112-Peterson: Was Frauen an Männern nicht verstehen

Männer nutzen das Bild weiblicher Perfektion, um sich selbst zu motivieren. Nehmen wir beispielsweise die Tom-Sawyer-Geschichte. Als Tom Sawyer ungefähr 12 Jahre alt ist, ist er wie so oft mit seinen Freunden zusammen, wie beispielsweise Huck Finn. Plötzlich sieht er ein Mädchen über die Straße gehen, Becky, sie läuft an ihm vorbei und er ist zum ersten Mal vollkommen verzaubert. Etwas hat sich geändert. Und das erste, was er macht, ist auf einen Zaun zu springen und vor ihr zu balancieren, als wollte er sagen: „Sieh mich an, sieh mich an.“ Er verhält sich wie der männliche Laubenvogel, der etwas Schönes baut, um dem Weibchen zu gefallen. Hier geht es um Motivation. Und ich glaube, das ist etwas, was moderne Frauen an Männern kaum verstehen. Sie verstehen nicht, dass sie, zumindest solange Männer unverdorben sind und nicht verbittert, weil sie abgelehnt werden, alles tun, um vor dem ewigen Bild des Weiblichen niederzuknien und zu versuchen, sich seiner würdig zu erweisen. 

Im Grunde geht es um Ritterlichkeit. Diese Eigenschaft sollte eine Frau in ihrem Partner fördern. Denn so entsteht aus dem Chaos diese erste Form; die weibliche Form. Es ist im Grunde die Form, die das Neue als solches repräsentiert. Es ist kaum zu glauben, wie paralysierend Frauen auf Männer wirken, vor allem auf junge Männer. Ich weiß nicht, inwiefern Frauen sich dessen bewusst sind, ich kenne ja nur die männliche Sicht. Eine sehr große Anzahl meiner Patienten, aber auch junge Männer, mit denen ich anderweitig ins Gespräch gekommen bin, haben große Angst vor Frauen, weil sie Angst haben, abgewiesen zu werden. Und die Angst wird natürlich umso größer, je stärker sie sich von der jeweiligen Frau angezogen fühlen, was eine schreckliche paradoxe Situation für sie darstellt.

Darum machen sich Männer so oft vor Frauen lächerlich, zu denen sie sich hingezogen fühlen. Ein anderer Grund ist, dass sie meist die Frau, die ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, noch gar nicht kennen, nichts über sie wissen. Sie sehen sie nicht als ein Individuum, sondern als die Manifestation einer voreingenommenen Idealvorstellung. Erst, wenn sie eine Beziehung zu der tatsächlichen Frau anfangen, können sie beginnen, zwischen dem wertenden Ideal und der eigentlichen individuellen Frau zu unterscheiden, was aber auch ein Opfer erfordert. Und das Opfer lautet, dass eine ideale Frau nicht existiert. Um also überhaupt eine Beziehung mit einer Frau eingehen zu können, muss ein Mann die Beziehung mit der idealen Frau in seinem Kopf opfern und die individuelle Frau sehen und sie von seinem Ideal trennen. Das ist im Grunde das, was dem Prinzen in „Dornröschen“ passiert (in der Bearbeitung von Disney, Anm. d. Red.). Er sieht die böse Königin, die sich schließlich in den Drachen des Chaos verwandelt, und erst wenn er sie besiegen kann, kann er eine Beziehung zur eigentlichen Prinzessin aufbauen, was ja dann auch passiert.

Ich hatte einen Patienten, der eine Männergruppe leitete. Ziemlich interessant. Eine der Aufgaben, die die Teilnehmer bekamen, war, an einem Tag 50 Frauen nach ihren Telefonnummern zu fragen. Natürlich auf höfliche Art und Weise. Es war ein Spiel, aber ein ziemlich intelligentes Spiel. Und warum? Weil die Idee dahinter lautete: Überwinde deine Angst vor Ablehnung. Und wie schafft man das? Indem man sich immer und immer wieder stellt, sodass man davon nicht mehr gelähmt ist.

Dies ist ein Auszug aus einem Seminar von Jordan B. Peterson. Hier geht's zum Auszug.

Foto: jordanbpeterson.com

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Jörg Themlitz / 04.03.2020

@Judith Jannach; Sind Sie sicher? Ein bisschen geschickt verpackt, dann klappt das schon. Ein Beispiel: Als der Adressenhandel noch recht mühselig sprich analog war, stellte eine Firma, ein Auto in ein Flughafengebäude. Packte einen Stapel Adresszettel daneben und ein Schild an das Auto. Text: ´Schreiben Sie Ihre Adresse, Telefonnummer, wofür Sie ein Auto brauchen, Hobbys etc. auf den Adresszettel und werfen diesen über den Fensterschlitz ins Auto. Bei der Verlosung können Sie dieses Auto gewinnen.` Es lagen jede Menge Zettel im Auto.

