Georg Etscheit / 09.04.2023 / 12:00 / Foto: Ceeseven / 5 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Soufflés und andere Luftikusse

Heute geht es um allerlei Aufgeblasenes: Soufflé, Chouquettes, Gougères.

Ein Soufflé ist dem Wortsinn nach etwas Aufgeblasenes. Es besteht vor allem aus – Luft. Derzeit herrscht Hoch-Zeit für Soufflés, vor allem in der Politik. In aufgeblasenem Zustand machen Soufflés einiges her, doch sie sind extrem anfällig für Störungen. Wenn man beispielsweise ein Käsesoufflé im Ofen hat – später mehr zu dieser Köstlichkeit – und zu früh die Ofentür öffnet, um nachzuschauen, ob es schon fertig ist, fällt es zusammen wie ein… Soufflé eben. Dann bleibt nicht viel übrig von der luftig-leichten Herrlichkeit. Keine Ahnung, wie man ein Soufflé machte, als es noch keine gläsernen Backofentüren gab und keine hitzebeständigen Lämpchen zur Ausleuchtung der Bratröhre.

Eng mit Soufflés verwandt sind Schäume. Schäume sind gerade en vogue in der Gourmetküche. Sie dienen als Ersatz für Saucen und schmecken oft nach wenig bis nichts, weil Luft keinen Geschmack hat. Aber sie vermitteln den Eindruck von Leichtigkeit und sind attraktiv für Feinschmecker, die sich zwar gerne ein Acht-Gänge-Menü einverleiben, aber dabei, Gott bewahre, kein Gramm zunehmen wollen. Saucen, denen Butter und Sahne ihren Geschmack verleiht, können das nicht leisten. Also wird in den Sterne- und Haubenküchen geschlagen und geschäumt, was das Zeug hält und man sollte die Hoffnung nie aufgeben, dass das Geblubber nicht schon auf dem Weg zum Gast sein ätherisches Leben aushaucht.

Die meisten Hobbyköche haben Angst vor einem Soufflé, wie sie Angst davor haben, eine Sauce Hollandaise herzustellen. Dabei kann man gar nicht so viel falsch machen, wie man denkt. Zunächst muss ein Brandteig zubereitet werden, französisch eine pate a choux. Das ist dieselbe Masse, aus der Eclairs bestehen oder die hierzulande fast nie erhältlichen Chouquettes. Ich habe sie bei meinen gelegentlichen Berlin-Besuchen immer in der Fressabteilung des KaDeWe kaufen können, und zwar am Stand des Pariser Luxuspatissiers Lenôtre. Sie sind außen knusprig, innen knetschig; der Teig schmeckt leicht salzig, obwohl sie mit grobem Hagelzucker bestreut werden. 

Bei Lenôtre im KaDeWe aus dem Sortiment geworfen

Bei meinem letzten Besuch musste ich betrübt feststellen, dass man sie aus dem Sortiment geworfen hatte – wahrscheinlich in Bezug auf Textur und Geschmack zu komplex für deutsche Durchschnittskonsumenten und vor allem für die vielen Touristen in Deutschlands angesagtester Feinschmeckeretage. Jetzt bleibt für mich noch die kleine Münchner Boulangeriekette Dompierre, wo Chouquettes aber ein wenig anders schmecken als weiland im KaDeWe. Nicht so gut, finde ich. Lenôtre ist eben Lenôtre. Oder war Lenôtre?

Dompierre hatte auch mal Gougères im Angebot, das sind gewissermaßen Chouquettes, die mit Käse statt Zucker pikant zubereitet werden. Im frischen, am besten noch warmen Zustand ein göttlicher Snack zu einem Glas Wein. Doch leider wurden sie ähnlich den Chouquettes bei Lenôtre in Berlin ausgemustert, angeblich aus Personalmangel, wie mir eine Verkäuferin bei Dompierre sagte. Ich fürchte allerdings, dass sich für die hierzulande kaum bekannte Gebäckspezialität aus Frankreich nicht genug Abnehmer fanden. Und nach einem Tag sind Gougères wie Chouquettes nicht mehr so delikat, dass man sie noch guten Gewissens verkaufen könnte. Also bleibt nur eines: selber backen.

Zurück zum Soufflé und zum Brandteig. Für einen Brandteig (auch Brandmasse) muss man zunächst aus zerlassener Butter und Mehl eine helle Roux herstellen, eine dicke Mehlschwitze. Dann etwa Milch dazugeben, salzen, pfeffern und mit Muskat würzen, weiterkochen. In einem anderen Topf Eigelb mit Sahne vermischen und zu der verlängerten Roux geben, die aber noch keine Béchamelsauce geworden ist. In die warme Creme kommt der geriebene Käse, etwa ein würziger (!) Bergkäse, Gruyère, Emmentaler oder Comté. Wenn man die Masse nun in einen Spritzbeutel füllen und portionsweise auf ein Backblech spritzen würde, erhielte man – im Prinzip – Gougères, ob mit oder ohne Speck.

