Gunter Weißgerber / 10.09.2018 / 15:00 / Foto: Pixabay.de / 23 / Seite ausdrucken

Angela Marquardt: SPD-Brücke zu den Linksradikalen?

Angela Marquardt war zu der Zeit, als die SED noch gar nicht so lange PDS hieß und sich vom Fäulnisgeruch der gescheiterten Herrschaftspartei einer kommunistischen Diktatur befreien wollte, der junge Star inmitten meist alter Genossen. Im Punk-Outfit sollte sie ihre Partei, die bis 1989 jede Meisterschaft in den Disziplinen Spießigkeit und Engstirnigkeit gewonnen hätte, für junge kritische Geister wählbar erscheinen lassen. 2002 litt ihr Ruf durch Schlagzeilen wie „PDS-Punkerin war Stasi-Informantin“ oder „Politikerin spitzelte als 15-Jährige Mitschüler aus“. Sie zog sich zunächst aus der Öffentlichkeit zurück, dann auch aus ihrer Partei. Ihre Stasi-Geschichte als minderjährige Jugendliche taugte allerdings kaum zur moralischen Verurteilung, ist aber eines der vielen interessanten Lehrstücke über die SED-Diktatur (siehe hier).

Der Weg aus den Reihen der SED-Nachfolger, der späte, aber offene Umgang mit ihrer eigenen Geschichte – das alles klingt nach einem guten Weg. Schade nur, dass sich Angela Marquardt als neue politische Betreuerin ausgerechnet Andrea Nahles erwählt hat, die sie vor etlichen Jahren in die Reihen der SPD führte.

Eigentlich ist – das wissen wir ja schon seit Herbert Wehner – die Sozialdemokratie durchaus ein guter Platz für die politische Resozialisierung denkender Menschen, die sich aus den Fängen einer kaderkommunistischen Partei gelöst haben. Nur leider sind die sozialdemokratischen Werte und Traditionen bei Genossin Nahles nicht besonders gut aufgehoben. Nicht nur, weil sie sich der ehrwürdigen Historischen Kommission der Partei entledigen will. Sondern auch mit ihrer Offenheit für doch eher umstrittene Bündnispartner von linksaußen. Marquardt bekommt da nun offenbar die Rolle einer Brückenbauerin zugewiesen, von der heutigen SPD-Führung zu Linksradikalen.

Lieber mit den Antideutschen?

Im "Vorwärts" konnte sie, dieser Linie entsprechend, für breite Bündnisse werben. Sie wendet sich in ihrem Artikel gegen Sabine Sieble aus der SPD Sachsen, die ebenfalls im "Vorwärts" davor warnte, „im Kampf gegen Rechtsextremismus nicht den Falschen die Hand zu reichen.“ Zitat:

"Ich jedenfalls gehe lieber mit gewaltfreien Antideutschen auf die Straße (ohne dabei jede ihrer Positionen zu teilen), als zur schweigenden Mehrheit zu gehören oder das Geschäft der Konservativen zu erledigen. Ja, vielleicht treffen junge Antifas oder Antideutsche nicht immer den Ton und die richtige Formulierung, auf Grundlage derer man gerne diskutiert. Und nicht jede Demoparole ist gelungen. Aber deswegen in Frage zu stellen, dass sie mit uns gemeinsam gegen Nazis auf die Straße gehen, dafür fehlt mir jedes Verständnis. Liebe SPD, irgendwann möchte niemand mehr mit uns in Bündnisse, wenn wir uns so unsolidarisch verhalten. Letztlich kommt hinzu, dass hier platt das Vorurteil bedient wird, dass es die eine Antifa gibt und alle sind natürlich gewaltbereite Antideutsche. Ist das ernsthaft eine demokratische Herangehensweise, für die viele Menschen in Sachsen und den anderen östlichen Bundesländern im Herbst 1989 auf die Straße gegangen sind?

