Ein Automobil ist, wie der Name schon sagt, mobil. Das trifft aber eben nur zeitweise zu. Und wenn das Auto immobil ist, dann braucht man eine Garage, zumindest wenn es sich um ein älteres Liebhaber-Fahrzeug handelt. Das will beispielsweise geborgen überwintern. Da mir das Schicksal schon in relativ jugendlichem Alter einen verwaisten alten Cadillac ans Bein gebunden hat, weiß ich, wovon ich rede.
Schuld hatte eine Ampel. Sie stand an einer Kreuzung im schweizerischen Aarburg und zeigte beharrlich auf rot. Es war ein verregneter Apriltag im Jahre 1979. Durch die feucht beschlagene Seitenscheibe fiel mein Blick auf eine Fläche mit angejahrten Gebrauchtwagen, die auf risikofreudige Käufer warteten. Da entdeckte ich ihn. Groß und schwarz und ein wenig bedrohlich parkte er in der letzten Reihe. Ein Cadillac Fleetwood, Baujahr 1956, mit Chromschmuck schwer behängt. Stand auf halbplatten Reifen da, als habe ihn eine Bande durchreisender Mafiosi auf der Flucht zurückgelassen und gegen etwas Unauffälligeres eingetauscht.
Der Geschäftsführer des Gebrauchtwagen-Etablissements hielt den Cadillac ganz offensichtlich für einen versoffenen Pflegefall, den er möglichst schnell loswerden wollte. Und mich für einen Irren, was für eine gewisse Menschenkenntnis sprach. Jedenfalls wechselten 2700 Kilo eigenwillig geformtes Blech zum Preis von 2000 Franken den Besitzer. Für eine komplette Kollektion freudscher Symbole fand ich das ausgesprochen preiswert. Es gibt Leute, die adoptieren auf Reisen einen streunenden Hund oder eine Katze. Mir ist halt ein Cadillac zugelaufen, wofür ich den heiligen Al Gore ausdrücklich um Vergebung bitte und acht Kerzen anzünde. Es sollten die teuersten 2000 Franken meines Lebens werden (aber ich bereue nichts).
Seitdem habe ich eine Zweit-Karriere als Beschaffer geeigneter überdachter Abstellplätze für dieses Mobil gestartet. Schließlich habe ich ziemlich häufig meinen Wohnsitz gewechselt, einmal sogar nach Paris. Da durfte er nicht mit hin. In einer Stadt, in der die eine Hälfte der Autos immer fahren muss, damit die andere parken kann, war er irgendwie eine Fehlbesetzung.
Mit Immobilienkrisen kenne ich mich jedenfalls aus, besonders mit meiner eigenen. Als vor Jahren in Amerika die Häuserpreise zusammenkrachten, da schien mir das eine ziemlich gute Nachricht. Doch leider fielen die Preise in erster Linie in Amerika und das war weit weg. Und es ging meist um überdimensionierte Häuser mit großen Swimmingpools. Doch welcher Oldtimerfahrer braucht schon einen Swimmingpool? Ich brauche allenfalls eine Grube für den Ölwechsel.
Der Caddy ist wie es sich gehört ziemlich groß geraten. Mit 5,7 Metern Länge überschreitet er das Normmaß bürgerlicher deutscher Garagen. Er ragt vorne raus wie der große Zeh aus einer kaputten Socke. Deshalb hatte ich anfangs eine LKW-Garage gemietet. Doch einzeln gibt es die so gut wie nie. Ich endete bei einer Halle für vier Lastwagen - und einer nebenberuflichen Karriere als Untervermieter für das Fuhrgewerbe. Die bescheidene Zahlungsmoral dieser Klientel führte allerdings direkt in den Ruin. Der Cadillac kostete plötzlich im Stehen mehr als im Fahren - und das soll was heißen.
Aufgrund häufiger Wohnsitzwechsel habe ich nach 36 Jahren einen flächendeckenden Überblick über den Bestand deutscher Garagen, Hallen und Scheunen, inklusive leer stehender ostdeutscher Liegenschaften. Auf den Markt bezahlbarer Garagen und Hallen wirkt sich die Immobiliensituation jedenfalls deutlich aus. Im Moment ist ein gewisser Druck auf den Markt zu spüren, schließlich werden Gewerbeimmobilien vielerorts im großen Stil für andere Zwecke umgewidmet. Derzeit habe ich auf einem Reiterhof in der Gegend von Augsburg Unterschlupf gefunden. Gemein ist allen Vermietern übrigens ein gewisser Argwohn bei der Nennung der Marke „Cadillac“. Es entsteht eine kurze Denkpause, die in dem messerscharfen Schluss mündet: Dieser Knabe sucht in Wahrheit ein unauffälliges Drogen-Depot. Für meinen nächsten Umzug hoffe ich schwer auf das Anti-Diskriminierungsgesetz.