Von Peter Bereit.
Nicht nur ich frage mich des Öfteren, was unsere TV-Sender machen würden, gäbe es das Verbrechen nicht. Man müsste es erfinden oder sich mit noch mehr Talkrunden mit Claudia Roth, Peter Altmaier und Katja Kipping trösten, was allerdings schwer möglich wäre.
In früheren Jahren hielten Mord und Totschlag meistens nur an den Wochenenden Einzug in deutsche Wohnzimmer. Heute laufen nahezu täglich die immer brutaleren und absurderen Halluzinationen von Drehbuchautoren über die Bildschirme; nicht nur in den Ballungsräumen wird totgeschlagen und gemordet, nein, selbst im Spreewald und im schönen Stralsund, schlägt das Böse erbarmungslos zu. Was macht das Verbrechen so reizvoll und anziehend für Menschen, die ansonsten jedem Schatten aus dem Wege gehen und über jeden Fußgänger schimpfen, der bei Rot über die Straße eilt?
Vermutlich ist es die bequeme Position des Voyeurs und die Gewissheit, selbst nicht betroffen zu sein. Konnte man sich früher sehr schnell auf die Seite der oder des Guten schlagen und sich so positionieren, fällt das heute schwer. Die Grenzen zwischen Gut und Böse sind fließend. Geblieben ist die Gewissheit der Zuschauer, dass zuletzt ein cleverer Kommissar, fast immer in Zusammenarbeit mit dem unausweichlichen SEK, das Problem löst und den Übeltäter zur Strecke bringt.
Mal abgesehen von dem filmischen Klischee, dass alle Kriminalkommissare zumeist schlampig gekleidet, unausgeschlafen und schlecht gelaunt sind und wenig Geschmack bei der Einrichtung der eigenen Wohnung beweisen, ist eines wohl real - sie können häufig auf gestörte Familienverhältnisse verweisen, die dem Dienst geschuldet sind. Der Fernsehzuschauer überträgt in Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse bei der Polizei seine virtuellen Eindrücke auf die Realität. Viele Bürger sind der Meinung, clevere, hochmotivierte, gut ausgebildete und technisch hervorragend ausgestattete Beamte der Schutz- und Kriminalpolizei leisten einen Dienst, der von der Gesellschaft hochgeachtet und überdies gut bezahlt wird.
Alle ziehen an einem Strang. Aber in verschiedene Richtungen
Die Realität sieht ganz anders aussieht. Nicht etwa, dass es die hochmotivierten Beamten nicht gäbe, die ihren Beruf als eine Art Berufung betrachteten und aufgrund mangelnder Alternativen ihre Familien und sich selbst hintanstellen. Es gibt sie. Doch viele von ihnen sind dabei zu resignieren, weil sie einer Politik, der Gesellschaft und der eigenen Behörde gegenüberstehen, die alle behaupten, an einem Strang zu ziehen, doch dies in verschiedene Richtungen tun.
Die Politik betont ständig, Krimininalitätsvorbeugung und Kriminalitätsbekämpfung seien gesamtgesellschaftliche Aufgaben; allerlei Schlaumeier können es nicht lassen, der Polizei gute Ratschläge zu erteilen. Dabei fehlt es seit Jahrzehnten an einer klaren Vorstellung und somit Zielstellung dahingehend, wohin sich diese Gesellschaft in Fragen der Ordnung und der Sicherheit bewegen soll. Und weil diese Zielstellung fehlt, fehlt es auch bei der Polizei in Berlin - nur um die soll es hier und heute gehen - an tragfähigen Konzepten für die Zukunft. Der unglaubliche Mangel an allen Ecken und Enden wird rücksichtslos auf den Rücken der Beamten und deren Familien und der Bürger ausgetragen.
Die Gewerkschaft der Polizei, speziell die Polizeidirektion 4, hat hierzu einen Offenen Brief an den Berliner Polizeipräsidenten, Herrn Kandt, verfasst. Ich bewundere den Mut, der so vor einigen Jahren noch unmöglich gewesen wäre, weil überall ein karrieristischer Selbsterhaltungstrieb nahezu jede Kritik verhinderte. Not und Verzweiflung müssen endlich groß genug sein, um einen solchen Schritt zu wagen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch dieser Hilfeschrei in den Fluren des Präsidiums ungehört verhallt. Doch da er nicht nur die Polizeibeamten, sondern die Bürger Berlins maßgeblich tangiert, halte ich es für notwendig, ihn hier zu publizieren.
