Peter Grimm / 06.11.2020 / 06:25 / Foto: ABC Television / 54 / Seite ausdrucken

Denunzieren? Am besten im Westen!

Das Denunziantentum hat in Deutschland bekanntlich eine lange Tradition. Der Satz „Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant“, der dem Deutschlandlied-Dichter Hoffmann von Fallersleben zugeschrieben wird, gehört seit Generationen zum sprachlichen Gemeingut. Das Denunzieren gilt in Deutschland daher eigentlich als unanständig, hat aber dennoch immer dann Konjunktur, sobald es etwas obrigkeitsstaatlicher zugeht. In einer Diktatur ist das Denunzieren weit verbreitet, wenn es oft auch unter Zwang geschieht.

Die letzte Hochsaison des Denunziantentums endete hierzulande mit dem Zusammenbruch des SED-Staats. Nach der Wiedervereinigung zeigten sich viele Westdeutsche überrascht und erschüttert darüber, wie stark im Osten gespitzelt und angeschwärzt wurde. Nicht selten hörte man dabei seinerzeit den deutlichen Unterton: Bei uns hätte es so was nicht gegeben.

Seit deutsche Behörden die Aufgabe haben, die Kontaktbegrenzungs-Regeln des Corona-Ausnahmezustands auch im privaten Lebensumfeld der Bürger mit eingeschränkten Bürgerrechten durchzusetzen, eröffnet sich für Denunzianten wieder ein größeres Betätigungsfeld. Ministerpräsidenten wie Söder (CSU) oder Weil (SPD) rufen dazu auf, Verstöße gegen das Corona-Reglement zu melden, mancherorts werden, wie in der Stadt Essen, extra Meldeportale eingerichtet.

Dem FOCUS ist es zu danken, dass es aufgrund einer von diesem Magazin beim Institut Civey in Auftrag gegebenen Umfrage auch Zahlen zur Denunziationsbereitschaft der Deutschen gibt.

Mehrheit lehnt das Denunzieren ab

Immerhin: Eine deutliche Mehrheit der Deutschen (64,8 Prozent) kann sich nicht vorstellen, die eigenen Nachbarn bei Behörden anzuschwärzen, weil sie sich nicht an die verschärften Corona-Regeln halten. 22,3 Prozent der Befragten wären jedoch bereit, ihre Nachbarn im Falle eines Verstoßes zu melden.

Interessant ist hier der Ost-West-Unterschied. Während 24 Prozent der westdeutschen Befragten bereit zu Berichten über ihre Nachbarn wären, könnten sich das nur 14 Prozent der Ostdeutschen vorstellen. Mehr als 70 Prozent der Menschen im Osten könnten sich das Melden von Corona-Verstößen nicht vorstellen.

Offenbar hat sich dort durch die Erfahrung der SED-Diktatur eine gewisse Herdenimmunität gegen das Denunziationsvirus eingestellt. Wer als Denunziant etwas gesellschaftliche Anerkennung finden will geht also offenbar zum Denunzieren am besten in den Westen.

Allerdings scheint die Denunziationsbereitschaft in Ost und West zu steigen, wenn man jemanden garantiert anonym anzeigen kann. Aber immerhin beantworten noch fast 58 Prozent der Deutschen die Frage „Fänden Sie es richtig oder falsch, wenn es bundesweit die Möglichkeit gäbe, Verstöße gegen die Corona-Schutzmaßnahmen anonym online zu melden?" mit einem „eindeutig falsch“ oder „eher falsch“. Ein Drittel (33,1 Prozent) der Befragten war allerdings dafür.

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Leserpost

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Hans Reinhardt / 06.11.2020

Man hätte zusätzlich fragen müssen, welcher Partei man nahesteht. Ich glaube, dass ich mich damit nicht zu weit aus dem Fenster lehne, wenn ich behaupte, dass die Denunzianten eher links von mir wohnen.

Stefan Riedel / 06.11.2020

Hallo, Liebe Nachbarn! Ich lese achgut.com. Ja! Bitte meldet mich bei der Rot-Blutroten- Grünbraunen Blockwartin. Denunzieren?  Keine Gewissensbisse !

Andreas Bayer / 06.11.2020

Leider unterscheiden die Umfragen nicht nach Geschlecht, Alter und Parteienpräferenz. So stochern wir bei der Dingfestmachung des Lumpenpacks weiterhin im Dunkel unserer Vorurteile. Mein Tipp: Der deutsche Denunziant ist (tendenziell) weiblich, zwischen fünfzig und siebzig und hat 2017 Merkel gewählt.

Karla Kuhn / 06.11.2020

U. Langer, Sie bringen es absolut TREFFEND auf den Punkt. Als ich 1995 das erste Mal meine Akte, die wurde mit einem Rollwagen gefahren, durchsehen konnte, habe ich mir fast alles kopieren lassen (mußte ich selber bezahlen) und den INHALT an die jeweiligen Angehörigen der IM per Post geschickt. Wow, das ist eingeschlagen wie eine Bombe. Die meisten der Angehörigen wußten gar nicht, daß ein Familenmitglied ein elender Denunziant war. Ich hatte NULL Bock mich mit diesen Verrätern, die auch noch aus Mangel an wirklichen Taten von mir, ganz miese Lügen verbreitet haben, auseinanderzusetzen. Ich hätte sie höchstens angespuckt und da halte es es mit Erich Kästner. “Nie dürft Ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man Euch zieht, auch noch trinken.”

