Rainer Bonhorst / 17.03.2020 / 06:18 / Foto: Pixabay / 100 / Seite ausdrucken

Die coronale Klopapierkrise

Zu den interessantesten Phänomenen der Corona-Krise gehört die nachgelagerte Klopapier-Krise. Wie konnte es dazu kommen? Wer hätte gedacht, dass das Klopapier bei uns eine so zentrale Rolle spielt? Das Verschwinden dieses stoffwechselrelevanten Produkts aus den Regalen der Supermärkte zeigt, was dem heutigen Wohlstandsmenschen in der Krise wirklich wichtig ist.

Eine Bücherkrise ist bisher nicht festzustellen. Der Verzicht auf Buchmessen sagt nichts über das Leseverhalten aus. Ich wage die Prognose, dass unsere Spezies, würde sie auf eine einsame Insel verschlagen, die Abwesenheit von Klopapier intensiver empfände als die Abwesenheit eines guten oder auch schlechten Buches. Auch die Sehnsucht nach einer Gitarre oder einer Blockflöte scheint nicht an die Sehnsucht nach einer Rolle Toilettenpapier heranzureichen. Jedenfalls kann von einer Gitarren- oder Blockflötenkrise als Folge von Hamsterkäufen bisher nicht die Rede sein.

Als Kompromiss zwischen dem guten Buch und der Rolle Klopapier konnte in früheren, analogen Zeiten die Zeitung gelten. Sie bediente damals beide Bedürfnisse, das nach geistiger Erbauung und das nach rektaler Hygiene. Theoretisch bestünde auch heute noch diese Möglichkeit, aber ich fürchte, der verzärtelte Mensch des 21. Jahrhunderts ist weder psychisch noch physisch einer solchen Kompromiss-Lösung gewachsen. Die ins Internet abgewanderten Medien können diese seinerzeit durchaus geschätzte Rolle ohnehin nicht spielen. 

Die Krise greift tief hinein ins Seelenleben

Kurz: Das Klopapier erscheint für ein glückliches oder zumindest beschwerdefreies Leben alternativlos. Sicher, es bleiben als Schein-Alternativen verwandte Produkte wie die Küchenpapierrolle, die Papierserviette und das Papiertaschentuch. Aber sie sind, kommt es zur praktischen Anwendung, kein überzeugender Ersatz. Außerdem ist zu befürchten, dass auch diese Schein-Alternativen früher oder später zu Engpässen, ja zu Totalschwund führen werden. Auch Ersatz, und sei er noch so unbefriedigend, ist dem Hamsterwillen ausgeliefert.

Oberflächlich betrachtet haben wir es hier mit einem Problem der modern organisierten Wirtschaft zu tun. Das Just-in-Time-Prinzip, das allgemein und darum auch für die Klopapier-Produktion und ihre Logistik gilt, hat sich in der Krise als ein Too-Late-Prinzip entpuppt. Mit den erwähnten tragischen Folgen. Denn es geht um mehr als nur um organisatorische Fehlentwicklungen. Die Krise greift tief hinein ins Seelenleben. Der verzweifelte Gesichtsausdruck des nicht fündig gewordenen Klopapier-Käufers gehört zum bitteren Alltag der Corona-Krise. Am Klopapier-Regal endet die Corona-Solidarität. Es droht zum Schauplatz handfester Auseinandersetzungen zu werden. Wieder einmal bestätigt sich Bert Brechts Feststellung: Erst kommt das Fressen, zu dem logischerweise auch das Klopapier gehört, und dann die Moral.

Das alles wirft die Frage nach dem Sinn das Daseins auf. Oder, wie es Douglas Adams im Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ formuliert: die „Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“. Die Antwort des im Roman befragten Supercomputers lautet: zweiundvierzig. Eine im Prinzip geniale Antwort. Aber in Zeiten der Corona-Krise lässt sich die 42 nicht mehr aufrechterhalten. Heute verlangt die Frage nach dem Sinn des Lebens, des Universums und dem ganzen Rest eine neue Antwort. Ich fürchte sie lautet: eine dreilagige Rolle Klopapier. 

Foto: Pixabay

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Leserpost

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A. Kaltenhauser / 17.03.2020

Der Paradigmenwechsel lässt sich bereits am gehamsterten Toilettenpapier feststellen. Wobei es sich bei diesen Klopapierfetischisten meist um junge Personen handelt. Als ehemaliges Internatskind in einem bayerischen Franziskanerinnenkloster ist mir zugeschnittenes Tageszeitungspapier auf eine Paketschnur aufgezogen, nicht fremd. Was anderes gab es dort nicht und was Druckerschwärze so bewirken kann, erlebte man dabei hautnah. Kritik kam nur auf, falls ein paar Witzbolde auch Papier von Hochglanzmagazinen beifügten. Aber das braucht man sich jetzt nicht näher ausmalen ..! So etwas wie “mehrlagig” existierte nicht einmal in der Vorstellung, denn wie merkte schon ein Hannibal Lecter im “Schweigen der Lämmer” an: “Was begehren wir? Was wir kennen ...”. Aber auf diese kranken Raffken ist sowieso gesch…en!)

