Bei der von mir angestoßenen Hamburger Volksinitiative gegen die Gendersprache wurde die erste Hürde erfolgreich genommen. In vielen weiteren Bundesländern zogen andere Aktionen nach. Es bröckelt am Genderhimmel.
Tränen liegen auf meinen Wangen
Aus den Nächten des Irrsinns,
Des Wahnes schöner Hoffnung,
Dem Wunsch, Ketten zu brechen
Und Licht zu trinken — — —
Eine einzige Stunde Licht schauen!
Eine einzige Stunde frei sein!
(„Nach grauen Tagen“, Ingeborg Bachmann)
Deutschland hat in Sachen Sprache kein Problem mit dem Fehlen von Regeln, sondern vielmehr mit kalkulierten Verstößen gegen geltende Regelwerke, gegen Dinge, die gut laufen und funktionieren. Einzelne Interessengruppen sind nicht bereit, sich an eigentlich selbstverständliche und bewährte Übereinkünfte zu halten. Feministinnen und Genderlobby, flankiert von Politik, Verwaltung und Medien, insbesondere dem ÖRR, haben die gewachsenen Regeln der deutschen Sprache einseitig aufgekündigt und setzen alles daran, ihren elitären Soziolekt als neuen Standard durchzudrücken. Zudem prangern sie Kritiker systematisch als fortschrittsfeindliche, minderheitenhassende, respektlose und moralisch verwerfliche Querulanten an – analog zu Maos „Bestrafe einen, erziehe hunderte“. Laufend schaffen sie Fakten, um ohne demokratisches Mandat und unter Missbrauch von Machtpositionen die sprachliche Volkserziehung durchzusetzen.
Unterdessen hat das Vertrauen der Bürger in staatliche Handlungsfähigkeit einen Tiefpunkt erreicht, die Gewaltbereitschaft steigt, während der Sozialfigur des Denunzianten staatlich gefördert eine frische Bühne bereitet wird. In dieser Atmosphäre zunehmender Unsicherheit und Unordnung konnte die sogenannte Gendersprache in den letzten Jahren – mehr oder weniger unterm Radar der Öffentlichkeit – besonders im Bildungssektor dermaßen Raum greifen, dass Standardhochdeutsch nicht mehr flächendeckend gelehrt wird und der deutschen Sprache schon etwas von einem Aschenputtel anhaftet. Es ist so weit gekommen, dass der Spracherwerb schon an Grundschulen mit Sternchen durchsetzt ist, dass an Schulen und Universitäten immer öfter mit schlechterer Beurteilung bestraft wird, wer nicht „gendert“, und dass Fördergelder für ungegenderte Anträge ausbleiben, ebenso wie Beförderungen für Sprecher der gebräuchlichen Standardsprache.
Dass auch die jüngere Generation ebenso wie die Älteren vom Gendern eher genervt ist, führt bei der Genderlobby nicht zum Einstellen ihrer fruchtlosen sprachlichen Umerziehung, sondern zur Verstärkung der Indoktrinierung. Unter dem Motto „Demokratie stärken – Zivilgesellschaft fördern“ richtet die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) aktuell einen Schülerwettbewerb 2023 zur politischen Bildung aus. Unter dem Titel: „Junge oder Mädchen?“ können die 4. bis 8. Schuljahre unter anderem ein Projekt zur geschlechtlichen Vielfalt bearbeiten, das mit diesem Anreißer beworben wird:
„In der Schule ist Mottowoche, in der alle verkleidet kommen dürfen. Am Mittwoch heißt das Thema 'Geschlechtertausch': Jungs kleiden sich wie Mädchen und Mädchen kleiden sich wie Jungs. Schon im Vorfeld gab es in der Schule Diskussionen, ob das eine gute Idee ist. Auf dem Pausenhof unterhalten sich Kim und Samy über die anstehende Motto-Woche. Samy sagt: 'Puh, Geschlechtertausch als Motto find ich blöd. Den Mittwoch lass ich aus.' Kim: 'Ach komm, hab dich nicht so! Das wird bestimmt lustig.' Samy: 'Boah, du checkst es wohl immer noch nicht! Du weißt doch genau, dass es auch Leute gibt, die sich nicht als Junge oder als Mädchen fühlen, nur weil das so in ihrer Geburtsurkunde steht!'“
Unter „Nützliche Links“ für die Projektarbeit finden sich ausschließlich Informationsquellen, die den Geschlechterwechsel propagieren, während Quellen, die sich mit dem Thema kritisch auseinandersetzen, fehlen.
