Matthias Heitmann, Gastautor / 25.03.2017 / 06:00 / 5 / Seite ausdrucken

Der WochenWahnsinn: Angstkultur als Einladung zum Terror

In ihrer Radio-Kolumne „Der WochenWahnsinn“ gehen Achse-Autor Matthias Heitmann und Antenne Frankfurt-Moderator Tim Lauth jede Woche auf Zeitgeisterjagd. Seit Kurzem ist der WochenWahnsinn nun auch auf der Achse zu hören und zu lesen.

Diese Woche geht es um den Terroranschlag in London und die Frage, wie die Gesellschaft damit umgehen sollte. Zum Anhören geht es hier entlang.

Matthias, wieder hat es einen Terroranschlag gegeben, nach Paris, Nizza, Brüssel und Berlin nun in London. Täusche ich mich, oder ist der Terror ein Problem der großen Städte?

Nein, keineswegs, das hat man ja an den Vorfällen des letzten Jahres in Würzburg und Arnsberg gesehen. Wirkung können solche Angriffe entfalten, egal wo sie stattfinden. Diese Wirkung ist letztlich sogar unabhängig vom tatsächlichen Geschehen.

„Die Wirkung ist unabhängig vom Geschehen“ – wie meinst Du das, Matthias?

Terror funktioniert dann, wenn er Kettenreaktionen auslöst. Das kann er aber nur, wenn er in vorhersehbarer Art von den Medien aufgegriffen und verbreitet wird – und wenn die Menschen sich wie Dominosteine verhalten und sich terrorisieren lassen. Ein konkreter Anschlag hat erst einmal nur einen lokalen Effekt. Einfluss auf die Gesellschaft bekommt er, weil wir mitspielen.

Aber was schlägst Du vor: Sollten wir Medien einfach nicht mehr über Anschläge berichten?

Nein, das ist auch völlig unrealistisch. Dank der sozialen Medien kann heute jeder zum Nachrichtensender werden. Das ist auch gut so. Was sich ändern muss, ist unsere Einstellung zum Terror. Der funktioniert nämlich nur, wenn wir uns an sein Skript halten. Bekämpfen können wir ihn langfristig nur, wenn wir diesen Spielregeln nicht mehr gehorchen.

Wie zum Beispiel?

Derzeit reagieren wir auf Terroranschläge mit Angst und Hass und damit, unsere eigenen Freiheitsrechte und Werte aus dem Fenster zu werfen. Wie wäre es denn, wenn wir jeden einzelnen Terrorakt zum Anlass nehmen, noch stärker, noch offener und noch freier zu werden?! Nichts schadet Terroristen mehr, als wenn wir das stärken, was sie am meisten hassen: nämlich unsere Freiheit. Es ist wie mit den Dominosteinen: Wenn der Abstand zwischen den Steinen zu groß ist, bleibt der Dominoeffekt aus. Das hilft im Übrigen auch gegen Angstpolitiker, egal welcher Couleur oder und Herkunft.

Du meinst sicher Herrn Erdogan, oder?

Ja, den auch, aber mehr noch unsere eigenen Angstpolitiker. Denn dass inzwischen mit Erleichterung darauf reagiert wird, dass keine türkischen Wahlkampfauftritte in Deutschland mehr geplant sind, offenbart das ganze Ausmaß der Ängstlichkeit und der Unterwürfigkeit der deutschen Politik. Es ist nicht unsere Offenheit, die die Feinde der Freiheit magisch anzieht, sondern unsere Angstkultur – sie wirkt wie eine Einladung zum Terrorisieren.

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Peter Groepper / 26.03.2017

Das immer wieder trotzig formulierte “Wir lassen uns keine Angst machen, wir feiern trotzdem, und jetzt sogar erst recht” ist keine Reaktion, die Terroristen ermüdet oder entmutigt und deshalb von weiterem Tun abhält. Denn genau diese Reaktion zeigt ihnen, dass ihre Treffer echte Wirkung zeigen. Wer Terroristen dieser Sort so einschätzt, hat sich völlig verschätzt. Verharmlosen, relativieren, weglächeln, vertuschen helfen auch nicht. Wer sich nicht wehrt, hat noch nie gewonnen. Auch Herr Broder hat gegen Schulz & Friends mutig und entschlossen sofort zurückgeschlagen und einen wichtigen Verteidigungstreffer gelandet. Es geht nicht ohne Gegenwehr. Solange dieser “Rechts”-Staat noch wehrhaft ist, sollte er seine rechtmäßigen Instrumente als das einsetzen, als das sie ursprünglich geplant waren.

Karla Kuhn / 25.03.2017

“Derzeit reagieren wir auf Terroranschläge mit Angst und Hass und damit, unsere eigenen Freiheitsrechte und Werte aus dem Fenster zu werfen. Wie wäre es denn, wenn wir jeden einzelnen Terrorakt zum Anlass nehmen, noch stärker, noch offener und noch freier zu werden?! Nichts schadet Terroristen mehr, als wenn wir das stärken, was sie am meisten hassen: nämlich unsere Freiheit. Es ist wie mit den Dominosteinen: Wenn der Abstand zwischen den Steinen zu groß ist, bleibt der Dominoeffekt aus. Das hilft im Übrigen auch gegen Angstpolitiker, egal welcher Couleur oder und Herkunft.”  Das ist gut gesagt Herr Heitmann aber wie soll eine Gesellschaft offener und freier werden, wenn nach jedem Anschlag erst mal versucht wird, die “Anschläger” als “verwirrt, krank oder alkoholisiert etc.” hinzustellen und die Taten nicht mit dem Isalm verbunden werden ? Außerdem werden die Anschläge immer als “Einzeltat” hingestellt. Angst entsteht nämlich immer dann, wenn die Ungewißheit nicht beseitigt wird. Es wird höchste Zeit, daß die Medien offen mit diesen Taten umgehen und klare Berichte veröffentlichen und daß die Politiker nicht mehr rumdrucksen, sondern sich eingestehen, daß das Flüchtlingsproblem größer ist als angenommen und daß sie daraus vor allem die Konsequenzen ziehen. Das nicht erst am Sankt Nimmerleinstag sondern sofort.