Diese pauschalisierende Art des aber „den falschen nicht die Hand zu reichen“, bedient Vorurteile auf beiden Seiten statt ein Klima des demokratischen Meinungsaustausches zu schaffen. Und auf der Grundlage all meiner Erfahrungen, bin ich froh, wenn in diesen rassistischen und Angst machenden Zeiten, sich Menschen die Hand reichen und dagegen aufstehen. Und dann möchte ich, dass meine SPD in großen breiten Bündnissen dabei ist, selbstverständlich ohne Gewalt und Hetze aber dafür vom Konservativen bis zum Antideutschen.

Niemand will Bündnisse mit gewaltbereiten Schlägern, aber gerade weil insbesondere junge Menschen, die sich antifaschistisch und antirassistisch in diesem Land engagieren, oft kriminalisiert und vorverurteilt werden, ist es verdammt noch mal unsere Aufgabe, an ihrer Seite zu stehen. Es ist unsere Aufgabe, die Diskussion und kritische Solidarität mit ihnen zu suchen."

Eine Bitte an die SPD

Liebe SPD, hüte Dich vor den Marquardts und denen, die sie für neue Bündnisse werben lassen, damit Du nicht den antitotalitären Konsens dieser Republik verlässt! Verspiele nicht noch den Rest Deiner Reputation in der bundesdeutschen Mehrheitsgesellschaft. Die SPD ist die Partei August Bebels, Friedrich Eberts (sen.), Otto Wels‘, Kurt Schumachers, Willy Brandts und Helmut Schmidts. Die SPD stand nie auf Seiten von Extremisten, gleich welcher Art, und ließ sich von denen auch nicht helfen. Dabei sollte es bleiben!

Gunter Weißgerber war 1989 Gründungsmitglied der Leipziger SDP, von 1990 bis 2009 Bundestagsabgeordneter und in dieser Zeit 15 Jahre Vorsitzender der sächsischen Landesgruppe der SPD-Bundestagsfraktion (1990 bis 2005).

Foto: Pixabay.de

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Werner Liebisch / 10.09.2018

Es sagt schon sehr viel über einen Charakter, wenn man mit 15 seine Mitschüler bespitzelt. Aber man braucht sich in diesem Land, dass sich zu einer DDR 2 entwickelt hat, über nichts mehr zu wundern. Einem Land wo eine ehemalige DDR Privilegierte gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit zensiert, sich aber kaum zur Zuwanderung hunderttausender antisemitscher Menschen äussert. Einem Land wo ein ehemaliger Bin Laden Leibwächter, Flughäfen und Bundeswehr-Kasernen bewachte, in so einem Land, braucht man sich über nichts mehr zu wundern. Erst recht nicht, wo eine Partei und Teile der Regierung Linksfaschisten fördern, die auf Polizisten einprügeln und tot sehen wollen, sei es real oder wie jüngst mit Gesang. Alles feine Sahne….mit Marquard, Co und Kahane…

Roland Müller / 10.09.2018

“Die SPD stand nie auf Seiten von Extremisten, gleich welcher Art, und ließ sich von denen auch nicht helfen. Dabei sollte es bleiben!” Damit es so bleibt, müsste die SPD ihre Parteispitzen von Kiel über Berlin bis Chemnitz und weiter in Richtung Süden entrümpeln. Also alle, die sich bei der SPD für Spitzenfunktionäre halten, in die Wüste verbannen. Allen voran der Herr Stegner, der Herr Müller und sofort danach die Frau Ludwig. Diese Herrschaften und noch viele mehr sind die Totengräber der SPD. Allein mir fehlt der Glaube.

Roland Schmiermund / 10.09.2018

Die SPD ist schon seit Jahrzehnten vom Kurs abgekommen. Hat sich zu sehr auf die Extremisten eingelassen und nun stecken sie in der Sackgasse ihrer unter Hand gepeppelten Linksideologen. Die Partei ist abhängig geworden von diesen Tümpeln unterirdischen Gedankenguts. Die SPD hat nur noch eine Chance, wenn sie sich von Innen her bereinigt und die linke Ideologie auf die Müllkippe wirft, wo sie hingehört.

