Granach war vierundvierzig Jahre alt, als er - alles andere als freiwillig - im Januar 1934 dorthin zurückkehrte, von wo er einst aufgebrochen war, um Deutschlands Bühnen zu erobern. In Polen, wo er nun nicht mehr vor einem verwöhnten Großstadtpublikum unter Erwin Piscator oder Leopold Jessner, mit Elisabeth Bergner oder Heinrich George spielte, trat er zunächst im jiddischen Kaminska-Theater in Warschau und später mit seiner eigenen Tourneetheatertruppe auf. Sein Schritt in die Provinz war ein Gang ins Ungewisse. Er hatte Berlin bereits im März 1933 verlassen, nachdem ihm die Gestapo auf den Fersen war. Dass er, der gefeierte Berliner Schauspieler, sich - nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in Zürich - eines Tages als Mitglied einer polnischen Wandertruppe wiederfinden würde, die von Chelm nach Dubno, von Zamosc nach Grodno und Bialystok tingelte, hätte er sich ein paar Jahre zuvor gewiss nicht träumen lassen.
Er blieb guter Dinge. Ein Miesepeter war der urwüchsige Dauerdynamiker ohnehin nie gewesen. Selbst beim täglichen Kampf mit unbegabten Schauspielern und betrügerischen Impresarios ließ er sich die gute Laune nur selten verderben. So selbstbewusst, wie er im zarten Alter von dreißig Jahren “in münchen ... den shylock spielte, frech, aufdringlich, brüllend, dass der kronleuchter wackelte”, wie Bert Brecht schrieb, ging er ins Exil. So zupackend und optimistisch er war, was seine eigenen Möglichkeiten betraf, machte er sich über die Zukunft Deutschlands keine Illusionen. Die sparte er sich erst einmal fürs “Mütterchen” auf, wie er die Sowjetunion nannte, an die er so lange glauben konnte (und wollte), wie sie ihn nicht eines Besseren belehrt hatte.
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