Dirk Maxeiner / 20.03.2016 / 10:00 / Foto: Peterdownunder / 0 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer (13): Meine mobile Immobilienkrise

Ein Automobil ist, wie der Name schon sagt, mobil. Das trifft aber eben nur zeitweise zu. Und wenn das Auto immobil ist, dann braucht man eine Garage, zumindest wenn es sich um ein älteres Liebhaber-Fahrzeug handelt. Das will beispielsweise geborgen überwintern. Da mir das Schicksal schon in relativ jugendlichem Alter einen verwaisten alten Cadillac ans Bein gebunden hat, weiß ich, wovon ich rede.

Schuld hatte eine Ampel. Sie stand an einer Kreuzung im schweizerischen Aarburg und zeigte beharrlich auf rot. Es war ein verregneter Apriltag im Jahre 1979. Durch die feucht beschlagene Seitenscheibe fiel mein Blick auf eine Fläche mit angejahrten Gebrauchtwagen, die auf risikofreudige Käufer warteten. Da entdeckte ich ihn. Groß und schwarz und ein wenig bedrohlich parkte er in der letzten Reihe. Ein Cadillac Fleetwood, Baujahr 1956, mit Chromschmuck schwer behängt. Stand auf halbplatten Reifen da, als habe ihn eine Bande durchreisender Mafiosi auf der Flucht zurückgelassen und gegen etwas Unauffälligeres eingetauscht.

Der Geschäftsführer des Gebrauchtwagen-Etablissements hielt den Cadillac ganz offensichtlich für einen versoffenen Pflegefall, den er möglichst schnell loswerden wollte. Und mich für einen Irren, was für eine gewisse Menschenkenntnis sprach. Jedenfalls wechselten 2700 Kilo eigenwillig geformtes Blech zum Preis von 2000 Franken den Besitzer. Für eine komplette Kollektion freudscher Symbole fand ich das ausgesprochen preiswert. Es gibt Leute, die adoptieren auf Reisen einen streunenden Hund oder eine Katze. Mir ist halt ein Cadillac zugelaufen, wofür ich den heiligen Al Gore ausdrücklich um Vergebung bitte und acht Kerzen anzünde. Es sollten die teuersten 2000 Franken meines Lebens werden (aber ich bereue nichts).

Seitdem habe ich eine Zweit-Karriere als Beschaffer geeigneter überdachter Abstellplätze für dieses Mobil gestartet. Schließlich habe ich ziemlich häufig meinen Wohnsitz gewechselt, einmal sogar nach Paris. Da durfte er nicht mit hin. In einer Stadt, in der die eine Hälfte der Autos immer fahren muss, damit die andere parken kann, war er irgendwie eine Fehlbesetzung.

Mit Immobilienkrisen kenne ich mich jedenfalls aus, besonders mit meiner eigenen. Als vor Jahren in Amerika die Häuserpreise zusammenkrachten, da schien mir das eine ziemlich gute Nachricht. Doch leider fielen die Preise in erster Linie in Amerika und das war weit weg. Und es ging meist um überdimensionierte Häuser mit großen Swimmingpools. Doch welcher Oldtimerfahrer braucht schon einen Swimmingpool? Ich brauche allenfalls eine Grube für den Ölwechsel. 

Der Caddy ist wie es sich gehört ziemlich groß geraten. Mit 5,7 Metern Länge überschreitet er das Normmaß bürgerlicher deutscher Garagen. Er ragt vorne raus wie der große Zeh aus einer kaputten Socke. Deshalb hatte ich anfangs eine LKW-Garage gemietet. Doch einzeln gibt es die so gut wie nie. Ich endete bei einer Halle für vier Lastwagen - und einer nebenberuflichen Karriere als Untervermieter für das Fuhrgewerbe. Die bescheidene Zahlungsmoral dieser Klientel  führte allerdings direkt in den Ruin. Der Cadillac kostete plötzlich im Stehen mehr als im Fahren - und das soll was heißen.

