Am 18. März 1848 begann die erste bürgerliche Revolution in Deutschland, in deren Verlauf der Schriftsteller Theodor Fontane auf der Barrikade stand, die sich etwa dort befand, wo heute das Kaufhaus Alexa in Berlin steht.
Am 18. März 1990 vollendete sich die bürgerliche Revolution. Über 90% der Wahlberechtigten der Noch- DDR wählten die erste und letzte demokratische Volkskammer. Es war ein warmer Tag, noch etwas heißer als der heutige. Vom frühen Morgen an strömten die DDR-Bürger sonntäglich gekleidet zu den Wahlurnen. Viele Frauen trugen Blumen in der Hand, als ginge es zu einer Feierlichkeit.
Am Abend gab es ein böses Erwachen für die Parteien, die aus der Bürgerrechtsbewegung der DDR hervorgegangen waren: alle zusammen kamen sie auf gerade 5%. Da sie einzeln angetreten waren, wäre keiner der Bündnis 90/Grüne –Partner ins Parlament eingezogen, wenn es die von den Altparteien am Runden Tisch gewollte und beinahe durchgesetzte 5%-Klausel gegeben hätte. Keine politische Karriere für Joachim Gauck, Marianne Birthler, Werner Schulz, Günter Nooke und auch mich.
Als Joachim Gauck sich in der Fraktion Bündnis 90/ Grüne als einer der wenigen vorbehaltlos für die deutsche Vereinigung stark machte, konnte niemand ahnen, dass 22 Jahre später, am Jahrestag der freien Volkskammerwahl, zum 11. Bundespräsidenten gewählt werden würde.
Der Vorschlag von Bundestagspräsident Lammert, den 18. März künftig für die Bundespräsidentenwahl zu reservieren, hat viel für sich, auch wenn er, ganz im Geist der sich immer linker gebärdenden CDU, den Fauxpas beging, gemäß des Geschichtskanons der DDR, den 18. März 1793, die Errichtung der Mainzer Republik durch deutsche Jacobiner, in die bürgerlich-demokratische Tradition einzubeziehen. Ironischerweise war es eine der Auflösungserscheinungen der späten DDR, dass ihre Intellektuellen begannen, dieses DDR-Geschichtsbild zu hinterfragen. In Michael Gwisdeks Film , „Treffen in Travers“, der einem der Protagonisten der Mainzer Republik, Georg Forster, gewidmet ist, zeigt die Eingangssequenz eine Guillotine, als Symbol, was bei diesem Experiment schief gegangen ist.
In einer Zeit, wo nicht nur Schüler, sondern auch Politiker zunehmend unfähig sind , zwischen Diktatur und Demokratie zu unterscheiden, ist jemand wie Gauck wichtig. Er bietet die Chance, wenn auch nicht die Garantie dafür, dass ein zunehmend geistig orientierungslos gewordenes Volk wieder den Mut findet, an seine besten Traditionen anzuknüpfen.
Der 18. März 2012 ist ein später Triumph der Ideale der Bürgerrechtsbewegung der DDR. Er ist der Beweis, dass die Einheit trotz ihrer vielen Feinde geglückt ist. Er gibt die Hoffnung, dass die geistige Konterrevolution, die zwei Jahrzehnte nicht ohne Erfolg versucht hat, die Ergebnisse der Revolution von 1989 zu relativieren und wegzuinterpretieren, gescheitert ist.
Mit Gauck zieht der Geist von 1989 ins Bundespräsidialamt ein. Er möge das Amt prägen und sich nicht durch das Amt verbiegen lassen!