Bertha Stein, Gastautorin / 02.03.2020 / 10:00 / Foto: Tim Maxeiner / 47 / Seite ausdrucken

Der Journalismus, das Virus und das Klima

Alle reden über das Corona-Virus, nur die Tagesschau nicht. Die Verbreitung des Virus war der Hauptsendung am Sonntag Abend um 20 Uhr gerade mal 9 Sekunden unter ferner liefen wert (Sendung hier 9:15 - 9:26).  Was ist mit der Berichterstattung vieler Medien los? Hysterie und Panik bei der medialen Berichterstattung zum Klima. Ruhe und Vorsicht beim Coronavirus. Das zeigt: Bei der medialen Berichterstattung geht es um Emotionen und Ideologietreue.

1912 kollidierte das britische Passagierschiff RMS Titanic im Nordatlantischen Ozean mit einem Eisberg. Mehr als 1.500 Passagiere starben. Zynisch gesprochen: Hätte der Klimawandel schon damals eingesetzt, wäre der Eisberg zu Wasser geworden, die Titanic hätte ihn nicht angefahren, und alle Insassen an Bord des Schiffes hätten überlebt. So gesehen hat der Klimawandel auch seine guten Seiten.

Doch wieso erleiden heutzutage so viele Medienschaffenden intellektuellen Schiffbruch, verfallen der emotional stürmischen See im weiten Meer der Klimawandels? Einerseits. Andererseits, wenn es um das Coronavirus geht: Warum betreten so viele Wortakrobaten herdenmäßig das Land der vernünftigen Ruhe, warnen vor übereilter Panikmache und jonglieren plötzlich mit Zahlen?

Dass ihnen jemand kurzfristig den Kopf gewaschen hat, ausgeschlossen. Vielmehr lassen sich viele „progressive“ Edelfedern von ihrer eigenen ideologischen Schere im Kopf leiten, wie die Ideologiedefinition des brillanten deutschen Soziologen Theodor Geiger deutet: „Ideologie ist eine gedankliche Verzerrung der Wirklichkeit“. Viele Sprachkünstler sehen nicht, wie es ist. Sie sehen, was sie möchten, wie es sein sollte.

Zudem begreifen sich viele Wortjongleure als Diener einer erhabenen Idee. Diese Idee zeigt sich in mehreren Gewändern. Da ist zum einen die Rettung des Klimas und der Frau. Sowohl Mutter Natur als auch das schwache Geschlecht müssen um jeden Preis gefördert werden. Dass uns Mutter Natur das Coronavirus beschert und zwei Drittel der neuen Grünen Fraktion in Hamburg Frauen sind, wird nonchalant ignoriert.

Zu kollektiver Rücksichtslosigkeit sittlich berechtigt

Zum anderen herrscht bei vielen die megalomanische Überzeugung, das eigene Wort werde zur Tat, ähnlich wie beim Herrn, der sprach „Es werde Licht! Und es ward Licht“. Gerade deswegen fühlen sich viele „avantgardistische“ Schreiber zu einer kollektiven Rücksichtslosigkeit sittlich berechtigt. Gerade deswegen rechtfertigen sie ihre brutalen rhetorischen Kampfmittel: Unterstellung, Bloßstellung, Denunziation. Es ist ein rhetorischer Krieg.

Diese moralische Selbsterhöhung erklärt auch, warum sich viele „progressive“ Edelfedern zur Klimathematik so hingezogen fühlen. Andererseits aber dem Coronavirus mit einer gewissen sorglosen Herzlosigkeit entgegentreten. Während der Klimawandel vielen die Bühne bietet, zwischen „gut“ und „böse“ zu richten, hüben die „guten“ Klimaretter, drüben die „bösen“ Klimasünder, sucht man vergeblich nach der moralischen Komponente im Coronavirus-Diskurs. Wem gegenüber kann sich schließlich der avantgardistische Kulturschaffende als „Guter“ hochstilisieren?

Sind die Chinesen die „Bösen“? Das wäre rassistisch und trifft so gar nicht den Zeitgeist des sich avantgardistisch verstehenden Kosmopoliten. Sind die Italiener die „Bösen“? Das noch weniger. Schließlich verunglimpft der kulturinteressierte Vordenker nicht das „Bella Italia“, das Land der Kultur, der Kunst und des Schönen. Ganz davon abgesehen, welche Gedankenkaskade damit in Gang gesetzt werden könnte. Ein italienischer Flüchtling als Patient Null? Ein Unding, das weder geschrieben, gesagt noch gedacht werden darf.

