Manfred Haferburg / 22.09.2017 / 18:42 / Foto: Chrislb / 26 / Seite ausdrucken

Bürgschaften: Gut sein soll nix mehr kosten

In den Jahren 2013/14 haben zahlreiche Bürger für syrische Flüchtlinge gebürgt, um ihnen die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen. Jetzt verlangen die Jobcenter von ihnen die entstandenen Sozial-Kosten zurück.

Eine Bürgschaft ist in § 765 des Bürgerlichen Gesetzbuches definiert. Man spricht deshalb auch von „BGB-Bürgschaft“. Demnach handelt es sich dabei um einen rechtlich bindenden Vertrag mit einer einseitigen Verpflichtung. In diesem Vertrag verpflichtet sich ein Bürge gegenüber einem Gläubiger, dass er für aktuelle, zukünftige oder bedingte Verbindlichkeiten des Schuldners einsteht und dafür mit seinem eigenen gesamten Vermögen haftet.

Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) fordert nun von der Bundesregierung eine finanzielle Entlastung für Helfer, die für Flüchtlinge gebürgt haben. Wer im Zuge der humanitären Aufnahmeprogramme von Bund und Ländern in den Jahren 2013 und 2014 Verpflichtungserklärungen für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge abgegeben habe, um diesen die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen, müsse vollständig von Folgekosten verschont werden.

Die Übernahme von Verantwortung und moralisches sowie ethisches Handeln werden in dieser Situation bestraft, nicht gefördert“, kritisierte Stamp. Dies stelle „ein handfestes und in einzelnen Fällen gar existenzbedrohendes Problem“ dar. „Ich halte es für nicht hinnehmbar, dass unterstellt wird, die Bürgen – als juristische Laien – hätten sich dieser zeitlichen Dimension ihrer Einstandspflicht bewusst sein müssen“.

Wird jemand "bestraft", wenn er die Konsequenzen einer eigenverantwortlichen Entscheidung tragen muss, so wie es im Gesetz vorgesehen ist? Will ein Minister der Rechtsstaatspartei FDP die geltende Gesetzeslage rückwirkend ändern? Gilt die Forderung auch für andere Bürgschaften, die man unter „ethischem Handeln“ einordnen könnte? Und was wird aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz Artikel 3 GG?

Anmerkung: Die Achse hat mit mehreren Beiträgen schon frühzeitig hier und hier darauf hingewiesen, welche Risiken solche Bürgschaften beinhalten.

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Leserpost

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Stephan Jankowiak / 23.09.2017

Nachtrag: Ich habe prompt eine Antwort des cc gesetzten Christian Lindner erhalten, die ich nicht zurückhalten möchte und deren Inhalte die Vorwürfe Richtung Hr. Stamp m.E. stark relativieren: “Guten Tag, bereits vor der großen Flüchtlingswelle gab es humanitäre Aufnahmeprogramme für syrische Kriegsflüchtlinge. Diese waren teilweise daran gebunden, dass für entstehende Kosten durch Personen in Deutschland gebürgt wird. Den Bürgern aus Nordrhein-Westfalen wurde von der damaligen rot-grünen Landesregierung offiziell vermittelt, dass die Bürgschaft mit der Anerkennung als Flüchtling endet, dass heißt, es war mit einem Bürgschaftsrahmen bis zum Ende des Verfahrens zu rechnen. Diese Auffassung der damaligen Landesregierung ist später gerichtlich anders bewertet worden. Nun werden Bürgen für einen Zeitraum zusätzlich belastet, von dem sie nichts wussten. Sie waren von offizieller Seite falsch informiert. Daher habe ich Ministerin Nahles gebeten, hier eine verträgliche Lösung zu finden. Die aufgelaufenen Kosten bis zur Entscheidung über den Antrag sind selbstverständlich weiterhin von den Bürgen zu tragen. Ich denke, es ist auch für das Vertrauen in unseren Staat notwendig, dass Bürger, die privates Geld für Kriegsopfer (nachweislich ging es nur um syrische Kriegsflüchtlinge und nicht sonstige Migranten) ausgegeben haben, nicht über Gebühr zusätzlich belastet werden aufgrund der Fehlinformation staatlicher Stellen. Alles Gute für Sie, Christian Lindner”

