Alexander Wendt / 07.01.2015 / 17:42 / 3 / Seite ausdrucken

Das Südelblatt weiß Bescheid

Die SZ analysiert die Gründe des Charlie-Massakers mit historischer Tiefenschärfe, indem sie kurz die Charlie-Hebdo-Witze über den Papst, Le Pen und Hollands referiert, um dann zum wichtigen Punkt zu kommen:

Mohammed-Karikaturen brachten Aufmerksamkeit
Besonders große Aufmerksamkeit brachten zuletzt Provokationen, die islamischen Bürgern Toleranz abverlangten: Nachdem das Blatt zunächst die Mohammed-Karikaturen des dänischen Jyllands Posten nachgedruckt und seine Verkaufszahlen damit verdreifacht hatte, kam im November 2011 eine Sondernummer mit dem Titel “Charia Hebdo”. Am Vorabend der Auslieferung wurde der Redaktionssitz Ziel eines Brandanschlags, was Charlie Hebdo nicht daran hinderte, ein Jahr später eine neue Karikaturenserie über Mohammed anzukündigen. Die französische Politik reagierte mittelgenervt, schloss vorsorglich die Botschaften in 20 Ländern und stellte Polizeischutz für den Redaktionssitz in Paris.

Ja, so verlangt man friedlichen Bürgern Toleranz ab, bis der Geduldsfaden eben doch mal reißt. Und auch durch einen Brandanschlag lässt man sich als Charlie-Redakteur nicht hindern, obwohl man doch hätte gewarnt sein müssen. In Bertolt Brechts “Flüchtlingsgesprächen” gibt es eine Figur, die im Deutschland der NS-Zeit die Verhaftung eines unangepassten Volksgenossen kopfschüttelnd kommentiert: “Unvorsichtig sind die Leute!”

Durch die SZ-Zeilen weht fühlbar der Stoßseufzer: ein Glück, dass wir nur immer denen Toleranz abverlangen, die uns nicht mal ein Glas Weißbier über den Kopf gießen würden.

Siehe auch:
http://www.liveleak.com/view?i=bc6_1420632668

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Andreas Donath / 08.01.2015

@ Holger Chavez Besonders Ihr Schlusssatz (“Bemäntelt wird die Feigheit ... mit differenzierender Vernunft”) beschreibt 90 Prozent dessen, was man nun in den Qualitätsmedien von FAZ über Süddeutsche, Zeit, Spiegel, Focus bis Welt lesen kann, ganz exakt. Wohlgemerkt die redaktionellen Erzeugnisse, nicht die Leserkommentare. Ich finde es gelinge gesagt atemberaubend, wie seit gestern manche dieser Qualitätsmedien die Brücke schlagen von einer besonders im Osten des Landes starken bürgerlichen Graswurzelbewegung, die (meist stumm und friedlich spazierend) gerade vor dem warnt, was sich vor unser aller Augen abspielt, zu brutalen religiösen Fanatikern, denen bürgerliches Wertempfinden, Toleranz und Meinungsfreiheit so fremd sind wie einem Zackenbarsch Goethes Werther.

Matthias Fixmer / 07.01.2015

Ich habe bei dieser Agrumentation - Alle Muslime sind friedfertige Bürger, werden aber durch solche Anschuldigungen zu diesen Taten getrieben - immer so das Gefühl, das wäre eine geschwollene Umschreibung von: Nenn mich nicht agressiv, sonst schlag ich dir in die Fresse!

Holger Chavez / 07.01.2015

Charlie Hebdo wird in Deutschland nicht wegen seines Mutes gelobt, sondern die Zeitung hat, in bewährter duckmäuserischer Tradition, “selber schuld” - warum sind sie auch so blöd !” Ich möchte wetten, daß in es Frankreich eine Solidaritätswelle mit Charlie Hebdo geben wird. Bei uns dagegen herrscht unsägliche Kriecherei vor dem Faschismus. Bemäntelt wird die Feigheit (für die ich Verständnis habe) mit differenzierender Vernunft.

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