Gemeinsam auf einer schmelzenden Eisscholle

Drehen und wenden kann der progressive Medienschaffende es also, wie er will, die moralische Selbstüberhöhung beim Coronoavirus will nicht wirklich in seine Denkungsart passen. Einen Sündenbock zu finden, gestaltet sich wesentlich schwerer als bei der Klimafrage. Beim Klima kann sich der progressive Medienschaffende vom Bier trinkenden, Fleisch essenden und Auto fahrenden Mitbürger abgrenzen und abheben. Das ist weder diskriminierend noch rassistisch oder frauenfeindlich.

Das verdeutlicht: Ideologien leiten die mediale Berichterstattung. Anstatt Fakten zu sammeln, zu interpretieren und aufzubereiten, recherchiert und berichtet der avantgardistische Schreibtischschuft, wie es ihm seine Ideologie zuflüstert. „His ideology is his castle“. Und diese verzerrte Berichterstattung ist fatal. Für die Medienlandschaft, für das gesellschaftliche Klima, für Deutschland.

Wie lange geht das noch gut? Wie lange dauert es, bis die intellektuell Schiffbrüchigen merken, dass sie im weiten Ozean gemeinsam auf einer schmelzenden Eisscholle aus Ideologien schwimmen? Schließlich erzeugen die ideologiegetränkten Köpfe selbst die Flamme, die den Boden unter ihren Füßen zum Schmelzen bringt. 

Foto: Tim Maxeiner

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Leserpost

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B. Ollo / 02.03.2020

Das Wichtigste ist, dass Sultans Türkei, obwohl umgeben von Ländern mit hohen Infektionszahlen, mit mehr oder weniger offenen Grenzen, obwohl vorläufiges Ziel aller Durchreisenden durch die umgebenden Länder, bis heute völlig von Corona verschont blieb. Selbstverständlich sind auch all die Flüchtlinge, pardon Migranten, in der Türkei nicht infiziert. Das ist nicht nur für das weltweite stolze Türkentum sehr erfreulich, auch für jeden echten Menschenfreund. Noch viel erfreulicher ist es für die Merkels und Baerbocks, die Claudis und die Roths und wie sie alle heißen. Sie sind schon wieder krampfhaft dabei, eine freundliche Grimasse zu ziehen. Man stelle sich vor, Flüchtlinge wären infiziert und müssten ebenfalls in Isolation. Offene Grenzen würden auch hier ein Problem. Man stelle sich vor, alle außer Deutschland könnten die Grenzen schließen. Das geht natürlich nicht. Deshalb gibt es weder in Türkei Infizierte, noch wird es Tests und Prüfungen geben, bevor Deutschland die Migranten nach Deutschland durchwinkt. Die Logik sieht dann so aus: In Deutschland testen und isolieren wir ja auch nicht die Bürger. Also brauchen wir das bei den Migranten auch nicht. Wette?

Dietrich Herrmann / 02.03.2020

Die Greta müsste das Corona-Thema für sich entdecken. Mondays for Corona - dann hätten die Schüler ein wirklich langes Wochenende.

Andrea Nöth / 02.03.2020

Wir gucken Tagesschau, damit wir informiert sind, welche Informationen das Wahrheitsministerium uns offiziell zugeteilt hat. Und damit wir wissen, was der ‘Nachbar’ oder der ‘Arbeitskollege’ Morgen für eine Meinung hat. Trotzdem haben wir mit offen stehendem Mund diese Nichtberichterstattung registriert. Der Virus hat ja nur jeweils REGIONALE BEDEUTUNG - den Furz, den irgendein Mullah am A.d.W. fahren lässt - ist hingegen besonders berichtenswert für unser Land.