In der Schule des Lebens
An der gesamten gesellschaftlichen Basis, wo die politischen Programme im Alltag ausgebadet werden müssen, wird die Duldsamkeit der Bürger auf eine harte Probe gestellt. Zu lange schon muss der Souverän den Genderneusprech im öffentlichen Sektor, also in Verwaltungen, Schulen, Universitäten, dem ÖRR und bei der Deutschen Bahn, nicht nur ertragen, sondern per Steuergeld und Rundfunkgebühren gezwungenermaßen mitfinanzieren. Ich erhielt neulich einen Strafzettel der Stadt Bremen für eine Geschwindigkeitsübertretung. Darin war nicht vom Fahrzeughalter die Rede, sondern von der „Fahrzeug haltenden Person“.
Auch die Deutsche Bahn tut sich regelmäßig mit Genderneusprech hervor, wenn sie sich zum Beispiel als „eine der vielfältigsten Arbeitgeberinnen Deutschlands“ anpreist. Man kann sich bei dem so sexualisierten Abstraktum für eine Ausbildung als „Gleisbauer:in“ bewerben. Die häufig beschworene „Vielfalt“ (neudeutsch „Diversity“) ist bei der DB „Einziganders“.
Der gesellschaftliche Anpassungsdruck steigt mit jedem Tag, während der öffentliche Sektor den Eindruck zu erwecken versucht, Gendersprache sei schon der neue Standard. Bürger und Kunden, die sich beschweren, werden verhöhnt oder mit inhaltsleeren Standardschreiben abgespeist. Offene Diskurse werden vermieden, insbesondere da, wo man sie am häufigsten erwarten dürfte: in der Bildung. Schulleiter haben der ideologisch fundierten Gendersprachdoktrin schon längst Tür und Tor geöffnet. Von besorgten bis entrüsteten Eltern zur Rechenschaft gezogen, lassen sie diese auf kafkaeske Weise auflaufen. Viele Lehrer kurz vor dem Ruhestand passen sich an oder kapitulieren. Wer noch länger Dienst tun will oder muss, der stellt vielleicht einen Versetzungsantrag.
Während die den Genderfeminismus verbreitende Machtstruktur dank staatlicher Förderung weiter befestigt wird, erkennt der einzelne Bürger in den unzähligen nadelstichartigen Übergriffen bisweilen immer noch nicht den Angriff auf unser aller Freiheit und die totalitäre Anmaßung der Genderideologie. Der einzelne Bürger will sein Leben zurück, will seiner Arbeit nachgehen, will eigene Prioritäten setzen, haushaltet mit seiner Lebenszeit, einfach gesagt: hat Besseres zu tun, als sich im Alltag in kleinlichen Auseinandersetzungen zu verzetteln. Schmerzlicher Befund des Philosophen Michael Andrick in der Berliner Zeitung („Der stets untote Totalitarismus“): „Bemerkt man, dass einem die politischen Übergriffe jetzt doch langsam zu weit gehen, so ist die Machtstruktur, die sie auf Dauer stellen und zum System erheben kann, schon etabliert.“
Vor dem Hintergrund von „nicht an sich schon totalitären, aber totalitarismusaffinen Diskursen“ (ebenda) und zudem bedrückt von weltweiten Kriegen, Dauerkrisen und -konflikten erscheint die Gendertyrannei in der Heimat umso weniger totalitär, je absurder und lächerlicher der Neusprech daherkommt, und mit ihm die vollkommene Umdeutung von Begriffen des Allgemeinwissens und damit die Umkehrung einer dynamischen Ordnung in Verunsicherung, Nichtwissen und Chaos. Eine der großen Bedeutungsumkehrungen auf dem Sektor der Sprache ist die Erzählung von der Respektlosigkeit der gewachsenen deutschen Standardsprache. Als respektlos gelten selbstverständlich auch all jene, die für den angeblich fortschrittlichen, in Wahrheit aber illibertären Zeitgeist unverfügbar bleiben, also diejenigen, die beim „alle Geschlechter ansprechen“, „Minderheiten inkludieren“ und „Frauen sichtbar machen“ nicht mitziehen.
