Vera Lengsfeld / 28.02.2009 / 11:42 / 0 / Seite ausdrucken

Achtundzwanzigster Februar 1989/2009

Wieder wurde an der Mauer geschossen. Glücklicherweise wurde niemand getötet. Einige Hallenser wollen das nicht länger hinnehmen. Also machen sich vierzig Menschen auf, um mit einem Schweigemarsch gegen das Grenzregime zu protestieren. Mehr werden es an diesem Tag noch nicht, doch die Zustimmung der Menschen am Straßenrand ist unübersehbar. Die Stasi hält es daher für klüger, nicht öffentlich einzugreifen. Sie filmt die Demonstranten und in den nächsten Tagen werden einige Teilnehmer verhört und verwarnt.

Auf Welt-online hat Linke- Politiker Ramelow heute noch einmal nachgelegt. Angeblich sei er falsch zitiert worden. Er hätte doch gesagt, dass die DDR kein Rechtsstaat gewesen sei, aber auch kein Unrechtsstaat. Was bitte, ist denn das Gegenteil von Rechtsstaat? Ausgerechnet das „Empfinden der Ostdeutschen“ muss herhalten für Ramelows Geschichtsklitterung. Der Begriff „Unrechtsstaat“ verletze all jene, die sich in der DDR nicht bespitzelt gefühlt hätten.
Unabhängig davon, ob man sich bespitzelt gefühlt hat, oder nicht, gab es in jedem Betreib, in jeder Institution, in jedem Amt der DDR Stasileute, die nur die Aufgabe hatten, alle Belegschaftsmitglieder zu beobachten. Jeder Werktätige wurde bespitzelt. Aber auch in den so genannten „Hausgemeinschaften“, zu denen die Bewohner von Mietshäusern zusammengefasst wurden, hatte die Staatssicherheit ihre Zuträger.
Auch das Arbeitsrecht der DDR wird von Ramelow noch einmal gelobt. Dieses „überlegene Recht“ bot vor fristlosen willkürlichen Kündigungen aus politischen Gründen keinerlei Schutz. Es gab auch keinen gewerkschaftlichen Schutz, der diesen Namen verdiente, denn die Einheitsgewerkschaft stand im Sold der SED und war hauptsächlich mit der Verteilung von Urlaubsplätzen, der Kontrolle des Kantinenessens, der Organisation von Betriebsvergnügen und der Erstellung von Wandzeitungen beschäftigt. Kein Gewerkschaftsfunktionär, der seinen Posten behalten wollte, konnte es wagen, gegen den Betriebsparteisekretär aufzumucken.
Besonders pikant ist Ramelows Argument, die Bundesregierung hätte sich stets geweigert, den NS-Staat als Unrechtsregime anzuerkennen, deshalb dürfe die DDR nicht so genannt werden. Im Umkehrschluss heißt das, ihm ist die Verharmlosung des NS-Regimes willkommen, als Argument für die Verharmlosung des DDR-Regimes. Dieser instrumentelle Umgang mit der Diktaturgeschichte unseres Landes, ist das letzte, was Deutschland braucht.

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