Karla Kuhn / 06.11.2020

In Dunkeldeutschland gab es genug DENUNZIANTENLUMPEN, die nicht der SED oder der STASI angehörten. Das waren die kleinen, schmutzigen Blockwarte, meist trübe Kerzen auf der Torte aber endlich konnten sie sich auch mal “GRÖßER”  fühlen und sonnten sich in ihrem DRECK.  Ich vermute, hier werden auch Teile davon sich mal “groß” fühlen wollen. Alois Fuchs, die SCHLIMMSTEN DENUNZIANTEN sind die Anonymen,  die sind auch noch zu FEIG dazu zu stehen, daß sie andere ans Messer liefern. Auf Grund unsrerer traurigen Geschichte mit meinem jüdischen Stiefgoßvater, der sich mit 75 Jahren umgebracht hat, weil so ein DENUNZIANTENLIUMP ihn angezeigt hat, wurden wir zu Hause von klein auf mit dem Satz. “Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant”  erzogen. Dafür bin ich meinen Eltern heute noch dankbar, sie hätten uns eher einen Diebstahl verziehen,  als eine Denunziation. Erpressung, Günter Schaumburg ist eine ganz miese Ausrede für das schmutzige denunzieren. Sehr viele waren ÜBERZEUGT. Diejenigen, die im Unrechtsstaat ihren Arbeitsplatz verloren hat,  haben in der Regel einen anderen gefunden, durch Beziehung, Familie etc.,  zumal es im Unrechtssaat keine Schwarzarbeit gab, es nannte sich “Feierabendtätigkeit” und war steuerfrei. Ein Bekannter, JEHOVA, hat sich so gut über Wasser gehalten, Arbeit schändet nicht.  Mein erster Schwiegersohn wurde “gefeuert”, als er den Ausreisantrag gestellt hatte,  er konnte sofort in einem kleinen Privatbetrieb weiterarbeiten. Der UNRECHTSSTAAT WAR NIE TOT, er wurde wahrscheinlich immer von viele ehemamligen STASIS und SED lern am köcheln gehalten. Und wie es scheint, wurde er HEUTE WIEDERGEBOREN !  Viele der echten Wessis werden ganz schön zu kauen haben. Ich als “Ossi” bin da total im Vorteil, da kennt man die Schliche und Tricks, wie man mit Anstand “überleben” kann.

Sepp Kneip / 06.11.2020

In der Tat, wenn man die Anhänglichkeit der Westdeutschen an ihre Diktatorin Merkel sieht, schwant einem für die Zukunft Böses. Wenn dann heute auch noch das Merkel’sche Ermächtigungsgesetz durchgeht, ist das Dritte Reich perfekt. Es hat sich schon damals gezeigt, zu welch üblen Dingen die Menschen fähig sind, wenn sie von oben grünes Licht haben. Das gilt nicht nur für das Denunziantentum, sondern für alle Bereiche, mit denen man sich nach oben Liebkind machen kann. Dieser Hang der obrigkeitshörigen Deutschen wird von der Obrigkeit auch fleißig befördert und genutzt. Und es ist ja auch so schön für den Untertan, nicht mehr selbst denken zu müssen, sondern nur noch Befehle auszuführen. Bis dann die Befehle kommen, die er gegen sich selbst anwenden muss.

Sabine Schönfelder / 06.11.2020

Dietmar@ Schubert, Sie verwechseln Denunziation mit GEGENWEHR. Zuerst sollten, aufgrund von Frau Kahanes Anregung, alle Mädchen mit Zöpfchen über den politischen Hintergrund ihrer Eltern ausgefragt werden. Das ist typisch linke Denke. Erst den Bürger beklauen, und wenn er sich es zurückholt , dann brüllt ihr: HALTET den Dieb! Mit einem guten Propagandaapparat läuft das alles. ABER BEDENKT: Die Scheiße, die ihr jetzt mit aller Macht herbeiführt, müßt ihr selbst mit fressen. Daran erkennt man die geistig Unterbelichteten.

Uta Buhr / 06.11.2020

Ich kann mich nur an eine Petzerin während meiner ganzen Schulzeit erinnern.  Das war in der 4. Klasse der Grundschule, die kleine Kanaille hatte einen echten Dachschaden und war daher auch nicht ernst zu nehmen. Die Klassenlehrerin rügte sie in deutlichen Worten und sagte, ihr dass verpetzen sich nicht gehört. In meinem reinen Mädchengymnasium ging es ganz ohne Denunziantentum. Lang, lang ist’s her… Für Diktaturen sind Denunzianten Gold wert. Die kommen gar nicht ohne diese widerlichen Typen aus. Während der französischen Revolution forderten die ach so tugendhaften sans-culotte Kinder expressis verbis auf, ihre eigenen Eltern dem Tribunal zu melden, wenn die abfällige Äußerungen über den jakobinischen Terror machten. Bis heute hat sich an dieser Methode nichts geändert. Man hat hierzulande sogar einem ehemaligen Stasispitzel die Führung einer äußerst dubiosen, aber kräftig mit Steuermitteln alimentierten Stiftung anvertraut. Ebenso wie @Corinne Henker wundert mich gar nichts mehr. Ich bin zwar nicht in der DDR sozialisiert worden, hatte aber genügend Gelegenheiten, während vieler Reisen in das Arbeiter- und Bauernparadies, dieses ekelhafte Spitzelsystem aus der Nähe zu betrachten. Unsere Agitpropse ist dabei, ihren feuchten Traum zu verwirklichen und dieses einst freie Land in einen Kerker nach dem Muster ihrer geliebten DeeDeeErrr umzugestalten. Sie braucht nicht einmal einen Schutzwall bauen zu lassen, da sie inzwischen einen jeden von uns schon länger hier Lebenden per Dekret in den eigenen vier Wänden einmauert. Adieu schöne alte Welt!

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