Von Ansgar Neuhof.
Vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer erhalten künftig in Brandenburg ein Bleiberecht, wenn sie Opfer sogenannter rechtsmotivierter Gewalt werden. Das hat aufgrund einer Beschlußaufforderung des Brandenburger Landtags das Brandenburger Innenministerium unter Führung des Ministers Karl-Heinz Schröter (SPD) Ende Dezember 2016 in einem Erlaß festgelegt, was beispielsweise hier schon kommentiert wurde.
Der Erlaß beschränkt sich ausdrücklich auf Opfer „rechtsmotivierter“ Gewalt, wobei allgemein auf “rechte”, nicht nur auf “rechtsextreme” Gewalt abgestellt wird. Andere Gewaltopfer erhalten kein Bleiberecht. Jetzt weiß allerdings niemand so richtig, was „rechts“ überhaupt ist. Zahllose Begriffsdefinitionen gibt es, Diskussionen noch und nöcher, je nach Sichtweise wird ein- und dasselbe politische System als links oder als rechts eingestuft.
Da schafft der Erlaß aus Brandenburg nun Abhilfe – und das macht ihn über den eigentlichen Inhalt hinaus interessant. Soweit ersichtlich wird darin nämlich erstmals amtlich definiert, was „rechts“ überhaupt ist. Wörtlich heißt es: „Der wesentliche Kerngedanke einer „rechten“ Ideologie ist die Annahme einer Ungleichheit/Ungleichwertigkeit.“
Die Erlaßgeber und die Brandenburger Abgeordneten entlarven sich selbst
Ohne hier eine Debatte über die Begriffe Gleichheit und Gleichwertigkeit führen zu wollen, läßt diese Begriffsdefinition aufhorchen. Denn politische Ansichten nach der Gesäßgeographie (hier oder hier ) einzuordnen - und das in einem amtlichen Erlaß (!), nicht in einem Blog-Kommentar, in dem man sich solcher Vereinfachungen gelegentlich bedienen kann -, zeugt von dürftigem Intellekt. Rechts und Links sind ersichtlich schon ob ihrer Eindimensionalität und begrifflichen Unschärfe ungeeignete Kategorien, um daran staatliches Handeln festzumachen.
Zudem entlarven sich die Erlaßgeber und die Brandenburger Abgeordneten, die den Erlaß initiiert haben, mit dieser Definition selbst als „rechte“ Ideologen, die eine Ungleichheit/Ungleichwertigkeit von Menschen propagieren. Denn der Erlaß behandelt Gewaltopfer nicht gleich. Opfer „rechter“ Gewalt erhalten ein Bleiberecht, Opfer „linker“ oder sonstiger Gewalt jedoch nicht. „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“, so steht es in Artikel 3 des Grundgesetzes. Doch manche sind gleicher – jedenfalls in Brandenburg anno 2017.
Dort gibt es jetzt - amtlich festgeschrieben - Opfer erster und zweiter Klasse, Opfer mit mehr und Opfer mit weniger (Bleibe-)Recht, Opfer, die dem Staat mehr wert sind, und Opfer, die ihm weniger wert sind. Wenn Opfer von “rechter” Gewalt aufgewertet werden, widerspricht dies dem Postulat der Gleichwertigkeit aller Menschen. Gewaltopfer ungleich zu behandeln und sie mit einer unterschiedlichen Wertigkeit zu belegen, ist der Definition des Brandenburger Erlasses gemäß „rechtes“ Gedankengut. Brandenburgs Landtag und Innenministerium: ein Hort „rechter“ Ideologen.
Ansgar Neuhof ist Rechtsanwalt und Steuerberater mit eigener Kanzlei in Berlin