Frank Box / 10.09.2018

“Liebe SPD, hüte Dich vor den Marquardts und denen, die sie für neue Bündnisse werben lassen, damit Du nicht den antitotalitären Konsens dieser Republik verlässt!” - Werter Herr Weißgerber, Sie werden erleben, dass nicht eines allzufernen Tages eine Regierungsmehrheit gegen die immer weiter erstarkende AfD nur noch dann möglich ist, wenn alle TRANSNATIONALEN Kräfte, egal ob LINKS oder RECHTS, zusammenarbeiten. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass es bald Koalitionen aus CDU, SPD, Grünen und Linkspartei geben wird. (Erste Gedankenspiele zu schwarz-dunkelrot weisen hier bereits den Weg) Neben den maoistisch-kulturrevolutionär/anarchistischen TRANSNATIONAL-LINKEN in der Linkspartei gibt es aber auch noch die NATIONAL-LINKEN um Frau Wagenknecht, die von der ebenfalls NATIONAL-LINKEN Ost-AfD nicht allzuweit entfernt sind. Es kann also durchaus sein, dass wir einmal das Überleben der deutschen Kultur und des “Deutschseins” ansich, einer NATIONAL-LINKEN aus dem marxistisch/stalinistischen Lager verdanken, die eine weitere Masseneinwanderung von islamischen Armutsflüchtlingen ablehnt und der AfD hilft, die deutschen Grenzen zu schließen!

Dietrich Herrmann / 10.09.2018

Vielleicht ist die Marquardt ja von der Untergrund-Stasi in die SPD eingeschleust wie weiland Guillaume ins Kanzleramt.

Helmut Bühler / 10.09.2018

Lieber Herr Weißgerber, es tut mir leid - aber jeder, der mithilft, diese SPD unter 10% zu bringen ist willkommen. Also Marquardt und Nahles, weitermachen - vorwärts und nicht vergessen.

Bärbel Schneider / 10.09.2018

“Die SPD stand nie auf Seiten von Extremisten, gleich welcher Art…” So? Tatsächlich befindet sie sich gerade in einer Koalition mit einer linksextremistischen “No border, no nation”-Partei, ja sie übertrifft die CDU noch mit radikalen, verfassungsfeindlichen Vorschlägen. Warum sollte sie also nicht mit deutschland-hassenden Antifas (denn die werden ja nur “kriminalisiert und vorverurteilt”, in Wirklichkeit sind sie ganz nett) zusammengehen. Schließlich werden diese ja bekanntlich auch nicht selten mindestens indirekt von ihr bezahlt. Also kann man sich doch auch gleich zu ihnen bekennen. Welche Reputation könnte da noch verlorengehen? Meinen Sie Mitglieder wie Sarrazin und Buschkowsky, gegen die die SPD gerade vorgeht? Ich glaube nicht, dass diese wenigen die Reputation der SPD noch retten können. Ist der Ruf erst ruiniert… Tut mir für Sie persönlich leid, Herr Weißgerber, aber das ist das Bild, das ich von der heutigen SPD habe, unbeschadet meines großen Respekts vor der Vergangenheit der Partei.

Martin Landvoigt / 10.09.2018

Für mich ist auch nicht klar, ob AntiFa immer gewaltbereite Schläger sind.  Definitiv aber finden aus dieser Szene wiederholt Gewaltaten statt, dass ich einen Vergleich mit den Neonazis in Sachen Gewaltbereitschaft für angemessen halte. Wer bei der AntiFa nicht pauschlieren will, sollte es dann auch bei den NeoNazis nicht tun. Wenn ich hier von NeoNazis schreibe, dann meine ich allerdings nicht jene, die in Regelmäßigkeit als solche tituliert werden, die aber mit jenen nichts zu tun haben. Ich meine mit NeoNazis jene, die sich dazu bekennen, so wie sich die AntiFa zu ihrem Programm bekennt.

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