Die Trivialität des Monströsen
Genderneusprech wirft nicht zuletzt gerade wegen seiner Absurdität, Lächerlichkeit, Unverhältnismäßigkeit und der Impertinenz, mit der die sprachliche Umerziehung in Deutschland vorangetrieben wird, den Schatten von etwas Monströsem voraus. Die gesellschaftliche Atmosphäre ist geprägt von einer Sündenbockmentalität und von der Klassifizierung einzelner Gruppen als schädlich. Prominentester und zugleich in großer Zahl vorhandener Schädling ist der Mann, ist das männliche Prinzip. Mit der Auslöschung einer grammatischen Form (des geschlechtsübergreifenden Maskulinums) und in perfekter Gleichsetzung des biologischen Geschlechts mit dem grammatischen Genus werden Männer für Jahrtausende des Patriarchats pauschal abgestraft, während die Gendersonderzeichen all jene Minderheiten symbolisieren, die durch Unterdrückung „unsichtbar“ waren und jetzt durch Repräsentation in der Sprache zu ihrem Recht kommen sollen.
Diskriminiert und ausgeschlossen („deplatformed“) werden nicht nur die Männer, sondern überhaupt all jene, die sich vom Genderfeminismus nicht hinter die Fichte führen lassen und stattdessen die Freiheit des Ausdrucks und das Selbstverständliche verteidigen, also das, was sich in zivilisierten Gesellschaften von selbst versteht. Die ewige Gegenwart des ius naturale, der „Quellen der Autorität und Legitimität aller positiven Gesetze“ (Arendt*) kann nicht mehr stabilisierend wirken. „Positives Recht wird verletzt, weil es in eine dauernde Veränderung hineingerissen ist: was gestern Recht war, ist heute überholt und Unrecht geworden. (Juristisch gesprochen: aus jedem Gesetz ist eine Verordnung geworden.)“ (ebenda). Das Ungeheure, das Monströse trägt sich vor aller Augen zu.
Dass „totale Herrschaft sich in einem schrittweisen Prozess herausbildet und dass Akteure mit totalitären Ambitionen über diese stets lügen“ (Andrick), lässt sich nicht nur an historischen Beispielen nachvollziehen, sondern auch an der Entwicklung des Genderismus in der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart. Verfechter der sogenannten Gendersprache heucheln Freiwilligkeit des Genderns und leugnen trickreich den eigenen permanenten Regelbruch, wie zuletzt Katharina Fegebank, Wissenschaftssenatorin und zweiter Bürgermeister von Hamburg, angesichts der Hamburger Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ (die die Autorin initiierte, siehe hier, Anm. d. Red.).
Die Behörde wolle „keine Vorschriften machen, wie jemand sprechen oder schreiben soll“, sagte die Grünen-Politikerin. In Hamburg sei weder in der Verwaltung noch in der Schule oder an der Uni die Gendersprache vorgeschrieben. „Es muss aber möglich sein, sie zu benutzen“, betonte sie. Die Linken-Abgeordnete Cansu Özdemir behauptete gar, die Volksinitiative strebe ein „Genderverbot“ an, was sie für einen „Eingriff in die Persönlichkeitsrechte“ hält. Dass die Hamburger Volksinitiative (wie auch ähnliche Initiativen in anderen Bundesländern) keinerlei Verbot im Sinn hat, sondern vielmehr die Einhaltung geltender Regeln und Übereinkünfte für die über Jahrhunderte gewachsene Standardsprache, wird ebenso unterschlagen wie das Fundamentalprinzip der deutschen Verfassung, nach dem der Staat und seine Repräsentanten zu religiöser und weltanschaulicher Neutralität verpflichtet sind. Wieso sollte es Leuten in Ausübung repräsentativer Funktionen freistehen, den Bürgern die Sprech- und Schreibweisen eines quasi-religiösen Opferkultes aufzunötigen?
Das Ergebnis solcher Tricksereien und Manipulationen ist ein Wildwuchs an hinlänglich bekannten „geschlechtergerechten“, wahlweise auch als „inklusiv“ oder „genderneutral“ bezeichneten Schreibweisen, je nach Bundesland und politischer Färbung der Regierungen, Formen, aus denen die von Genderlobbyisten unterstellte Diskriminierung von Frauen und sexuellen Minderheiten nicht herausgelesen werden kann. Gendersprache skandalisiert ein Problem, das es gar nicht gibt.