Heinrich Niklaus / 02.03.2020

Bertha Stein: “Schließlich erzeugen die ideologiegetränkten Köpfe selbst die Flamme, die den Boden unter ihren Füßen zum Schmelzen bringt. Eine gelungene Umschreibung für den Beginn von Auseinandersetzungen in Deutschland, die wir uns nicht wünschen sollten, die aber immer wahrscheinlicher werden. Die “mörderische” Gewalt, die jetzt schon von den politischen Rändern ausgeht, wird nicht dadurch verschwinden, dass man sie einer Partei aufbürdet. Sie wird zunehmen aus den Gründen, die Bertha Stein anschaulich beschrieben hat.

Donald Adolf Murmelstein von der Böse / 02.03.2020

Unsere kleine Weltretterin Luisa Neubauer verlautbarte jüngst in einem Interview: „Über alte weiße Männer zerbreche ich mir nicht kategorisch den Kopf“. Warum sagt unsere Luisa nicht einfach – „Über alte weiße Männer zerbreche ich mir bestimmt nicht den Kopf“, was für mich gutes Deutsch wäre? Könnte Luisa Neubauer wenigstens ein Mathematik- oder Philosophiestudium vorlegen, dann wäre das entschuldbar oder irgendwie verständlich – so aber komme ich zu dem Ergebnis, daß unsere junge Weltretterin eine intellektuelle Hochstaplerin ist.

Rainer Niersberger / 02.03.2020

Es geht wie immer bei der ideologischen Vermarktung um Taeter und Opfer. Derzeit ist das Virus hier noch ungeeignet, weil man noch nicht soweit gegen will, die AfD als Auftraggeber eines chinesischen Labors zur Erzeugung des Virus anzuklagen. Das “Niveau” von Baerbock und Co. wuerde es aber durchaus hergeben. Hinzu kommen aber aktuell die ideologisch richtigen und zugleich falschen Opfer. Wie bereits bei der Klimaideologie geht es weniger bis gar nicht um die Weissen als Betroffene, sondern die von den Weissen ohnehin permanent und massiv maltraetierten Menschen der Dritten Welt. Offenbar trifft nun das Virus insbesondere und vor allem laetal den Lieblingsfeind der Gruenen und Mainstreammedien schlechthin, den alten weissen Mann und damit Taeter per se. Zum Jubel reicht es noch! nicht ganz, aber zur Empathie natuerlich erst recht nicht. Fernstenliebe oder “edle wilde-Verklärung” und Selbsthass greifen aktuell in diesen irren Zeiten einfach besser, als die Sorge um dieses eigene “Taetervolk” . Die Sache wuerde sofort medial stärker aufbereitet, wenn nun zum Beispiel Afrika stärker betroffen waere, weil man dann das passende Narrativ aktivieren koennte. Zudem ist fuer Linksgruen grundsätzlich Alles gut, was den Kapitalismus und seine Grundlagen und vermeintlichen Folgen! schädigt oder zerstört. Auch das passt, ohne dass man sich trauen wuerde, bereits heute öffentlich zu jubeln.

Detlef Fiedler / 02.03.2020

Das Ignorieren des Virus ist genauso auffällig wie die merkwürdige Berichterstattung über die Südgrenzen der EU, werte Frau Stein. Aber das trifft nicht nur auf die Journaille zu. Bei den Amis gibt es bereits einen Impfstoff, zwar in der ersten Testphase und noch ohne Zulassung, aber immerhin. Hierzulande hält die Grosse Alternativlose jedoch erstmal einen Integrationsgipfel ab und kämpft gegen rechten Rassismus. Der Wirtschaftsminister erklärte, die deutsche Wirtschaft sei hinsichtlich des Virus gut gerüstet. Der Aussenminister bekundete sein Mitgefühl gegenüber türkischen Invasoren. Nicht nur bei den Edelfedern schmilzt die ideologische Eisscholle. Die führenden Politiker sehen zwar den durch eigenes Totalversagen selbst angerichteten, gigantischen Scherbenhaufen. Aber sie tun einfach so, als sei doch garnichts. Beste Politbüro-Manier.

Karl Kaiser / 02.03.2020

Das verdeutlicht: Ideologien leiten die mediale Berichterstattung. Völlig richtig. Aber es sind Ideologen, die Macht ausüben. Deshalb handelt es sich nicht um Berichterstattung, sondern um nur leicht verschlüsselte Handlungsanweisungen an Untergebene. Wir sollen erst in zweiter Linie etwas erfahren, in erster Linie sollen wir etwas tun. Also tun wir was.

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