Gunter Weißgerber / 29.07.2022 / 14:00 / Foto: Ralf Schulze / 50 / Seite ausdrucken

Deutschland gräbt sich weiter ins Jahrhundert-Loch

Die deutschen Gesellschaftsarchitekten werden mit ihrem Aufstand gegen die vier Grundrechenarten und gegen die Gesetze der Physik zwangsläufig scheitern. Leider müssen auch alle die, die davor gewarnt haben, die Folgen erleiden.

Was unterscheidet eine Schlinge am Galgen von einer russischen Pipeline? Am Galgen wird gehangen, am Pipeline-Ende wird kollabiert. So tot am Ende der Eine ist, so zusammenstürzen wird der Andere. Der bzw. die Andere ist in dem Fall die mittels Energie-, Mobilitäts-, Agrar-, Zuwanderungs- und Geschlechterwende in ein grünkaserniertes Kartenhaus verwandelte ehedem funktionierende Bundesrepublik. Die sich an Putins Pipeline und damit an dessen Gashahn schweißte.

Hatten 1989/90 die Ostdeutschen mit dem Beitritt zur Bundesrepublik, zur EWG und zur NATO eine funktionierende Option statt eines desaströsen dritten Weges vor Augen, so gibt es 2022/23 im Falle eines Kollapses des Staates keine hoffnungsvolle Option. Nicht einmal die Visegradstaaten würden uns nehmen.

Mir fehlt die Vorstellungskraft, den Kollaps auszuschließen. Die Holozän-Skeptiker wollen Deutschland ohne einen Plan B in der Tasche in eine surreale Zukunft transformieren. Koste es, was es wolle und wenn die gesamte Bundesrepublik in Volksaufstände (Außenministerdarstellerin Annalena Baerbock am 20. Juli 2022) verwickelt würde.

Die Volksaufstände des 20. Jahrhunderts wurden bis auf die Friedliche Revolution 1989/90 immer mit Panzern blutig beendet. 1953 Ostdeutschland, 1956 Ungarn und Polen, 1961 Einmauern der Ostdeutschen, 1968 Beendigung des „Prager Frühlings“, 1981 Kriegsrecht in Polen, 1989 Massaker auf dem „Platz des himmlischen Friedens“ in Peking, 1991 „Blutsonntag“ in Vilnius. Auch der russische Überfall auf die Ukraine seit 2014 ist Teil dieser blutigen Liste. Wie stellt sich Frau Baerbock Volksaufstände und deren Ende in der Bundesrepublik vor? Panzer? Zensur? Neue Stasi? Volle Gefängnisse?

Scheiterte der Ostblock an der systemimmanenten Unmöglichkeit, wirtschaftliche Effizienz und breite Chancen auf Wohlstand in Übereinstimmung zu bringen, so steht die vergrünte Bundesrepublik mit ihrem selbstgewählten Abschied aus Marktwirtschaft, Energieautarkie, funktionierender Landwirtschaft und historisch gewachsener Gesellschaft weltweit einzigartig und armselig da. Keine andere Regierung, egal ob sie ihr Land mit tauglichen oder untauglichen Mitteln führt, schafft das eigene Land bewusst ab. Viele der deutschen Superdemokraten aber wollen sich von diesem Kurs nicht abbringen lassen. Diese Gesellschaftsarchitekten werden aber mit ihrem Aufstand gegen die vier Grundrechenarten und gegen die Physik zwangsläufig scheitern. Leider müssen auch alle die, die davor gewarnt haben, die Folgen erleiden.

Betonklotz an Europas Füßen

Die Wut wächst gewaltig, die rauhe Wirklichkeit lässt sich immer schwerer übersehen oder schönreden. Deutschlands Energienotstand, der komplett „Marke Eigenbau“ ist, wird es erzwingen, die energetischen Verhältnisse bei Strafe des Kollabierens wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Der einzige Weg aus der Energieabhängigkeit von den russischen Röhren heißt für Deutschland: zurück zur Natur, also hin zur grundlastsichernden eigenen Kohle, zum eigenen Fracking-Gas und zur eigenen Atomenergie! Sonne und Wind sind zusätzliche Energiequellen, zumal in eher nördlichen Hemisphären.

Viele Menschen in Deutschland hoffen in ihrer Not auf Nord Stream 2, die mit Gas befüllte zweite Röhre. So nachvollziehbar der Wunsch sein mag, seine Erfüllung würde den Aggressor vor Lachen nicht in den Schlaf kommen lassen und klar zur Verstetigung der Energiewende führen, die eine der Hauptursachen für Deutschlands „dumme“ Energiesituation und die extremen Energiepreise ist. Wer weiterhin auf Nord Stream hofft, statt auf die Beerdigung der Energiewende zu setzen, ist auf dem Holzweg. Energiewende/Energieabhängigkeit und Gasnotstand sind drei Begriffe für eine einzige Sache.