Lesen Sie bitte, wo die Hauptstadt Deutschlands in Fragen Ordnung und Sicherheit steht und beantworten sie sich die Frage, ob und wir es schaffen, den Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft gerecht zu werden.
Offener Brief der GdP Direktion 4 an Polizeipräsident Klaus Kandt
Sehr geehrter Herr Polizeipräsident Kandt,
in Ihrer Mitarbeiter-Info räumen Sie ein, dass Berlins Polizeidienstkräfte bei Bundesbehörden wie auch anderen Länderpolizeien heiß begehrt sind. Das hat seinen Grund. Ihre Beschäftigten leisten verdammt gute Arbeit! Und das seit vielen Jahren unter widrigsten Bedingungen in puncto Ausstattung, Ausrüstung, Arbeitsplatz und Arbeitszeit. Und: Mit der deutschlandweit miesesten Bezahlung! Wer unter solchen Voraussetzungen dauerhaft eine derart hochwertige Leistung abliefert, weckt unweigerlich das Interesse anderer Behörden. Nebenbei gefragt: Haben Sie eigentlich ein Angebot vorliegen?
Zwar äußern Sie Verständnis für die unerträgliche Arbeitssituation und die nicht angemessene Bezahlung und den daraus resultierenden Wechselwunsch Ihrer Beschäftigten. Dennoch nehmen Sie sich das Recht heraus, den wechselwilligen Kolleginnen und Kollegen eine außerhalb der Polizei Berlin liegende Zukunft zu verbauen.
Für die Wechselwunschmotive der Kolleginnen und Kollegen tragen Sie eine nicht unerhebliche Mitverantwortung. Dies, aber auch Ihre eigene Vita, haben unter den Kolleginnen und Kollegen nach Veröffentlichung Ihrer Mitarbeiterinformation für erheblichen Unmut gesorgt.
1986 wechselten Sie vom damaligen BGS (Vorläufer der Bundespolizei) zur Polizei Berlin. Die Berliner Polizei ermöglichte Ihnen 1990 den Weg nach Hiltrup. Trotz dieser für das Land Berlin kostenträchtigen Ausbildung für den höheren Dienst wurde Ihnen bereits 1993 der Wechsel zur Polizei Brandenburg ermöglicht. 2008 ließ Sie die Polizei Brandenburg zur Bundespolizei ziehen. 2012 kehrten Sie als Polizeipräsident zur Berliner Landespolizei zurück. Wäre Ihnen eine solche Karriere bis zum Spitzenamt auch dann möglich gewesen, wenn sich Bundespolizei, Polizei Brandenburg und Polizei Berlin Ihren gleich mehrfachen Wechsel- wünschen in den Weg gestellt hätten?
Obwohl Sie selbst erheblichen Profit aus mehreren Wechseln des Dienstherrn schlugen, wollen Sie diesen jetzt Ihren nachgeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern versagen. Ihre Begründung, infolge der Personalnot auf niemanden verzichten zu können, ist zugleich das desaströse Fazit Ihrer Amtsbilanz, für die nun andere die Zeche zahlen müssen.
Sie mögen das Amt des Polizeipräsidenten innehaben. Ausgefüllt haben Sie es aber eher wie ein überforderter Insolvenzverwalter. Ihnen fehlt es an jeglichem Gestaltungswillen, um die Hauptstadtpolizei in schweren Zeiten voran zu bringen. Ihnen fehlt es an jeglichem Engagement, sich für Ihre Beschäftigten einzusetzen.
Sie haben eine Behörde mit extrem vielen Problemen geschaffen
In Ihrer Mitarbeiterinfo geben Sie zu verstehen, die Wechselmotive der Kolleginnen und Kollegen seien Ihnen bekannt – Bezahlung und Arbeitszeit.
Wann haben Sie sich für eine faire Bezahlung Ihrer Beamten und Tarifbeschäftigten eingesetzt?
Zur Erinnerung: Als es die Kolleginnen und Kollegen mithilfe der Volksinitiative „amtsangemessene Alimentation“ selbst in die Hand nahmen, wurde dies aktiv behindert. Eine Info-Mail wurde zurückgerufen. Die Unterschriften mussten auf den Dienststellen „unter` m Tisch“ gesammelt werden.