Machtspiele und direkte Demokratie
Gendern spaltet angeblich die Gesellschaft. Aber die ist in dieser Sache überhaupt nicht gespalten, sondern so einig wie selten bei einem Thema. Nahezu 90 Prozent der von verschiedenen Instituten Befragten lehnen Gendersprache ab. Die Polarisierung und Spaltung wird vielmehr von Genderlobby, Politik und Verwaltungen forciert und künstlich aufrechterhalten. Tricksen und manipulieren, Dinge willentlich missverstehen, den Leuten die Worte im Munde umdrehen, verstärkte Indoktrinierung und Propaganda, dies alles gehört zu den Praktiken, die sich einmal zu totalitärer Herrschaft verdichten können.
Die Bürger zeigen seit Jahren in Beschwerde- und Bittbriefen ihren wachsenden Unmut über die zunehmende Sprachzerstörung durch das Gendern. Aber erst seit sie ihre entschlossene Ablehnung mit der Durchführung von Volksinitiativen bekräftigen, kommt Bewegung in die Politik, denn nur Volksentscheide werden bei Zustandekommen entsprechender Mehrheiten rechtsverbindlich. Eine Partei, die sich gegen das Gendern positioniert, kann inzwischen mit erheblichem Stimmenzuwachs rechnen. Seit dem Start der Hamburger Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ im Februar 2023 haben sich mit demselben Tenor bis dato sieben Volksinitiativen in ganz Deutschland formiert, Tendenz steigend.
Die Stoppt-Gendern-Volksinitiativen fordern vom öffentlichen Sektor, sich an das geltende Regelwerk des Rates für deutsche Rechtschreibung (RfdR) zu halten. Auf das beziehen sich auch die Landeswahlleiter der Bundesländer, wenn sie die Volksinitiativen im Hinblick auf die Rechtssicherheit ihrer Vorlagen beraten. Damit verbunden ist auch ein Appell an eine Grundfunktion des RfdR. Das international besetzte Gremium mit Sitz beim Institut für deutsche Sprache (IDS) in Mannheim soll nämlich zuallererst die Einheitlichkeit der deutschen Sprache im gesamten deutschen Sprachraum bewahren, die auch grundlegend für die Rechts- und Verwaltungssprache in Deutschland ist (§23 VwvfG: Die Amtssprache ist Deutsch). Rechtssicherheit kann nur mit einem einheitlichen Sprachgebrauch erreicht werden.
Den sieht ausgerechnet der Vorsitzende des RfdR selbst gefährdet. In einem Interview mit dem Nordkurier beklagte Dr. Joself Lange jüngst den Verlust von Logik, Lesbarkeit, Vorlesbarkeit und Verständlichkeit gegenderter Texte. Man solle sich auch Schreibweisen in Stellenausschreibungen ansehen: „... Es wurde ein 'Bauoberinspektoranwärter*in' gesucht. Wollte man in der Logik der gegenderten Sprache konsequent sein, müsste es heißen 'Bauoberinspektor*inanwärter-*in'. So spricht kein Mensch. Das versteht auch niemand.“ Auch erinnert Lange daran, „dass die Reform der Rechtschreibung in den Jahren 1996 und 2006 ausdrücklich mit dem Anspruch angetreten ist, die Rechtschreibung zu vereinfachen und die Erlernbarkeit zu erleichtern“.
Brandstifter unter den Biedermännern
Eine weitere Aufgabe des RfdR ist die Beobachtung des Sprachgebrauchs. Gestützt auf seine Analyse von Medienkorpora, insbesondere dem „digitalen Ratskernkorpus mit rd. 12,5 Mrd. Wortbelegen“ sieht das IDS in seinem Sprachreport 2/2021 den „zunehmenden Gebrauch verkürzter Formen [bestätigt], die geschlechtergerechte Schreibung markieren sollen“, sowie einen „deutlichen Trend zur Verwendung des Asterisks zur Markierung einer geschlechterübergreifenden generischen Bedeutung“.