Die Energiewende ist insofern sehr speziell nachhaltig: Deutschland kann so nicht mehr auf die Beine kommen. Deutschland war einmal Lokomotive Europas, jetzt ist es ein Betonklotz an Europas Füßen. Der Verzicht auf die Energiewende würde Deutschland vom Beton an den Füßen befreien und gäbe ihm die Chance, vielleicht irgendwann wieder zu einer Lokomotive zu werden.

Ich mag mir den Kollaps nicht vorstellen und wünsche ihn mir erst recht nicht. Aber die Gefahr ist real, und man muss damit rechnen, dass die Not nach Deutschland zurückkehrt. Dabei ist es so schade. Die Bundesrepublik bis 2015 war zwar nicht das Paradies, aber einem guten Ort sehr nahe.

Foto: Ralf Schulze CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

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Michael Hoffmann / 30.07.2022

Es gibt ewige Wahrheiten, gegen die man nicht ungestraft verstoßen sollte. Die Versuche, es dennoch zu tun, sind Legion. Allerdings - das gebe ich zu - mit meist verheerenden Folgen. Aber wer den Ast, auf dem er sitzt, absägt, sollte sicher sein, dass er fliegen kann. Sonst gibt es eine derbe Bruchlandung.

Helmut Kogelberger / 29.07.2022

Elegant das Massaker von Odessa am 02. Mai 2014 umschifft.

W. Renner / 29.07.2022

@Bernd Neumann ich verstehe was Sie meinen. Aber reden Sie nochmals mit den Leuten, wenn die sich im Winter in den Wärmehallen treffen, statt beim Lieblingsitaliener um die Ecke, es Mehl und Butter nur noch auf Bezugsscheine gibt, sie ihre Bio Kräuter im Wald suchen müssen und Handys wie Internet mangels Strom offline sind.

Matthias Ditsche / 29.07.2022

Hat Polen „Ostdeutschland „ etwa wieder rausgerückt? Wußt ich noch gar nicht, aber ich gucke halt schon lange keine Tagesschau mehr….

W. Renner / 29.07.2022

Alles wird gut. Nachdem der Robert kürzlich beim Scheich schon Gas ohne Schiff bestellt hat, ist Annalenchen jetzt unterwegs zwischen Gyros Stand und Dönerbude um Alexis und Mustafa zu beknien. Sollten die irgendwann mal Gas in ihren gemeinsam beanspruchten Hoheitsgewässern finden, dann besteht Annalenchen darauf, sich doch bitte nicht darum kloppen, sondern es subito, mit dem Döner Express Kurier, nach Alemania zum Betrieb Germanischer Streckbänke zu liefern.

sybille eden / 29.07.2022

” Die Wut wächst gewaltig.” Wo bitte soll das sein ? Ich spüre davon nirgends etwas.

Hans Kloss / 29.07.2022

Ende 60ern gab es auch Panzer auf den Straßen in Paris oder irre ich mich da?

Didi Hieronymus Hellbeck / 29.07.2022

Einen regelrechten Kollaps wird es nicht geben. Schwere Koliken sind hingegen nicht auszuschließen. Man kann sich Deutschland als Organismus vorstellen: das Land ist schwer krank. Die ZNS-Funktionen sind verwüstet, weitgehende Verblödung ist bereits eingetreten. Dazu massiver, vermehrungsintensiver mikrobieller Befall. Die parasitäre Konstellation ist schlimm genug, reicht aber nicht zur Prognose infaust. Infaust ist die Konstellation vielmehr, da der Organismus auch verkrebst ist und Metastasen gestreut wurden. Dies wiederum hängt auch damit zusammen, dass das Immunsystem des Organismus seit langer Zeit dysfunktional arbeitete - teils liegen maligne Autoimmunattacken vor, “Eigenes erkennt Eigenes nicht mehr” und zersetzt es. Gesamtprognose; zwingend infaust, Verwesungsprozess ohne Kollapsneigung ist bereits fortgeschritten. Bis zum unspektakulären Exitus können noch 10-20 Jahre verstreichen. Parallelen aus der Pathologie: Argentinien - galt im 20. Jahrhundert über Jahrzehnte als Wohlstandsland, dann jedoch progrediente Erkrankung, schwere Koliken, mittlerweile zerfallen, gangränartige Teilverwesungen (großflächige Exzisionen oder Teilamputationen sind nicht mehr durchführbar).

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