Helmut Driesel / 25.03.2017

Nein, ich glaube nicht, dass es hier um Angstkultur geht oder um Zeichen setzen, Signale, oberflächliche Effekte, Emotionen usw. Es geht darum, dass die zu verdrängende Kultur mehr Opfer hat und weniger Nachkommen bzw. Anhänger hat als die sich einwandernd Assimilierende. Die Frage ist nur, kann man noch etwas dagegen tun, wollen hiesige Mehrheiten etwas dagegen tun oder haben unsere gewählten Verantwortlichen schon aufgegeben? Braucht es vielleicht nur ein paar Naturschutzgebiete für unbelehrbare und schwer umerziehbare Konservative? Im Gegensatz zu dem schönen Beitrag von Herrn Zimski über die Unendliche Geschichte glaube ich nicht, dass es ein Kommunikationsproblem ist, das unsere Eliten und Machtinhaber hindert. Sondern es ist ein Problem des Wollens und der Einsichten. Dieser Staat ist sehr wohl in der Lage, vorbeugend, vorsätzlich, ohne gerichtlichen Hintergrund, ohne übereifrige Anwälte, ohne böse Schlagzeilen und ohne schlechtes Gewissen, weil ohne Referenzierung auf historische Gräuel, einzelnen Personen für den Rest ihres Lebens ihre Freiheit, Interaktionsfähigkeit und Intelligenz zu nehmen. Das hat er in konkreten Fällen hinreichend bewiesen.

Dietrich Herrmann / 25.03.2017

Nun wäre es wirklich sehr interessant, wenn uns der Herr Heitmann erklärte, WIE, also mit welchen Mitteln und Methoden, wir “noch stärker, noch offener und noch freier” werden können. Hat er da keinen Vorschlag, ist seine Bemerkung einfach auch nur Blabla und inhaltslos.

Martin Wessner / 25.03.2017

Sehr geehrter Herr Heitmann, Ihre Theorie klingt auf den ersten Ton recht charmant und logisch, will aber -mir zumindest- auf den zweiten Ton nicht recht einleuchten. Wo gibt es denn die meisten Terroranschläge? In der zweiten und dritten Welt, also da, wo die Menschen ganz andere Lebensumstände, Härten und Widernisse gewöhnt sind, als in unserer komfortablen, sicheren ersten Welt. Also beispielsweise in Kolumbien, Peru, Nigeria, Kenia, Ägypten, Irak, Pakistan, Indien oder den Philippinen. Und in diesen “freiheitlichen” Staaten soll nun eine ausgesprochene “Angstkultur” herrschen, die die ortsansässigen Terroristen dazu ermutigt Anschläge zu begehen, mit dem Zweck, die “Freiheiten” in diesen Ländern einzuschränken? Denn das sind Ihrer Meinung nach die Hauptursachen für Terroranschläge als Solche : A) Die Überängstlichkeit der Bewohner und B) Die “Freiheiten” dieser Nationen. Eher scheint es mir, dass es sich bei diesen asymetrischen Angriffen, wie denen in Paris, Brüssel, Berlin, Istanbul oder London um reine Machtdemonstrationen handelt, um den erklärten Feind(Europa/USA) zu sagen: “Nehmt uns(die Terrororganisation) ernst. Wir kämpfen mit euch(Staat, Gesellschaft) auf Augenhöhe. Wir zermürben euch. Ihr könnt uns nicht besiegen. Geht auf unsere Forderungen ein und unterwerft euch, dann lassen wir euch(mit unseren Anschlägen) in Ruhe.” Sprich: Der Westen(NATO und Russland) soll sich aus dem Kriegsgeschehen in Syrien und Irak zurückziehen, damit der IS seine massiven Terroritalverluste wieder militärisch wett machen kann und ihm sein Quasi-Staatsgebilde erhalten bleibt, denn wenn die derzeitige Entwickung so weitergeht, wird der IS alsbald nur noch Geschichte sein. Dieser Hintergrund, Herr Heitmann, wird aber klug und mit dezidierter Absicht weder von der Politik noch von den Medien vor Publikum kommuniziert, weil man nämlich dann GENAU DAS machen würde, was der Terrorist will: In der Öffentlichkeit eine politische Diskussion anstoßen, ob sich der Westen aus Syrien und dem Irak militärisch zurückziehen soll oder nicht.  Den Terrorpaten sind die Lebensumstände in der “dekadenten” ersten Wohlstandswelt völlig gleichgültig. Ob es bei uns mehr oder weniger Freiheiten gibt, ist ihnen vollkommen schnurz, da ihnen praktisch ausschließlich die islamische Hemisphäre, also ihr eigenes kulturelles Umfeld von großer Bedeutung ist. Insofern geht Ihr gutgemeinter Vorschlag -zumindest meines Erachtens- total ins Leere. Noch ein schönes Wochenende, MW

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