Ein Luftgebilde, aber keineswegs leicht

Hebt man noch sehr steif geschlagenen Eischnee unter, ist man auf dem hoffentlich glücklichen Weg zu einem Soufflé. Wichtig: Die Butter-Mehl-Ei-Käsemasse darf nur noch höchstens lauwarm sein, wenn man den Eischnee unterzieht, sonst zerläuft er. Dann muss man die Masse vorsichtig in eine Souffléform oder mehrere Förmchen füllen und ab in den Ofen. 

Mit etwas Glück und wenn das Licht in der Backröhre nicht ausgefallen ist, geht das Soufflé bald in die Höhe und bildet im Idealfall eine Art Haube. Sobald diese nach zwanzig bis dreißig Minuten eine goldbraune Farbe angenommen hat, kann man das Soufflé einigermaßen gefahrlos aus dem Ofen nehmen und sollte es noch warm servieren. Vorher muss man sich mit der Messerprobe vergewissern, dass die Masse auch innen gar ist. Falls nicht, weiterbacken und eine Alufolie obenauf legen, damit die Haube nicht verbrennt. Zu einem Käsesoufflé sollte man Salat reichen und einen gehaltvollen Weißwein, am besten einen guten Chardonnay aus dem Burgund. Als Vorspeise halte ich ein Käsesoufflé fast schon für zu reichhaltig. Denn man sollte nicht meinen, dass dieses Luftgebilde leicht ist, ganz im Gegenteil, dafür bürgt schon der Käse. Und deswegen findet man es auf Speisekarten so gut wie nie, leiderleider.

Natürlich kann man ein Käsesoufflé auch anstelle eines Käsegangs auftischen. Wenn man nicht gleich ein süßes Soufflé zaubert, vielleicht ein Soufflé au Grand Marnier. Oder einen mit viel Sahne gefüllten Windbeutel, der auch aus Brandteig gemacht wird. Da man zumindest jetzt in der Osterzeit der Politik entsagen sollte, spare ich mir einschlägigen Vergleiche. Windbeutel, wie sie etwa im Traditionscafé Windbeutelgräfin im oberbayerischen Ruhpolding verkauft werden, sind ein eigenes Thema, kulinarisch wie politisch. Zu gegebener Zeit mehr dazu. 

 

Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

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Leserpost

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Thomas Szabo / 09.04.2023

Der luftige Gänseleberschaum im Restaurant Gundel in Budapest gestern war ein Geschmackserlebnis. Das 4 Gängemenü für 60€ pro Nase war günstig. (+ 2 kleine gratis Zwischengänge) Mit einigen Gläsern der Weinspezialitäten war unsere Rechnung für 2 gleich auf 300€ (Auf dem Rückweg hatte ich kein Kleingeld mehr und ich war mir nicht sicher, ob die zahlreichen Bettler auch Bankomat akzeptieren.) Ich kann das traditionsreichste ungarische Restaurant (gegründet 1894) wärmstens empfehlen. Budapest wirkt etwas dystopisch, Armut & Luxus, Pracht & Verfall. Es wird fleißig restauriert und auf Hochglanz poliert. Statuen die von den Kommunisten eingeschmolzen wurden, werden nachgegossen, alle leeren Plätze mit irgendwelchen Bronzen variabler Qualität voll gerammelt. Die im Krieg zerbombten und später abgerissenen Palais auf der Burg ragen schon als kahle Betongerüste gen Himmel, bereit um mit Stück kostümiert zu werden. Die authentischen & malerischen Einschusslöcher leider zugepflastert. Die hätte ich als Memento belassen.

Oliver Claus / 09.04.2023

Vielen Dank für die Würdigung der Gougeres. Ich habe diese vor vielen Jahren im Burgund kennen- und Lieben gelernt. Jetzt mache ich sie mit gutem Erfolg selber. Hat leider einige Dutzend Eier und Mehl und Butter gekostet, bis ich den Brandteig richtig hinbekommen habe. Bei uns in der Region Basel gibt es einen Bauern der die schönsten Eier in der ganzen Region hat. Dazu noch einen Gruyere von einem mehrfachen Weltmeister im Emmental…

Ludwig Luhmann / 09.04.2023

... “pate a choux” ...——-> Das sieht aus wie ein trostloses,  nacktes Massaker ... ...

Peter Zinga / 09.04.2023

Nicht nur Deutsche. Die Carrefour -Kette ist aus Tschechien ausgezogen, weil meisten Tschechen nicht bereit sind, etwas mehr Geld für Qualität auszugeben. Jetz haben wir Kaufland, Penny, Billa, Lidl, Aldi und britische TESCO. Kaufland hatte am Anfang breite Preis-sortiment, dan konzertrierte sich auf billiges und jetz wurde ein bischen Angebot wieder Bunter. Tschechen beim Essen sparen, damit sich Luxusklasse von Mobil kaufen kőnnen.

Andreas Elmshorner / 09.04.2023

Mein Lieblingssoufflé ist ganz einfach herzustellen. Man stellt sich ins Treppenhaus, dann kommt langjährige Nachbarin vorbeigehüpft, von ihr bekommt man dann gutgelaunten Kuß, das nennt sich dann Negerkuß, weil sie ist etwas dunklerer Hautfarbe, und wünscht einander guten Tag.

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