Nach der Ankündigung von Nina Hagen, Wahlkampf für die Grünen machen zu wollen, bleibt offen, wer sich mehr fürchten muss, die Gegner der Grünen oder die Grünen selbst. So weit sind die aber sicher noch nicht mit ihren Überlegungen.
Sie werden zunächst einmal mit der Anziehungskraft der Diva gerechnet haben. Prominent ist sie ja tatsächlich, sie ist aber auch die Erste, die die Grenzen zwischen echter Prominenz und B-Prominenz verschwimmen ließ. Klimbimchen für die Frankfurter Schule. Die älteren unter den Lesern erinnern sich vielleicht an ihre Masturbationsanleitungen im “Club 2“ des ORF, die mehr der Provokation zu dienen hatten als ihrer Kamasutrabotschaft. Gepriesen wird sie auch wegen des frühen Markenzeichens: Freche Ostfrau. Ist der Hit „Du hast den Farbfilm vergessen“ mehr als die grelle Ostversion einer Wencke Myhre mit knallrotem Gummiboot?
„Cicero“ platziert sie im neuen Augustheft unter den 15 Top-Ostmusikern auf Platz drei. Unmittelbar nach Tokio Hotel und Silbermond. Aha! Nach Nina Hagen, auf Platz vier folgt übrigens Yvonne Catterfeld.
Fast schon neidisch fragt man sich: Wie kriegt „Cicero“ bloß immer diese schrägen Familienaufstellungen hin? Durch einfaches Zusammenzählen, oder was? Vielleicht ist es ja doch so, dass uns die reine Arithmetik nicht nur die Wahrheit parat hält, sondern auch für Überraschung zu sorgen versteht. Kann sein. So wird Nina Hagen gerne als Punk-Sängerin rubriziert. Wer aber ist das Publikum, das ihr seit eh und je folgt? Sind es Rebellen, Esoteriker oder gar Ostalgiker?
Wer sie einmal für fünf Minuten in einer dieser Talkshows gesehen hat, in denen Schauspieler auftreten, die sich für Schriftsteller halten, und Musiker, die Politik machen, weiß längst, bei der Hagen handelt es sich um eine Knallcharge. Wer diese engagiert, hat entweder den Verstand verloren, oder nichts mehr zu verlieren. Sind die Grünen aber nicht selbst ein bisschen wie die Hagen, macht Claudia Roth sie nicht heimlich nach? Und wie verhält es sich mit Boris Palmer? Oder steht der mehr auf Hannes Wader, den Barden der Gerechtigkeit, jenseits von Demoskopie und Klickverhalten? Wir werden sehen.
Und noch etwas: Schon vor längerem hat ein cleverer Spinnenforscher eine von ihm beschriebene malaysische Art nach der Punk-Diva benannt: heteropoda ninahagen. Das, angesichts des Artensterbens in Asien, um darauf aufmerksam zu machen. Nun sind die Grünen keineswegs in Gefahr, aber das Programm ist ihnen schon lange abhanden gekommen. Auch sie bedienen sich der Methoden des Aschermittwoch, mit denen alle liebäugeln, schaffen Arbeitsplätze, dass es kracht, und machen unter Zuhilfenahme von Wind und Sonne, den ausreichenden Lärm ums Nichts. Oder sollen wir jetzt sagen: Punk?