G. Kramler / 04.03.2020

Menschen mit positivem Selbstwert verstehen etwas von Werbung, Menschen mit negativem Selbstwert nicht. Das ist nicht geschlechtsspezifisch. Was geschlechtsspezifisch ist, sind die werbewirksamen Möglichkeiten.

Helmut Driesel / 04.03.2020

  Vollkommen falsch, meiner Meinung nach. Ritterlichkeit ist im Übrigen ein beliebter Terminus aus der DDR Aufklärungs-Erziehung. Ich weiss ja nicht, ob die Amerikaner soweit zurück geblieben sind in manchen Dingen. Die Sache mit den 50 Telefonnummern ist aber ganz klar von der allgegenwärtigen scripted reality inspiriert und zeugt von einer subtilen Geringschätzung, denke ich. Die Botschaft darin, die zu erkennen ich jeder intelligenten und modernen Frau unterstelle, lautet: Ich bin optisch interessiert und hoffe auf etwas Naivität und Einfalt. Und noch etwas ist an Peterson hier falsch. Fremden Frauen wird Mann im Allgemeinen auch später nicht jeden Tag wieder begegnen, er kann sich also ruhig mal gründlich zum Affen machen. Viel schwieriger ist, wenn man die Frau kennt und man weiss: In der Nordwand liegt noch Eis, da muss ich hinauf.

Juliane Mertz / 04.03.2020

Peterson müsste unterscheiden zwischen rein sexueller Anziehung und partnerschaftlicher Anziehung. Viele Langzeitbeziehungen entstehen nicht nach dem von ihm beschriebenen Muster “Mann-sieht-unbekannte-Schöne-usw.” sondern daraus, dass man den Partner schon kennt, bevor sich was entwickelt. Z.B. von Arbeit, dem Freundeskreis oder der Nachbarschaft.

Stephan Bender / 04.03.2020

Jordan B. Peterson hat im Grund genommen zwei psychologische Hauptthemen, um die sein inneres Denken kreist: Das erste Thema ist das Verhalten im Totalitarismus von brutalen Diktaturen und dessen Umerziehungslagern (KZ, Gulag etc.), das zweite Thema ist der gesellschaftliche Erziehungsauftrag innerhalb einer wie auch immer entstandenen Familie. Und irgendwie, ganz analytisch betrachtet, scheint es für ihn da einen Zusammenhang zu geben, eine Assoziationskette, so als wären Umerziehungslager große Familien mit einem gesellschaftlichen Bildungsauftrag oder aber Familien eine Art Gulag, in der man leiden müssen, um zu innerer und gesellschaftlicher Reinheit zu gelangen. Kurz gesagt: Die Familie ist eine totalitäre Struktur innerhalb einer freien Gesellschaft, die man am besten in Umerziehungslagern erlernt. (Die Bezeichnung für ein solches Denken nennt man orthodox.)

Dr. Phil Omanski / 04.03.2020

Dieser Peterson scheint wirklich zu glauben, daß Männer so seien wie seine Incel-Patienten.

Stephan Bender / 04.03.2020

“Und das Opfer lautet, dass eine ideale Frau nicht existiert.”—Eine Alternative wäre, schwul zu werden, denn dort hat man diese Enttäuschung nicht.

Karsten Dörre / 04.03.2020

Wie bei allen Wirbeltieren geht es auch bei solch Verhalten, wie bei Tom Sawyer, um Aufmerksamkeit und Buhlen um ein begehrenswertes Weibchen. Ein Jahrhundert nach Tom Sawyer war es das Nachpfeifen. Vor Tom Sawyer hiess es “den Hof machen”. Mittlerweile haben sich im Laufe der exzessiven Angleichung beider Geschlechter die Rollenverteilungen ins Nebulöse gewandelt. Treibende Kraft sind emanzipatorische Einflüsse bei Frauen, die das Buhlen um sie selbst als rückständig und affig werten. Trotzdem bleiben 95 Prozent der Frauen für das Buhlen durch Männer empfänglich. Sie zeigen es nicht, um die Emanzipation nicht ad absurdum zu führen. Frauen haben vor Zickenkrieg Angst, weil in solch Krieg keine Siegerin bleibt und jeglich begehrenswerte Frau sich ungewollt mental dem männlichen Verehrer offenbart.

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