Dass die deutliche Mehrheit der Gesellschaft das Gendern ablehnt, was zahlreiche Umfragen immer wieder belegen, ist den analysierten Korpora nicht zu entnehmen und wird vom IDS unterschlagen, ebenso wie die Tatsache, dass kaum jemand im wirklichen Leben so spricht oder schreibt. Vor allem aber unterschlägt das Sprachinstitut, dass es ja die Genderlobbyisten selber sind, die unter dem Anschein von Wissenschaftlichkeit seit Jahren ebendiese analysierten Korpora mit den von ihnen favorisierten Genderformen zwangsfüttern. Das IDS beobachtet also das Ergebnis einer Sprachlenkung aus unzähligen politisch motivierten Eingriffen in die Sprache, an der es selbst tüchtig mitwirkt.
Es ist inzwischen ein offenes Geheimnis, dass der RfdR selbst zutiefst gespalten ist. Kein Wunder, da er besonders engagierte Genderlobbyisten wie Prof. Dr. Henning Lobin vom IDS (ich nenne ihn liebevoll den Brandstifter unter den Biedermännern) und Dr. Kathrin Kunkel-Razum vom Duden zu Mitgliedern hat, die den allgemein anerkannten Sprachstandard direkt aus der Infrastruktur heraus angreifen. Wohl unter solchem Druck muss die Empfehlung des RfdR vom 26. März 2021 zustande gekommen sein, „dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll und sie sensibel angesprochen werden sollen“. Damit hat der Rat eine ideologische Minderheitenposition übernommen und ist obendrein weit über seine Funktion und Befugnis hinaus gegangen, weshalb er wohl auch sogleich relativiert: „Dies ist allerdings eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht allein mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden kann.“
Zum Geltungsbereich und zur Rolle der Gendersonderzeichen heißt es weiter: „Das Amtliche Regelwerk gilt für Schulen sowie für Verwaltung und Rechtspflege. Der Rat hat vor diesem Hintergrund die Aufnahme von Asterisk ('Gender-Stern'), Unterstrich (Gender-Gap'), Doppelpunkt oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung zu diesem Zeitpunkt nicht empfohlen“, wobei auch hier wieder eine Relativierung die Alarmglocken schrillen lässt: wenn nicht zu diesem Zeitpunkt, dann vielleicht bei einer der nächsten Sitzungen?
Auch Laienvertreter im erlauchten Expertenkreis?
Ein Freund deutlicher Worte und Mahner vor der Gefahr offener Hintertürchen ist Prof. Lutz Götze, der im RfdR das PEN-Zentrum Deutschland vertritt. Er bezeichnet in der FAZ das Herumlavieren des RfdR als „Versagen“. Sein Verweis auf den Widerstand von unten in Form der Volksinitiativen ist ein seltener Hinweis darauf, dass die Botschaft von der Basis in dem Gremium angekommen ist. Götzes Appell an die Macht der Vielen lässt zugleich hoffen und bangen. Ist es vielleicht nur noch eine Frage der Zeit, dass der RfdR von Vertretern des woken Zeitgeistes gekapert wird?
Mehr Zurückhaltung des Rats in Sachen Gesellschaftspolitik ist mehr als geboten. Allein angesichts der fehlenden Definition des Begriffs „geschlechtergerechte Sprache“ sollte er die oben genannte Empfehlung zur sensiblen Ansprache zurücknehmen, hingegen auf Grund seiner normgebenden Funktion die Abgrenzung zu den Gendersonderzeichen umso deutlicher machen und seinen Hauptfokus bekräftigen: die Einheitlichkeit der deutschen Schriftsprache zu bewahren.
Viele Fragen bleiben offen. Ob der Rat seinen Aufgaben zukünftig gerecht werden kann, deren Auftraggeber keine geringeren sind als die deutsche Kultusministerkonferenz sowie Österreich, die deutschsprachige Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg und die deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens? Die Erwartungen an den Herausgeber des amtlichen Regelwerks, das Normen fixiert und Grundlage der deutschen Rechtschreibung in Schulen und Verwaltungen ist, sind proportional zur Schwammigkeit und Widersprüchlichkeit seiner Empfehlungen gestiegen. Wie repräsentativ ist der RfdR überhaupt, wie beruft er seine Mitglieder, und sollten nicht auch Laienvertreter der Sprachgemeinschaft in diesen erlauchten Expertenkreis berufen werden?
