Georg Etscheit / 03.09.2023 / 12:00 / Foto: Pixabay / 4 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Zwetschgendatschi

Bald beginnt die Zeit des Zwetschgendatschis (-kuchens). Hier steht, wie man ihn am besten hinkriegt. Und: nein, Zwetschgen sind keine Pflaumen (nur eine Unterart), unterscheiden sich äußerlich und geschmacklich von ihnen.

Wenn sich der Sommer im August seinem erwartbaren Ende zuneigt, beginnt die Zwetschgensaison und mit ihr die Zeit des Zwetschgendatschis, wie in Süddeutschland Zwetschgenkuchen genannt wird. Ein Datschi ist nichts weiter als ein Teigboden, in den Früchte hineingedrückt – gedatscht – werden. Das geht prinzipiell auch mit vielen anderen Früchten, etwa Äpfeln oder Marillen. Aber für mich ist ein Datschi immer ein Zwetschgendatschi, nicht zuletzt wegen des pikanten, etwas bitteren Aromas echter Zwetschgen, stammen sie nun aus dem berühmten Bühl bei Baden-Baden oder dem eigenen Garten.

Richtig gelungenen Zwetschgendatschi gibts leider selten, wie alles Gute. Meist ist der Teig zu dick, sind die Früchte zu weich und zu süß, was den Datschi spätestens nach einem Tag in einen „Batz“ (bayerisch für „Matsch“ oder „Brei“) verwandelt. Doch manchmal kann man eine freudige Überraschung erleben: Einen Datschi, wie er sein muss, aß ich jetzt in einem eher unscheinbaren Biergarten an der Isar südlich von München. 

Zwischen dem schönen Kloster Schäftlarn und dem Isarwehr bei Icking liegt direkt am Isarkanal, der das Denkmal geschützte Wasserkraftwerk Mühltal speist, der Weiler Aumühle. Dort gibt es nicht nur eine beliebte Fischzucht, sondern auch ein seit vielen Jahren in Familienbesitz befindliches Gasthaus, das so heißt wie der Ort: Gasthaus Aumühle

Die dicken, mit Wasser aufgepumpten und oft viel zu süßen Pflaumen meiden!

Die Wirtin backt ihre Kuchen selbst, darunter puristischen Datschi mit einem extrem dünnen, kross gebackenen Hefeboden, obenauf schön säuerliche, feste Zwetschgen und ein wenig Zimtzucker. Fertig! Natürlich verzichtet sie auf den schaurig-glibbrigen Tortenüberzug von Dr. Oetker, wie er einem andernorts so oft begegnet. Mit guter Schlagsahne, die hier ganz offensichtlich nicht aus dem Fertigspender kommt, ein vollendeter, spätsommerlicher Kaffeeklatschgenuss.

Natürlich kann man für einen Zwetschgendatschi auch einen Mürbeteig verwenden oder einen Rührteig, in dem die Früchte regelrecht versinken. Doch für mich geht nichts über das Original mit Hefeboden, am besten flach ausgebacken auf einem Backblech. Auf jeden Fall sollte man echte Zwetschgen verwenden, keine dicken, mit Wasser aufgepumpten und oft viel zu süßen Pflaumen. Fest sollten sie sein, weil sie sonst beim Backen und nach dem Abkühlen suppen und den delikaten Kontrast von kross und mürbe zunichte machen. Ob man obenauf noch Butterstreusel bröckelt, ist Geschmackssache. Für mich wird der Kuchen damit unnötig schwer, denn das Schöne an einem Datschi ist auch seine Frische und relative Leichtigkeit.

Ich selbst kenne Zwetschgendatschi nur als Hauptakteur einer Kaffeetafel, manchmal auch als Dessert à la francaise. Doch in der Pfalz, in Rheinhessen und im Saarland ist es durchaus Sitte, einen Pflaumenkuchen, vulgo Quetschekuche, zu einer Kartoffelsuppe, vulgo Grumbeersupp, oder Bibbelesches Bohnesupp, vulgo Grüne Bohnensuppe, zu essen. Erinnert etwas an das Kölner Traditionsgericht Himmel un Äd, die süß-saure Verbindung von Äpfeln und Erdäpfeln, kombiniert mit gebratener Blutwurst. Probiert habe ich die Zwetschgendatschi-Eintopf-Kombi noch nicht. 

Beim Genuss eines Zwetschgendatschis draußen auf der Terrasse bekommt man im Spätsommer oft unliebsame Konkurrenz in Gestalt von Wespen, manchmal auch Hornisse, die genau wie wir Menschen wissen, was gut schmeckt. Ich stelle ihnen immer ein Extra-Tellerchen mit ein paar Kuchenkrümeln bereit, etwas abseits der Tafel, und hoffe, dass sie sich damit zufriedengeben. Wenn der Invasion nicht Einhalt zu gebieten ist, sollte man sich, anstatt ein Massaker zu begehen, ins Wohnzimmer zurückziehen. Man will ja nicht mitschuldig am Insektensterben sein. 

