen Migranten, für deren Asylantrag ein anderer EU-Staat zuständig ist, in Transitzentren kommen. Zur Rückführung dieser Personen sollen Rückführungsabkommen mit den betreffenden Staaten geschlossen werden.
Einige Wochen später dann das erste von Seehofer ausgehandelte Rückführungsabkommen – mit Spanien. Der Bundesinnenminister habe geliefert mit diesem ersten Abkommen, so der Innenstaatssekretär Stephan Mayer (CSU). An der Grenze zu Österreich aufgegriffene Migranten sollen demnach innerhalb von 48 Stunden zurückgewiesen werden, wenn sie bereits in Spanien einen Asylantrag gestellt haben. Ob dies der Fall ist, lässt sich der sogenannten Eurodac-Datei entnehmen, in der Asylantragsteller gespeichert sind.
Der „Clou“ an diesem Abkommen: Kein Migrant ist von diesem Abkommen betroffen. Laut Bundesinnenministerium (BMI) seien seit Juni 2018 durch die Bundespolizei insgesamt acht Personen mit aus einem spanischen Verfahren herrührenden Eurodac-Treffer der Kategorie 1 bei der unerlaubten Einreise nach Deutschland festgestellt worden. Die Rückführung innerhalb von 48 Stunden betreffe indes nur diejenigen, die an der deutsch-österreichischen Grenze aufgefasst wurden. Von den genannten acht waren das, so das BMI, "allerdings keine" (siehe hier).
3) Kapitän spielen
Ende Juni 2018 äußerte sich Seehofer zu den Rettungsschiffen, die im Mittelmeer Migranten aufnehmen und nach Europa bringen. Als das Schiff „Lifeline“ mit 230 Migranten zunächst keinen Hafen fand, den es ansteuern konnte, bis sich schließlich mehrere Staaten und einige deutsche Bundesländer bereiterklärten, die Migranten aufzunehmen, sagte er laut tönend: "Wir müssen verhindern, dass es zu einem Präzedenzfall wird." Zwischen Libyen und Südeuropa dürfe es kein "Shuttle" geben. Die „Lifeline“ sei zu beschlagnahmen und die deutsche Crew strafrechtlich zu verfolgen.
Als dann im August 2018 das Schiff „Aquarius“ vor dem gleichen Problem wie die „Lifeline“ stand, war es Horst Seehofer, der einen solchen „Shuttle“ – um in seinen Worten zu sprechen – einrichtete. Er entschied, dass Deutschland einen Teil der auf der „Aquarius“ befindlichen Migranten aufnehme (siehe hier).
4) Hütchen spielen
Mitte September teilte Horst Seehofer in der Generaldebatte im Bundestag der Öffentlichkeit mit, er habe sich nun auch mit Italien auf ein Rückführungsabkommen geeinigt; nur noch die Unterschriften würden fehlen (siehe hier).
Der „Clou“ an dem angeblichen Abkommen: Es betrifft im Schnitt 1,5 (!) Migranten am Tag (siehe hier). Und der ganz besondere „Clou“: Es gibt noch gar keine Einigung mit Italien. Italien dementierte dementsprechend prompt und forderte: Für jeden Migranten, der bereits in Italien ein Asylantrag gestellt hat und den Italien zurücknimmt, muss Deutschland einen neu angekommenen Bootsflüchtling von Italiens Südküsten übernehmen. Also nicht als heiße Luft und im besten Fall ein Nullsummenspiel.
5) Versteck spielen
Nun war von Horst Seehofer wohl auch nichts anderes zu erwarten. Für markige Worte ist er zwar immer wieder gut. „Herrschaft des Unrechts“ nannte er beispielsweise die Situation nach der Grenzöffnung 2015 und „Mutter aller Probleme“ die Zuwanderung. Doch wird er nicht umsonst Heißlufthorst, Umfaller oder Drehhofer genannt.
Aber wie steht es um die CSU-Basis, um die Funktionäre auf den unteren und mittleren Ebenen und um die Abgeordneten? Gleich zweimal hatten die CSU-Abgeordneten im Bundestag die Gelegenheit, den auch mit ihrer Zustimmung erfolgten, zu Beginn des Beitrags zitierten Parteitagsbeschluss zur Grenzschließung zu bestätigen.
Zunächst hatte die AfD einen Antrag mit dem Titel „Umfassende Grenzkontrollen einführen – Zurückweisung bei unberechtigtem Grenzübertritt“ eingebracht. Dieser Antrag war inhaltlich deckungsgleich mit dem Parteitagsbeschluss, wurde aber dennoch von der CSU rundherum abgelehnt (die gesamte Bundestagsdebatte siehe hier).
Später versuchte es die FDP mit einem vergleichbaren Antrag. Auch diesen lehnten die CSU-Bundestagsabgeordneten ab (siehe hier).
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß die CSU im Bundestag auch keinen eigenen Antrag auf Basis des Parteitagsbeschlusses eingebracht hat.
6) Opposition spielen
Wenn die Zuwanderung die „Mutter aller Probleme“ ist, dann darf man bei der CSU den festen Willen erkennen, dass das auch so bleibt. Es geht alles so weiter wie bisher.
- Zurückweisungen illegaler Migranten an den Grenzen gibt es weiterhin nicht.
- Die CSU-Beschlüsse von Parteitagen werden ignoriert. Alle lautstarken Ankündigungen, solche Zurückweisungen vorzunehmen, sind wirkungslos verpufft.
- Es werden Rückführungsabkommen präsentiert, die keine sind.
- Die CSU-Basis mitsamt der Funktionäre und Abgeordneten macht alles mit und beklatscht ihr Führungspersonal.
Die CSU blinkt zuwanderungskritisch, biegt dann aber zuwanderungsfreundlich ab. Mit dieser Doppelzüngigkeit gelingt es ihr, den Unmut in der Gesellschaft gegen die gegenwärtige Zuwanderungspolitik zu absorbieren und wirkungsvollen Protest zu verhindern. Sie stiftet damit letztlich mehr Schaden als andere Parteien, deren ideologische Positionierung jedem von vorneherein klar ersichtlich ist. Niemand erweist sich für die Zuwanderungs-Apologeten so hilfreich wie die CSU.