Stephan Jankowiak / 23.09.2017

Habe Hr. Stamp, cc. Hr. Lindner soeben folgende Mail geschickt: “Guten Tag, ehrlich gesagt, muß ich sagen, daß Ihr Namen mir bis eben überhaupt nichts sagte. Auch wenn ich Ihre Partei in NRW gewählt habe und bis eben der Überzeugung war, daß die FDP die einzige Partei sei, die meine Stimmen am 24.9. bekommt. Wenn der von welt.de o.g. präsentierte Artikel stimmt, plädieren Sie dafür, diejenigen “Bürgern”, die eine BGB-Bürgschaft für ins deutsche Sozialnetz geflüchtete Araber/Moslems eingegangen sind, von den Folgen ihres eigenverantwortlichen Handelns zu entlasten. Geht’s noch? Das von einem Vertreter der Partei, die ich gerade wegen des Abstellens auf Eigenverantwortlichkeit präferiere. Ist die FDP entgegen den Aussagen Ihres geschätzten Vorsitzenden Hr. Lindner zumindest in Teile auch schon wie Merkels CDU soweit links? Personen mit Aussagen wie Ihren sind die wahren Schuldigen und Förderer von Wahlverweigerung und AfD-Stimmen. Ist dies das Kalkül der politischen Kalkül? Ein Wahlverhalten fördern, daß den Status Quo etabliert? “

Thomas Nuszkowski / 23.09.2017

Die FDP tritt für den Erhalt der Rechtsstaatlichkeit nur ein, wenn die Rechtsstaatlichkeit nicht in Gefahr ist. Jetzt ist sie in Gefahr, und nicht zuletzt durch die FDP selbst, die durch die im Artikel beschriebene künftige Regelung nebenbei auch noch der politischen Korruption Vorschub leistet. Motto: Wer der Regierung beim Brechen der Gesetze hilft, dem wird geholfen.

Holger Lensing / 23.09.2017

Welchen Sinn hat denn eine Bürgschaft, wenn man nicht mehr auf sie zurückgreifen können soll?  Das nimmt der Bürgschaft doch jeglichen Sinn! Bürgschaften sind eben keine hohlen Phrasen, sondern rechtsverbindliche Willenserklärungen - gegebenenfalls mit Folgen! Und wer die im Rahmen der gutmenschlichen Symbolpolitik nicht bedacht hat, dem sei gesagt: 1. Dummheit schützt vor Strafe nicht, und 2. Aus Schaden wird man klug.  Herr Stamp will doch hoffentlich nicht verhindern, dass die Bürger in NRW klüger werden!?

Andreas Rochow / 23.09.2017

Vielleicht wird demnächst noch das Gefühlsrecht eingeführt, damit sich Bürgen wieder lohnt. Dann aber bitteschön für alle!

Thomas Ermentrud / 23.09.2017

Der gutbezahlte (Neid, gel?) Integrationsminister Stamp hat recht. Die Bürgen sind infantil, beseelt vom Glauben Gutes zu tun, berauscht von der eigenen Güte und trotzig gegenüber den Menschen, die es wagen, ihren Verstand zu gebrauchen. Erinnert mich an Omis, die eine Arche Noah bauen und 40 Katzen in ihrer zwei-Zimmer-Wohnung beherbergen. Wir dürfen die Menschen nicht dafür bestrafen, dass sie ein XXL-Herz haben.

Leo Hohensee / 22.09.2017

“Teddybären-werfen” ist das eine, - eine Bürgschaft eingehen ist etwas anderes. Wenn Sie sich also “exponiert” zur Übernahme einer Bürgschaft entschieden haben, dann haben Sie auch rechtlich dafür einzustehen ! Fertig ! Dass es da eine Bundesregierung giebt deren Stellen einen möglichen Verantwortungs-Umfang und mögliche Auswirkungen verschleiert haben, ist etwas anderes. Also - kein Euro von meinem Steuergeld für die Entschädigung Ihrer Hofart / Selbstgefälligkeit. Verklagen Sie gefälligst den Täuscher aus der Regierung ! Beste Grüße L.H.

Karla Kuhn / 22.09.2017

“....müsse vollständig von Folgekosten verschont werden….” Das ist RECHTSBEUGUNG ²,  der Mann ist untragbar und so einer will Politik mitgestalten ?  Merkel öffnet die Grenzen und Stamp will jetzt mit zweierlei Maß messen ?? Ich kann nur hoffen, daß der Albtraum bald vorüber ist.  Das ist ja nicht zu fassen. Wer bürgt, egal für wen MUß dafür gerade stehen.wenn ein Bürge sich vorher nicht kundig gemacht hat, ist es sein Problem, Unwissenheit schützt nicht vor Strafe.  Wenn ihm von einem Amt versichert wurde, daß er nicht zahlen muß, falls Zahlungsunfähigkeit des Schuldners besteht, ist es ebenfalls sein Problem. Dann mache ich mich bei einer kompetenten Stelle, Anwalt oder Rechtsabt. der Verbraucherberatung kundig und glaube nicht jeden Mist. Ja, Gutmensch sein ist leicht aber die Konsequenzen zu tragen eben nicht eben nicht. Dann soll der Steuerzahler wieder aufkommen, nee. SO NICHT !!

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