Antje Sievers / 09.04.2011 / 11:33 / 0 / Seite ausdrucken

Der allergrößte Hohn ist die Synchronisation

Die Hölle ist bekanntlich der Ort, wo die Engländer kochen, die Franzosen Auto fahren und die Deutschen Witze reißen.
Die Krönung des deutschen Vorschlaghammerhumors haben wir mit den Karnevalstagen dankenswerterweise gerade hinter uns gebracht. Humor ist in Deutschland eine schwierige Angelegenheit – deshalb hat man das Tätäh! eingeführt, damit auch der letzte Vollpfosten weiß, wann was gerade Witz war. Einmal über eine Büttenrede lachen – ehrlich, soviel könnte ich gar nicht saufen.

Die deutschen Comedians sind allerdings nicht wirklich besser. Wenn man sich zum Affen machen will, muss man auch wie einer aussehen, heißt die Devise. Nur wenige beherrschen den gepflegten Stand-Up-Comedy-Stil, bei dem der Comedian gut angezogen sein und gut aussehen darf und allein durch seinen Humor und seinen Wortwitz glänzt. So wie Großmeister Jerry Seinfeld. Dieter Nuhr ist eine solche rühmliche Ausnahme.

Gute Comedy, so weiß man unter Profis, ist die Königsdiziplin im Showgeschäft. Nichts ist schwerer, als die Menschheit zum lachen zu bringen.

Glücklicherweise hat gepflegte Komödie in den USA eine lange, reiche Tradition, die bis in die Vaudeville-Theater zurückreicht. Vaudeville – das war z.B. das, was in der Muppetshow geboten wurde. W.C. Fields, Charlie Chaplin, die Marx Brothers, Laurel und Hardy waren die Begründer der großen amerikanischen Comedytradition aus dem Vaudeville.

Nirgendwo verfügt die Unterhaltungsindustrie über solch ein Heer von begabten Gagschreibern, Comedians und Schauspielern wie in den USA. Deren Erzeugnisse – Spielfilme, Serien und Sitcoms - sind auch in Deutschland beliebt. Aber lässt sich die amerikanische Art des Humors wirklich so ohne weiteres nach Germany exportieren? Offenbar nicht. Die heute jedermann zugängliche Sprach- und Untertitelauswahl auf DVDs verrät uns, dass amerikanischer Humor gern teutonenkompatibel verändert wird.

Sicher, manch angelsächsischer Wortwitz lässt sich schlicht nicht übersetzen. Eine Synchronsprecherin hat mich mal informiert, dass man häufig die englische Version verfremde, um die Lippensynchronisation besser anzupassen. Aber muss man aus diesem Grund wirklich den im englischen Sprachgebrauch üblichen Ausdruck für Auseinandersetzung, to have an argument, eins zu eins mit ein Argument haben übersetzen? Oder behilft man sich bei der Übersetzung von Dialogen ausschließlich mit abgebrochenen Anglisten?

So erfährt man nebenbei auch, dass in englischsprachigen Soaps eigentlich nichts lieber durch den Kakao gezogen wird als der Deutsche und seine Sprache. Wo immer in der deutschen Fassung Dänen oder Schweizer auftauchen, kann man davon ausgehen, dass im Original gerade wieder Deutsche verarscht werden.

Zum Beispiel in Scrubs, der besten Krankenhausserie aller Zeiten, muss man erlebt haben, wie Dr. Elliott Read in perfektem Deutsch schreit: Iss dein Schnitzel, sonst gibt es keinen Nachtisch! und ihr Kollege J.D. dazu seufzt: Oh, german is such a beautiful language!

Was nicht in die deutsche Vorstellung von political correctness passt, wird gern passend gemacht. Und das ist ziemlich unschön:

In der Schlussszene von Roman Holiday, dem Debutfilm der jungen Audrey Hepburn, schüttelt die Hauptdarstellerin verschiedenen internationalen Journalisten die Hand. In der Originalfassung kommt einer von ihnen von der Zeitung Dawar, Tel-Aviv. In der deutschen Fassung ist er Italiener und schreibt für den Corriere della Sera. In einer Folge von Fraiser behauptet eine Frau, ihre Ohrringe seien ein Geschenk von Golda Meir - in der deutschen Fassung kommen sie von Albert Einstein. Wenn es schon ein Jude sein muss, dann wenigstens kein Zionist.

Der ätzende Witz Woody Allens in Play it again, Sam wird auch gern entschärft, wenn es heißt, der neue Freund seiner Exfrau wäre ein Rocker. Wo er im Original doch glatt ein Nazi ist!

Allerdings muss ich den Synchronschreiberlingen auch in einem Fall Recht geben: In Bridget Jones sagt die nervensägende Mrs. Jones zu ihrer Tochter Bridget: Geh, zieh dich um, Du siehst ja aus, als hättest du auf einer Parkbank geschlafen! Im Original hingegen sieht Bridget aus, als käme sie aus Auschwitz. Dieser spezielle Humor steht nun mal nicht jedem zu.

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