Wann also haben Sie eine gesetzlich geregelte Besoldungsanpassung an den Bundesdurchschnitt mit einer zeitlich klaren Perspektive eingefordert? Wann haben Sie sich zum Wohle der Tarifbeschäftigten für eine sichere Besitzstandswahrung (§ 29 a TV- ÜL) stark gemacht? Wo waren Ihre Initiativen, über die Erschwerniszulagen- verordnung zumindest Ihren im Schicht- dienst arbeitenden Basisdienstkräften etwas Gutes zukommen zu lassen? Wo waren Ihre Auftritte für mehr Beförderungsoptionen in der Polizei, der in den 90er Jahren die zweigeteilte Laufbahn versprochen wurde? Das sind lediglich die Fragen, zu denen bloß Impulse von Ihnen in Richtung Politik gefragt gewesen wären.
Behördenintern haben Sie kaum wieder gutzumachenden Schaden angerichtet
Sie haben aus sachlich nicht nachvollziehbaren Motiven eine national anerkannte und preisgekrönte Polizeiverwaltung zerschlagen und diese als Trümmerfeld sich selbst überlassen.
Sie haben aus einer Organisationsfrage bzgl. der Schaffung einer dritten Bereitschafts- polizeiabteilung ein bürokratisches Monster namens PG EES entstehen lassen, weil Sie zu keinem Zeitpunkt Ihrer Amtszeit Herr im eigenen Hause waren. Örtliche Direktionen müssen nun wie Bittsteller um Kräfte der Bereitschaftspolizei, des Verkehrsdienstes und der Diensthundeführer betteln, die sie für ihre Aufgabenerfüllung – Kriminalitätsbekämpfung und Verkehrsraumüberwachung – dringend benötigen.
Von der versprochenen Entlastung und Verringerung von AHu-Aufstellungen kann heute keine Rede mehr sein. Das Gegenteil ist der Fall!
Auf Kosten der Gesundheit der Kolleginnen und Kollegen haben Sie neue Arbeitszeitmodelle eingeführt, in unzähligen Fällen Verstöße gegen arbeitszeitrechtliche Vorschriften bewusst gebilligt und den Kolleginnen und Kollegen fortlaufend Überstunden, Alarmierungen, Dienstzeitverlagerungen und ständige Änderungen am fixierten Dienstplan abverlangt.
Diese Zustände mit dem Personalmangel zu entschuldigen, wäre nur dann gerechtfertigt, wenn Sie sich deutlich erkennbar für mehr Personal eingesetzt hätten. Die vom Innensenator zusätzlichen 1.000 Stellen, die erst in den nächsten Jahren besetzt werden, gleichen jedoch noch nicht einmal das Bevölkerungswachstum Berlins und die weitreichenden Folgen des Verwaltungssparens aus. Wenn also eines Tages diese Stellen besetzt sein werden, erreichen wir lediglich den Ausgangspunkt der Amtszeit von Innensenator Henkel.
Ihr Nicht-Handeln erhöht die Risiken für Leben und Gesundheit Ihrer Beschäftigten
Ihre Mitarbeiter fühlen sich als Kanonenfutter missbraucht! Im Rahmen der Sicherungsmaßnahmen von Verlagshäusern infolge des Charlie-Hebdo-Terroranschlages haben die Kolleginnen und Kollegen die MP im Fahrzeug lassen müssen. Das hätte zu martialisch ausgesehen. Diese Kolleginnen und Kollegen waren potentiellen Terroristen schutzlos ausgeliefert. An der Schutzausstattung der Basisdienstler, die bei einem Terroranschlag die Ersten am Ort sein werden, haben Sie bis heute nichts verbessert. Andere Bundesländer haben längst gehandelt. Ihnen war es bis heute trotz mehrerer lebensgefährlicher Vorfälle nicht einmal möglich, Ihre Vollzugsdienstkräfte mit neuen Waffenholstern auszustatten. Von den jahrzehntealten Dienstwaffen ganz zu schweigen.
Immer wieder offenbaren Einsätze, dass der Digitalfunk Netzlöcher aufweist und die Handhabung aufgrund ungenügender Fortbildungen Probleme bereitet. Ein funktionierender und routiniert zu handhabender Funk ist die Lebensversicherung im Einsatz. Stattdessen greifen die Einsatzkräfte oft genug auf ihre privaten Handys zurück. Bis heute warten Ihre Beschäftigten auf Ihr Tätigwerden. Natürlich, die Nutzung privater Handys haben Sie nochmals ausdrücklich untersagt. Für Abhilfe in Form dienstlich gelieferter Smartphones haben Sie allerdings nicht gesorgt.
