Angeblich geht am 21. Dezember 2012 die Welt unter. Das würde der FDP so passen. Seit es menschliches Leben gibt, ist die drohende Apokalypse ein Dauerbrenner. Dabei vergessen wir, dass eine Vielzahl von Katastrophen unser Leben überhaupt erst ermöglicht hat. Ohne eine Supernova-Explosion gäbe es keine chemischen Elemente, aus denen wir alle bestehen. Wir alle sind das Abfallprodukt eines sterbenden Sterns! Und wer sich „Willkommen bei Carmen Nebel“ anschaut, bekommt ein vages Gefühl dafür.
Damit sich Leben entwickeln konnte, musste unsere Erde einerseits relativ stabil sein, aber andererseits noch genügend unangenehme Überraschungen parat haben. Eine der schlimmsten Unglücke auf diesem Planeten ereignete sich vor 65 Millionen Jahren. Damals schlug ein riesiger Meteorit ein. Dummerweise genau zu dem Zeitpunkt, als alle Dinosaurier ganz dicht beieinander standen. Sie wurden komplett ausgelöscht. Aber genau dieses Unheil war dafür verantwortlich, dass sich der Mensch auf der Erde breit machen konnte.
Immer, wenn eine Spezies ausstirbt, nutzt eine andere Art den freien Platz. Der frühe Vogel mag vielleicht den Wurm fressen, aber erst die zweite Maus bekommt den Käse.
In der Tiefsee hängt das tierische Leben davon ab, wie viele Nährstoffe vor allem in Form von Aas aus den oberen Schichten hinab sinken. Pervers, aber wahr: Je mehr oben gestorben wird, desto größer ist die Kellerparty.
Dieses Prinzip gilt ebenso in der Wirtschaft. Marktwirtschaft ist ein einziger langer Zyklus von Leben und Sterben. Konzerne werden gegründet, wachsen an und gehen irgendwann wieder pleite. Die entstehende Lücke wird von anderen genutzt, die mit innovativen Ideen neue Unternehmen gründen. Als James Watt die Dampfmaschine erfand, wurden tausende zehnjährige Jungen arbeitslos, die die Kohleloren durch die Stollen geschoben haben. Andererseits hatten sie damit die Freiheit, andere Dinge in Angriff zu nehmen. Zum Beispiel elf zu werden.
Der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter bezeichnete dieses Phänomen als „Schöpferische Zerstörung“. Eine Entwicklung, die selbst vor dem Tod nicht halt macht. Nachdem Michael Jackson dahinschied, machte er in den drei Folgemonaten mehr Umsatz als in den letzten drei Jahren davor.
Die große Pestwelle im 14. Jahrhundert hatte denselben Effekt wie eine moderne Neutronenbombe. Sie tötete zwei Drittel der europäischen Bevölkerung aber ließ Hab und Gut völlig intakt zurück. Nach dem Grauen blieb also ungeheuer viel Kapital übrig. Diese Katastrophe ermöglichte den Überlebenden, aus dem Vollen zu schöpfen. Das Zeitalter der Renaissance entstand.
Auf jede Krise reagiert die Menschheit überraschend einfallsreich. Noch vor hundert Jahren war man als Arzt praktisch nutzlos. Man hatte Morphium zum Eindämmen von Schmerzen, aber das war’s im Grunde schon. Bedingt durch zwei Weltkriege explodierte die medizinische Forschung: Penicillin, Chirurgie und Impfmittel. So grausam es klingt, aber selbst Kriege haben nicht nur negative Aspekte. Die Architektur von Duisburg oder Hannover würde durch eine Bombardierung sogar eher noch profitieren.
Warum also glauben wir dennoch, dass nach einer großen Krise die Menschheit am Ende sein wird? In dem berühmten Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ gibt es dazu eine nette Geschichte: Das hysterischste Bevölkerungsdrittel des Planeten Golgafrincham bestieg aus Angst vor einem drohenden Weltuntergang eine Arche und flog auf der Suche nach einer neuen Heimat durch das Universum. Wie sich im Nachhinein herausstellte, gab es auf Golgafrincham aber überhaupt keinen Weltuntergang. Trotzdem hatte die Sache einen Vorteil: Der Planet war nun frei von Politikern, Versicherungsvertretern und Unternehmensberatern. Die apokalyptischen Miesmacher fanden übrigens einen neuen Heimatplaneten. Vor zwei Millionen Jahren landeten sie auf der Erde.