 

Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

Foto: Pixabay

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Patrick Meiser / 03.09.2023

Also wenn ich mir das Foto so anschaue, der Boden ist ja trocken wie ein Furz und wahrscheinlich hart wie eine Spanplatte, weil er einfach viel zu dünn ist. Als Kenner empfehle ich dem Autor “Quetschekuche mit Bibbelsches Bohnesupp’” zum Mittag. Der spätnachmittagliche Besuch im Biergarten mag alsdann den Tag abrunden.

Bernhard Piosczyk / 03.09.2023

Aus Zwetschgen kann man auch Powidl machen. Als Füllung für Klöße und Kuchen. Ganz früher wurde das auf dem Land ( Österreich/ Schlesien) gemacht. Schmeckt wunderbar.

Klaus Keller / 03.09.2023

...ein wenig Zimtzucker… Probieren Sie mal folgendes. Nehmen sie eine kleine Menge mit Hilfe eines Teelöffels und platzieren Sie die auf ihrer Zunge. Wichtig ist, das Sie sich dabei die Nasenlöcher zu halten. Am Besten ist es wenn sie sich den Teelöffel anreichen lassen und Sie vorher schon die Nasenlöcher verschlossen haben. Lassen sie sich ein wenig Zeit (30 Sekunden bis 1 Minute) bevor Sie die Nasenlöcher öffnen. Keine Angst, es wird nichts schlimmes passieren. Anschließend Wissen Sie warum ihnen bei einer Erkältung nichts schmeckt.

Gerd Maar / 03.09.2023

Falls Sie mal in Grossbritannien sein sollten: Unbedingt Damson-Jam mitbringen! Die Damaszenerzwetschge wächst nur dort,  und die daraus hergestellte Konfitüre ist ein Traum. Unvergleichlich viel besser als das hiesige Pflaumenmus.

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Georg Etscheit / 21.04.2024 / 12:00 / 23

Cancel Cuisine: Kräuterküche

Naturverbundene Großstädter meinen, ein Leben im Einklang mit der Schöpfung zu führen, wenn sie sich allerlei wildes Grünzeug aneignen, das früher unter Unkraut lief, um…/ mehr

Georg Etscheit / 17.03.2024 / 14:00 / 19

Cancel Cuisine: Kopfsalat

Auf vielen Speisekarten taucht gerade ein „ganz besonderes Gericht“: ein Salatkopf im Ganzen, nur mit etwas Dressing verfeinert. Für mich ist ein roh servierter Salat kein Gericht, allenfalls…/ mehr

Georg Etscheit / 10.03.2024 / 12:00 / 29

Cancel Cuisine: Fleischersatz von Bill Gates

Bill Gates investiert Millionen und Milliarden Dollar in Dinge, die ihm wichtig erscheinen. Zum Beispiel in die Landwirtschaft. Und in Fleisch aus dem Drucker. „Ich denke,…/ mehr

Georg Etscheit / 03.03.2024 / 12:00 / 7

Cancel Cuisine: Spaghetti alle vongole

Ein Abend Italienurlaub lässt sich auch in der heimischen Küche mit Pasta und Venusmuscheln simulieren. Hier steht, wie's geht. Was wäre die Welt ohne Katastrophenszenarien? Klimawandel,…/ mehr

Georg Etscheit / 25.02.2024 / 12:00 / 19

Cancel Cuisine: Über Profigeräte

In Besserverdiener-Haushalten finden sich immer öfter beeindruckende Apparate – von der Kaffeemaschine bis zum Racletteofen. Ich meine, Profigeräte sollten Profis vorbehalten bleiben. „Soll ich dir einen Espresso…/ mehr

Georg Etscheit / 18.02.2024 / 12:00 / 24

Cancel Cuisine: Cem und das Tierwohl

Cem Özdemir plant eine „Tierwohlabgabe“ auf bestimmte tierische Produkte. Eine neue Etappe auf dem Weg ins Veggie-Paradies. Langsam wird es ermüdend, immer wieder auf die…/ mehr

Georg Etscheit / 11.02.2024 / 13:00 / 16

Cancel Cuisine: Saures Lüngerl

Jenseits von Leber und Nierchen sind Innereien in unserer Küche schon lange aus der Mode gekommen. Leider, muss man sagen, denn da entgeht uns was.…/ mehr

Georg Etscheit / 04.02.2024 / 10:00 / 64

Cancel Cuisine: Der Discounter – Schmelztiegel der Nation 

Bisher mied der Autor Discounter wie Aldi, Lidl oder Penny, doch räumt er nun ein, einen Sinneswandel durchgemacht zu haben. Habe ich mich verhört? Hat…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com