112-Peterson: Unzufrieden im Job?

Ich wurde gefragt, was ich jemandem raten würde, der unzufrieden im Job ist. Wenn jemand Sie herumschubst, sollten Sie in der Lage sein, nein zu sagen. Ihnen sollte jedoch auch klar sein, was „nein“ bedeutet.

Ich wurde gefragt, was ich jemandem raten würde, der unzufrieden im Job ist. Es kommt immer wieder vor, dass man in Situationen gerät, die Dinge erfordern, die man unmotivierend oder sogar abstoßend findet. Die erste Frage sollte immer sein, ob es an einem selbst liegt, weil man undiszipliniert und nutzlos ist. Ist der Widerstand gegen den Job moralischer Natur oder ist man einfach unfähig, sich selbst zu disziplinieren? Diese Frage muss man klären, sonst kann man eine solche komplexe Situation nicht lösen.

Aber sagen wir, Sie arbeiten in einem korrumpierten Unternehmen und wissen nicht, was Sie tun sollen. Dafür gibt es keine einfache Lösung. Bemühen Sie sich zunächst, in eine Lage zu kommen, die es Ihnen erlaubt, Entscheidungen zu treffen. Und das ist grundsätzlich für alle Lebensbereiche ein vernünftiger Ansatz. Es ist gut möglich, dass Sie im Job unterdrückt werden. Ich hatte Patienten, die buchstäblich in eine Falle getappt waren. Und mir ist klar, dass es immer Situationen gibt, die ohne Ausweg erscheinen.

Wenn jemand Sie herumschubst, müssen Sie in der Lage sein, nein zu sagen. Lassen Sie uns das durchdenken. Zunächst sollte man wissen, was „nein“ bedeutet. Nein bedeutet: „Wenn Sie das weiterhin tun, geschieht etwas, das Ihnen ganz bestimmt nicht gefällt.“ Nein beinhaltet nicht unbedingt eine Drohung, aber eine Grenze. Um nein sagen zu können, muss man in der Lage sein, Grenzen zu setzen.

Unter der Fuchtel der Tyrannei

Nun hängen Sie finanziell von Ihrem Job ab, nicht zuletzt, weil Sie damit Ihre Familie ernähren. Sie haben gegenwärtig keine andere Option. Dann ist Ihr Nein nicht besonders nützlich. Was, wenn Sie es einlösen müssten? Vielleicht sagen Sie sich, dass Sie auf Ihren moralischen Grundsätzen bestehen und Ihren Job kündigen werden. Das ist toll, aber wovon werden Sie dann leben? Das ist ein großes Problem.

Für meine Patienten, die ein solches Problem hatten, stellte das Ganze meist ein zweijähriges Ringen dar. Ich fragte sie immer, wie ihr Lebenslauf aussieht. Für die meisten ist das eine betrübliche Frage. Denn viele haben ihn ewig nicht aktualisiert, schämen sich für zwei Drittel darauf, er ist schlecht geschrieben und auf dem Rechner in einer Ecke versteckt, die sie nicht einmal ansehen wollen.

Dennoch: Kramen Sie ihn raus, gehen Sie ihn durch. Können Sie Lücken schließen, gibt es irgendeine Möglichkeit, dass Sie sich besser verkaufen und Ihre Möglichkeiten erweitern? Vielleicht macht Ihnen der Gedanke an eine Jobsuche schon allein deswegen Angst, weil Sie glauben, 50 Bewerbungen versenden müssen, um ein Vorstellungsgespräch zu bekommen. Das ist nervig und zeitaufwendig. Vielleicht haben Sie auch kein Vertrauen in Ihre Fähigkeiten, ein Bewerbungsgespräch zu bestehen. Dann ist es höchste Zeit, an all diesen Dingen zu arbeiten. Die Alternative lautet, unter der Fuchtel der aufkommenden Tyrannei zu bleiben.

Letzeres wäre keine gute Wahl. Denn wenn Sie dem nicht widerstehen und zurückschlagen oder gehen, dann wird das Problem definitiv größer und Sie kleiner. Egal wie schlimm es jetzt ist, in fünf Jahren wird alles noch viel schlimmer sein. Auch dessen sollte man sich bewusst sein.

Fünf Jahre später in der Hölle

Vielleicht ist Ihre einzige Option, in irgendeinem anderen Job als Quereinsteiger anzufangen. Das ist natürlich sehr beängstigend, und vielleicht glauben Sie, sich ins Chaos zu stürzen. Aber vielleicht ist Ihre Angst trotzdem nicht groß genug, um es nicht zu tun. In meinen Therapiesitzungen fragte ich meine Patienten immer, wie hoch die Kosten dafür seien, dass sie in ihrem Job verbleiben. Ich prophezeite Ihnen, dass sie in fünf Jahren wahrscheinlich fünfmal so bitter und wirtschaftlich in einer noch schlimmeren Situation als vorher sein würden. Anstatt eines korrumpierten Chefs hätten Sie dann wahrscheinlich fünf, und alle anderen angenehmen Kollegen wären auch schon weg. Hätten Sie davor nicht noch viel mehr Angst?

