Bald beginnt die Zeit des Zwetschgendatschis (-kuchens). Hier steht, wie man ihn am besten hinkriegt. Und: nein, Zwetschgen sind keine Pflaumen (nur eine Unterart), unterscheiden sich äußerlich und geschmacklich von ihnen.
Wenn sich der Sommer im August seinem erwartbaren Ende zuneigt, beginnt die Zwetschgensaison und mit ihr die Zeit des Zwetschgendatschis, wie in Süddeutschland Zwetschgenkuchen genannt wird. Ein Datschi ist nichts weiter als ein Teigboden, in den Früchte hineingedrückt – gedatscht – werden. Das geht prinzipiell auch mit vielen anderen Früchten, etwa Äpfeln oder Marillen. Aber für mich ist ein Datschi immer ein Zwetschgendatschi, nicht zuletzt wegen des pikanten, etwas bitteren Aromas echter Zwetschgen, stammen sie nun aus dem berühmten Bühl bei Baden-Baden oder dem eigenen Garten.
Richtig gelungenen Zwetschgendatschi gibts leider selten, wie alles Gute. Meist ist der Teig zu dick, sind die Früchte zu weich und zu süß, was den Datschi spätestens nach einem Tag in einen „Batz“ (bayerisch für „Matsch“ oder „Brei“) verwandelt. Doch manchmal kann man eine freudige Überraschung erleben: Einen Datschi, wie er sein muss, aß ich jetzt in einem eher unscheinbaren Biergarten an der Isar südlich von München.
Zwischen dem schönen Kloster Schäftlarn und dem Isarwehr bei Icking liegt direkt am Isarkanal, der das Denkmal geschützte Wasserkraftwerk Mühltal speist, der Weiler Aumühle. Dort gibt es nicht nur eine beliebte Fischzucht, sondern auch ein seit vielen Jahren in Familienbesitz befindliches Gasthaus, das so heißt wie der Ort: Gasthaus Aumühle.
Die dicken, mit Wasser aufgepumpten und oft viel zu süßen Pflaumen meiden!
Die Wirtin backt ihre Kuchen selbst, darunter puristischen Datschi mit einem extrem dünnen, kross gebackenen Hefeboden, obenauf schön säuerliche, feste Zwetschgen und ein wenig Zimtzucker. Fertig! Natürlich verzichtet sie auf den schaurig-glibbrigen Tortenüberzug von Dr. Oetker, wie er einem andernorts so oft begegnet. Mit guter Schlagsahne, die hier ganz offensichtlich nicht aus dem Fertigspender kommt, ein vollendeter, spätsommerlicher Kaffeeklatschgenuss.
Natürlich kann man für einen Zwetschgendatschi auch einen Mürbeteig verwenden oder einen Rührteig, in dem die Früchte regelrecht versinken. Doch für mich geht nichts über das Original mit Hefeboden, am besten flach ausgebacken auf einem Backblech. Auf jeden Fall sollte man echte Zwetschgen verwenden, keine dicken, mit Wasser aufgepumpten und oft viel zu süßen Pflaumen. Fest sollten sie sein, weil sie sonst beim Backen und nach dem Abkühlen suppen und den delikaten Kontrast von kross und mürbe zunichte machen. Ob man obenauf noch Butterstreusel bröckelt, ist Geschmackssache. Für mich wird der Kuchen damit unnötig schwer, denn das Schöne an einem Datschi ist auch seine Frische und relative Leichtigkeit.
Ich selbst kenne Zwetschgendatschi nur als Hauptakteur einer Kaffeetafel, manchmal auch als Dessert à la francaise. Doch in der Pfalz, in Rheinhessen und im Saarland ist es durchaus Sitte, einen Pflaumenkuchen, vulgo Quetschekuche, zu einer Kartoffelsuppe, vulgo Grumbeersupp, oder Bibbelesches Bohnesupp, vulgo Grüne Bohnensuppe, zu essen. Erinnert etwas an das Kölner Traditionsgericht Himmel un Äd, die süß-saure Verbindung von Äpfeln und Erdäpfeln, kombiniert mit gebratener Blutwurst. Probiert habe ich die Zwetschgendatschi-Eintopf-Kombi noch nicht.
Beim Genuss eines Zwetschgendatschis draußen auf der Terrasse bekommt man im Spätsommer oft unliebsame Konkurrenz in Gestalt von Wespen, manchmal auch Hornisse, die genau wie wir Menschen wissen, was gut schmeckt. Ich stelle ihnen immer ein Extra-Tellerchen mit ein paar Kuchenkrümeln bereit, etwas abseits der Tafel, und hoffe, dass sie sich damit zufriedengeben. Wenn der Invasion nicht Einhalt zu gebieten ist, sollte man sich, anstatt ein Massaker zu begehen, ins Wohnzimmer zurückziehen. Man will ja nicht mitschuldig am Insektensterben sein.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.