Sabine Lotus / 17.03.2020

Tja, das ist wohl das Ergebnis von min. 40 Jahren Wohlstandsverwahrlosung. Alles was die noch denken können, wenn die Kacke dampf ist: Schei…. . Der nächste Gedanke ist dann Klopapier. Klingt komisch weil extrem Reduktionistisch? Mag sein. Passt aber zu deren sonstigen Gesprächsgewohnheiten und Denkmustern. Gruselig aber leider real.

Matthias Braun / 17.03.2020

Die CHRONIK des Jahres 2020 wird geschrieben werden auf TOILETTENPAPIER.

Carl Falentin / 17.03.2020

Die Klorolle im Kopf, anstatt Hirn. Wenn möglich 4lagig. Die heutige Smartphone Generation.

Christoph Friedrich Franz / 17.03.2020

Das „Just-in-Time”-Prinzip findet auch bei der Ersatzbeschaffung von Pumpen höherer Leistung für Heizungen in Mehrfamilienhäusern Anwendung. Dabei definiert sich die entstandene „Scheiße” nicht über’s Lokuspapier, sondern über die ≥ 48-stündige Wartezeit auf die Lieferung des Ersatzteils: Pumpe. Zudem spielt es dabei überhaupt keine Rolle, dass 15 Familien, teils mit Säuglingen, ohne fließend warmes Wasser, einschließlich Heizung, auskommen müssen. Ist eine gewisse Anzahl von Großhändlern vom Klempner angefragt worden, hat der Mittelständler „fertig” und es geht nix mehr.

Peter Holschke / 17.03.2020

Einer hustet, zehn scheißen ein. Ein Methapher auf das ganze Schmierentheater. Wenn ich jetzt kommunistischer Agitator wäre, würde ich behaupten, Agenten und Saboteure der Merkel-Junta haben das Klopapier aufgekauft, um Panik zu schüren. Die mentale Schlußfolgerung aus dem Klopapiermangel, es müssen viele Arschlöcher unterwegs sein, bei so einem Bedarf an Klopapier. Soviel zur isolierten Solidarität. Ja, ja, hier kann man ins prechtosopieren kommen. Strafe Einen, erziehe Hundert. Bei den vielen Arschtritten die das Volk noch zu erwarten hat. “Wenigsens hatten wir bei der ganzen Scheiße einen sauberen Hintern”. Klopapier ist auch für spätere Generalausreden nützlich: “Bei allem was ich getan habe, weil es getan werden mußte, hatte ich stets einen sauberen Hinter gehabt”. Angesichts der versprochenen Staatsknete aus dem grenzenlosen Füllhorn der Kanzlerin, kann man das auch als Hinweis verstehen, dass ab jetzt der Arsch hinzuhalten ist. Oder das Volk wiegt sich in der Hoffnung, dass wo geschissen wird, vorher auch gegesssen werden konnte. Hurra! Wenn der Kuchen alle ist, soll das Volk doch Brot fresssen!

Gerd Fricke / 17.03.2020

Hier in Japan wurde von irgendeinem Dummkopf per SMS verbreitet, dass das Toilettenpapier aus China komme und durch Lieferengpass nicht mehr ausreichend vorhanden sein wird. Zack war das Klopapier verschwunden. Im Fernsehen und in Zeitungen wurde kurz danach berichtet, dass es sich um eine Falschmeldung handele, da das Toilettenpapier zu 98 % in Japan hergestellt wird. Trotzdem ist es immer noch schwierig, an das begehrte Papier zu gelangen.

Gerhard Rachor / 17.03.2020

Ich komme gerade vom Einkauf. Die Nahversorgung funktioniert. Brot, Semmel, Milchprodukte usw. alles da! Sogar Bananen! Regale mit Klopapier, Haushaltstücher und Papiertaschentücher sind leer! Dazu habe ich ein interessantes Gespräch des Marktleiters mit einem Kunden angehört: Der Handelskette fehlen die Fahrer, um die Waren auszuliefern. Wie Markus Krall vorhergesagt hat, ist nicht die Produktion das Problem, sondern die brechenden Logistkketten.

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