Aufgrund häufiger Wohnsitzwechsel habe ich nach 36 Jahren einen flächendeckenden Überblick über den Bestand deutscher Garagen, Hallen und Scheunen, inklusive leer stehender ostdeutscher Liegenschaften. Auf den Markt bezahlbarer Garagen und Hallen wirkt sich die Immobiliensituation jedenfalls deutlich aus. Im Moment ist  ein gewisser Druck auf den Markt zu spüren, schließlich werden Gewerbeimmobilien vielerorts im großen Stil für andere Zwecke umgewidmet. Derzeit habe ich auf einem Reiterhof in der Gegend von Augsburg Unterschlupf gefunden. Gemein ist allen Vermietern übrigens ein gewisser Argwohn bei der Nennung der Marke „Cadillac“. Es entsteht eine kurze Denkpause, die in dem messerscharfen Schluss mündet: Dieser Knabe sucht in Wahrheit ein unauffälliges Drogen-Depot. Für meinen nächsten Umzug hoffe ich schwer auf das Anti-Diskriminierungsgesetz.

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Dirk Maxeiner / 11.08.2024 / 06:15 / 130

Der Sonntagsfahrer: Hoch zu Roßmann

Der Milliardärs-Erbe Raoul Roßmann will keine Teslas mehr für seine Drogeriekette kaufen. Es stört ihn, dass Tesla-Boss Musk Donald Trump unterstützt. Momentaufnahme einer deutschen Geisterfahrt.…/ mehr

Dirk Maxeiner / 04.08.2024 / 06:15 / 42

Der Sonntagsfahrer: Flugtaxi Bagdad-Pfarrkirchen

Im bayerischen Pfarrkirchen geht die Polizei der unerlaubten Landung eines überfüllten Sportflugzeugs mit Gästen aus Bagdad nach. Dabei handelt es sich um Fachkräfte: Pilot und Passagiere haben…/ mehr

Dirk Maxeiner / 28.07.2024 / 06:05 / 66

Der Sonntagsfahrer: Der Letzte macht das Streichholz an

Der Bundeskanzler gab in seiner Sommerpressekonferenz den E-Auto-Clown. Grund genug, mal einen Intelligenztest für Senioren heranzuziehen.  Der Höhepunkt der Sommerferien steht bevor, in Bayern gab…/ mehr

Dirk Maxeiner / 21.07.2024 / 06:00 / 72

Der Sonntagsfahrer: Die Scheinwelt-Rettung

Der aktuelle Skandal um gefälschten chinesischen Biodiesel erlaubt einen Blick in eine Öko-Scheinwelt, in der fast nichts mehr stimmt. Das darf sich aber nicht rumsprechen. Die…/ mehr

Dirk Maxeiner / 14.07.2024 / 06:05 / 62

Der Sonntagsfahrer: Deutschland unter Dampf

Die Bahn, Deutschlands „Stillstandsunternehmen Nummer eins" (Zitat NZZ) leidet unter maroder Infrastruktur. Für die Reparaturzüge braucht man alte Dieselloks – hat aber keine mehr. Jetzt wurde eine…/ mehr

Dirk Maxeiner / 07.07.2024 / 06:01 / 100

Der Sonntagsfahrer: Die Piepshow

Ab heute müssen Neuwagen den Fahrer akustisch zurechtweisen, wenn er die zulässige Geschwindigkeit überschreitet. Das schreibt die EU vor. Was kommt als nächstes? Die betreuende Folter…/ mehr

Dirk Maxeiner / 30.06.2024 / 06:20 / 80

Der Sonntagsfahrer: VW am Point of no Return

Ein Flugzeug erreicht bei einem Ozeanflug den "Point of no Return", wenn der Sprit für den Rückflug nicht mehr reicht und man zwingend zum Zielufer weiterfliegen…/ mehr

Dirk Maxeiner / 02.06.2024 / 06:05 / 44

Der Sonntagsfahrer: Ich bin reif für die Insel

Ich habe bei der britischen Regierung nachgefragt, ob sie bereit wäre, mich nach Ruanda zu deportieren. Die illegale England-Einreise, vorbei an den Kreidefelsen von Dover,…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com