Rainer Bonhorst / 02.02.2010 / 17:27 / 0 / Seite ausdrucken

Der trojanische Euro

Der alte Virgil warnte: Fürchtet die Griechen, selbst wenn sie Geschenke bringen. Ihn hat die Sache mit dem trojanischen Pferd offenbar tief beeindruckt.

Was würde er heute sagen, da die Griechen keine Geschenke bringen, sondern welche haben wollen? Egal von wem, von der EU, also von uns, oder vom Weltwährungsfonds, also auch von uns,  oder von den Chinesen, denen sie für ein paar Milliarden ihre Staatsanleihen schmackhaft machen wollen? Würde er sie noch mehr fürchten oder freundlich umarmen?

Wir Euro-Europäer müssen sie wohl umarmen. Wir sitzen ja mit in dem Boot, das die Griechen leck geschlagen haben. Und der Euro leckt mächtig. Wir müssen, damit wir nicht mit ihnen untergehen, den Griechen wohl oder übel ein paar Bündel Scheine zuschieben, mit denen sie die Löcher notdürftig stopfen können, die sie haben entstehen lassen.

Das wird natürlich von ernsten Mahnungen begleitet sein: Wenn ihr nochmal so schlampt, wird Brüssel euch bestrafen! Aber welche Strafe steht Brüssel zur Verfügung? Eine saftige Geldstrafe natürlich. Aber wäre das nicht eine Strafe, die die Griechen noch tiefer in die Schulden treiben würde? Wäre das schlau? Jemandem, der sowieso kein Geld hat, eine Geldstrafe aufzubrummen, die er entweder gar nicht oder nur bezahlen kann, wenn man ihm neues Geld leiht?

Da müsste man sich schon etwas anderes ausdenken. Wie wär’s mit einer klassischen,  Schulstrafe? Einer homerischen vielleicht? Die ganze Athener Regierung sollte hundert mal die Ilias abschreiben! Oder auswendig lernen und in Brüssel aufsagen! Am besten beides.

Aber daraus wird wohl nichts. Der Aufwand wäre zu groß und die Euro-Regierungen können sich gar nicht ganz auf ihre Griechenland-Sorgen konzentrieren. Da sind ja auch noch Portugal, Spanien, Italien und Irland. Die haben ähnliche Problemchen, die ebenfalls den Euro schwach machen können. Denen allen kann man ja nicht ein paar Euro leihen, damit der Euro gesund bleibt. Das wäre ja so, als würde man in der Not seinen eigenen Arm verspeisen. Das kann für den Moment Erleichterung bringen, ist aber keine Dauerlösung.

Aber was wäre eine Dauerlösung? Soll man es mit einer vorübergehenden Währungstrennung versuchen? Mit einem harten Festland-Euro und einem weichen Mittelmeer-Euro? Oder besser einem weiter gefassten See-Euro, damit die Iren dabei sind?

Oder soll man die Mittelmeerländer plus Irland einfach weiter wurschteln und den Euro weiter absacken lassen? Unsere Exportwirtschaft wäre sicher dankbar. Die klagt ja schon seit langem, dass der Euro viel zu stark sei. Überhaupt scheint es für den Euro nur zwei Aggregatzustände zu geben: entweder zu stark oder zu schwach. Aber was ist besser? Zu stark oder zu schwach? Besser für wen?

Ach, wieder einmal ist das Leben komplizierter als man es gerne hätte.

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