Dass bei der Abgrenzung zwischen schriftlicher und gesprochener Sprache der gesamtgesellschaftliche Horizont und die Verfassungswerte im Blick zu behalten sind, hat der Rechtswissenschaftler und Hochschullehrer Prof. Axel Flessner (✝) in einem Gutachten zum Gebrauch von Gendersprache in Vereinen hervorgehoben:
„Das Projekt 'Gendersprache' zielt auch nicht nur auf die Schreibweise, sondern auf den richtigen Gebrauch der Sprache überhaupt, also auf die Bildung, Verwendung und grammatische Anordnung der Wörter, wenn Menschen gemeint sind, und zwar auch beim Sprechen, nicht nur beim Schreiben. Das ist Sprachlenkung – sie müsste, wenn vom Staat betrieben, an der Meinungs- und Redefreiheit (Art. 5 GG) scheitern. Auch das staatliche Gericht, wenn gegen den [Verein] angerufen, müsste diesen Verfassungswert berücksichtigen.“
Stoppt Gendern, weil Sprache allen gehört
Mit der Hamburger Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ haben wir überzeugend deutlich gemacht, dass direktdemokratische Volksentscheide der einzige wirksame Hebel sind, um den nachweislichen Mehrheitswillen in Sachen Sprache rechtswirksam durchzusetzen. Deshalb habe ich nach erfolgreichem Abschluss der ersten Phase parallel zu meinem Rückzug aus der Hamburger Volksinitiative die Plattform stoppt-gendern.de gegründet.
Die Plattform ist unabhängig und überparteilich, und sie ist die Basis für eine langfristig angelegte Kampagne für die deutsche Sprache, aus der Mitte der Gesellschaft. Als Infoplattform zu den laufenden Aktivitäten, und als Sammelbecken auch für zukünftige Volksinitiativen bietet sie allen Bürgern die Möglichkeit, sich für jedes einzelne Bundesland schon vorab als Unterstützer zu registrieren. Auf der Deutschlandkarte lassen sich die aktuellen Statusinformationen zu den einzelnen Länderinitiativen abrufen, und in sporadischen Infobriefen berichten wir über aktuelle Entwicklungen. Die Plattform ist schon jetzt ein großer Erfolg, nicht zuletzt weil die Volksinitiativen für viele zum Hoffnungsträger geworden sind, dass die Gendertyrannei überhaupt beendet werden kann, und dass es möglich ist – durch die aktive Beteiligung vieler – wieder zivilisierte politische Verhältnisse herzustellen.
Genderzwang, direkt oder indirekt ausgeübt, ist Ausdruck von Sprachlenkung und Einschränkung der Rede- und Meinungsfreiheit. Sprachlenkung ist charakteristisch für totalitäre Systeme und einer Demokratie unwürdig, mit den Volksinitiativen treten ihr die Bürger als Sprachgemeinschaft in voller Breite entgegen.
Sabine Mertens ist Kunsttherapeutin und Autorin und leitet die AG Gendersprache im Verein Deutsche Sprache (VDS). Sie ist die Initiatorin einer Hamburger Volksinitiative gegen die Gendersprache in Verwaltung und Bildung.
Mehr über die Volksinitiative berichete Sabine Mertens im Interview mit Ulrike Stockmann.
Zum Hintergrund:
Der Rat für deutsche Rechtschreibung (RfdR) ist ein international besetztes Gremium mit Sitz am Institut für deutsche Sprache (IDS) in Mannheim. Er gibt das amtliche Regelwerk für die deutsche Rechtschreibung heraus, worauf sich alle Stoppt-Gendern- Volksinitiativen berufen. Der im Jahre 2004 eingerichtete Rat mit seinen 41 Mitgliedern aus sieben Ländern und Regionen soll zuallererst die Einheitlichkeit der deutschen Sprache im gesamten deutschen Sprachraum bewahren. Das Regelwerk des Rats ist normgebend und in Bildung, Verwaltung und Rechtsprechung verbindlich.
Bei einem rechtswirksamen Volksentscheid geht es um die Abstimmung über eine konkrete Sachfrage. In Deutschland ist eine direkte Beteiligung des Volkes an der Ausübung von Staatsgewalt z.Zt. nur auf Landesebene möglich. Die unabhängige Infoplattform zu den Volksinitiativen in ganz Deutschland – www.stoppt-gendern.de – zeigt mit einem Klick auf die Deutschlandkarte die jeweilige Statusinfo zu den einzelnen Regionen an.
*Arendt, Hannah, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Piper, S. 947/948