Die Ausstattung der Dienstfahrzeuge mit Splitterschutzfolien haben Sie lange Zeit vor sich hergeschoben. Selbst nachdem ein Basisdienstmitarbeiter schwere Augenverletzungen davontrug, dauerte es noch ein Jahr, bis in einer örtlichen Direktion zumindest ein neuer Probelauf auf zwei Abschnitten beginnen konnte. Den ersten Probelauf der Direktion 5 hatten Sie sabotiert, indem Sie die Direktion 5 zwangen, die finanziellen Mittel aus dem eigenen, ohnehin bereits unterfinanzierten LuV-Haushalt zu nehmen.
Auch die fortwährenden Angriffe auf Kolleginnen und Kollegen in der Rigaer Straße war für Sie kein Anlass zum Handeln. Der A 51 wurde mit dem Hass und der Gewaltbereitschaft alleine gelassen. Der Abschnitt musste sich selbst überlegen, wie unter bestmöglicher Beachtung der Eigensicherung Einsätze in der Rigaer Straße zu bewältigen seien, ohne eine polizeiliche No-Go-Area entstehen zu lassen.
Ihre Beamten und Tarifbeschäftigten sind hochgradig frustriert
Viele Dienstgebäude sind in einem beklagenswerten, teils Gesundheitsgefahren bergendem Zustand. Heruntergekommene Arbeitsräume und Sanitäranlagen werden von maroden Fenstern und zerschlissenen Böden umrahmt.
Den erschreckenden Ergebnissen der Gesundheitsstudie in der Direktion 5 aus 2013 folgten bis heute keine sichtbaren Konsequenzen.
Die betroffenen Kolleginnen und Kollegen des Schießständeskandals warten bis heute auf die versprochene, unbürokratische Hilfe. Dafür wurde diesen Kolleginnen und Kollegen zwischenzeitlich gedroht, auf den Untersuchungskosten sitzen zu bleiben, wenn man sich nicht an die Bedingungen der Behördenleitung halten würde. Über die Komplexität der Blutwertuntersuchungen wurde gefeilscht wie auf einem Basar. Der Tiefpunkt Ihrer Amtszeit war erreicht.
Ihre Erwartungen zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes gehen auf Kosten der Gesundheit und des Familienlebens Ihrer Dienstkräfte. Überstunden und Dienstplan- änderungen sind keine Ausnahme, Sie sind die Regel. 2014 hat die Polizei Berlin die magische Zahl von einer Million Überstunden im Kalenderjahr übersprungen.
Private Schwierigkeiten infolge unklarer Arbeitszeiten sind heute für viele Kolleginnen und Kollegen traurige Realität. Die Zahl psychischer Erkrankungen nimmt ebenso zu.
Der tiefsitzende Frust Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird von Politik und Behörden- leitung seit rund zwei Jahrzehnten genährt. Die Art und Weise der Einführung des Berliner Modells hat tiefe Spuren hinterlassen. Auf die Überführung in den gehobenen Dienst warten manche Dienstkräfte heute noch. Und müssen sich dafür von der Behördenleitung via Intrapol sagen lassen, hierfür selbst verantwortlich zu sein. Urlaubs- und Weihnachtsgeld wurden gestrichen bzw. gekürzt. Die Wochenarbeitszeit wurde erhöht. Die Lebensarbeitszeit wurde verlängert. Mit der Kostendämpfungspauschale und den Parkgebühren auf Dienst- geländen werden die Beschäftigten zur Kasse gebeten. Selbst Parktickets für das Dienst- fahrzeug waren zeitweilig zu verauslagen. Beförderungen wurden mit einem fiskalischen Wartejahr verzögert. Vielen verdienten Kolleginnen und Kollegen wurde ihre Jubiläums- zuwendung vorenthalten. Ausgebildete Polizeivollzugsbeamte wurden an Bund und Länder verschachert. Andere sind zeitweilig nur als 2/3-Angestellte übernommen worden; mit gravierenden finanziellen Einbußen, die sich bis zur Pension auswirken werden.
Ihre Mitarbeiterinformation ist für viele Kolleginnen und Kollegen blanker Hohn
Diese Mitarbeiterinfo ist aber auch ein Spiegelbild einer unbefriedigenden Bilanz Ihrer Amtszeit. Dass Sie es nicht einmal für nötig erachten, Ihren Beschäftigten zu versichern, in Anbetracht der Stimmungslage in unserer Behörde nunmehr die Probleme anerkannt zu haben und für Verbesserungen einzutreten, lässt nichts Gutes für die Zukunft ahnen.
Stellen Sie sich selbst die Frage, mit welchen Zielen und Vorsätzen Sie am 17.12.2012 das Amt des Berliner Polizeipräsidenten antraten und wo die Polizei Berlin heute steht. Dann werden Sie die richtigen Konsequenzen ableiten und umsetzen können.