Diese Methode ist generell wirkungsvoll, um mit der eigenen Dummheit, Unwissenheit oder Bösartigkeit umzugehen. Man sagt sich, es wäre schwer, etwas daran zu ändern. Was, wenn man es einfach laufen ließe? Dann hiflt es, sich ein solches Horrorszenario auszumalen, das mit den eigenen schlechten Eigenschaften einhergeht. Wenn man diesen Weg brav weitergeht, befindet man sich fünf Jahre später in der Hölle.

Mit der Hölle im Rücken und dem gelobten Land vor Ihnen sollten Sie maximal motiviert sein, Hindernisse zu überwinden. All das gelingt natürlich nicht leichtfüßig. Es ist nie leicht, für sich einzustehen. Sie müssen sich in jemanden verwandeln, der das schaffen kann. Die meisten meiner Klienten fanden schließlich viel bessere Jobs mit viel besserem Gehalt in einer viel motivierenderen Position. Und waren ingesamt viel zufriedener. Aber das kostet Arbeit.

Dies ist ein Ausschnitt aus einem Vortrag von Jordan B. Peterson.

Foto: jordanbpeterson.com

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Leserpost

netiquette:

Ralf Pöhling / 20.09.2023

Das bezieht sich auf Angestellte. Nehmen wir mal an, man wäre quasi so etwas wie selbstständig und damit sein eigener Chef. Das Produkt, das man da an den Mann und die Frau bringt, wäre dabei so gut, dass es weltweit einschlägt wie eine Bombe und überall reißenden Absatz findet. Wäre es dann sinnvoll aus der Selbstständigkeit raus in ein Angestelltenverhältnis zu wechseln, wo man plötzlich einen anderen Chef über sich hat, der die Vorzüge dieses Produktes vielleicht nicht versteht und es einmottet? Wem wäre damit gedient? Das dient weder den Kunden noch dem Selbstständigen, der dann erst recht unzufrieden ist. Echte Macher brauchen Freiheit und Luft zum Atmen, damit sie ihre fantastischen Produkte überhaupt erst ungehindert entwerfen und vertreiben können. In einer Firma mit Vorgesetzten, wo unweigerlich irgendwann das Peter-Prinzip durchschlägt, haben Macher meist nicht viel zu sagen. Und dadurch wird die Welt nicht besser, sondern stagniert. Und was Stagnation für desaströse Auswirkungen haben kann, sieht man doch gerade. Stagnation ist die Vorstufe erst zur Degeneration und dann zum Verfall. Um das Problem zu lösen, ist ein Job im System gerade nicht geeignet. Da braucht es die Überholspur. Und wenn es die im System nicht gibt, muss man entweder auf der Gegenspur oder dem Randstreifen überholen. Ich würde nur dann den Job wechseln, wenn er neue Möglichkeiten bietet, aber die alten Möglichkeiten nicht einschränkt. Das fahren auf UND neben der Spur muss weiterhin möglich sein. Sonst geht das Produkt sofort den Bach runter. Und das wäre gerade in der jetzigen Situation nach all der enormen Vorarbeit absolut tödlich.

Bärbel Witzel / 20.09.2023

Früher war das alles noch ein bißchen anders, da gab es noch eine Betriebsrente, wenn man lange genug im Unternehmen beschäftigt war. Das fällt durch die heute befristeten Jobs immer mehr weg. Mein Vater war Bäcker in einem mittelständischem Unternehmen tätig und er sagte öfters, er sei Deutschlands ärmster Bäcker. Nun, dafür konnte er den besten Zwiebelkuchen backen. Ich selber hatte auch öfter mal den Job gewechselt und ich habe auch nicht alle Arbeiten immer gerne gemacht. Wenn ich mal in Schwierigkeiten geriet, sagte ich mir immer, geh weg kleines ich. Mein Leitgedanke war immer, wer sich und andere in Abhänigkeit bringt kommt darin um. Ich habe zwar auch einige Höhen und Tiefen erlebt, aber ich habe das ganz gut überstanden. Um die zukünftige Generation mache ich mir jedoch Sorgen. Die zukünftige Generation wird vielleicht nur noch eine Minirente, oder gar keine Rente mehr bekommen. Man braucht sich ja nur in Deutschland in der jeweiligen Heimatstadt umzusehen, dann erkennt man sehr schnell, das die Wirtschaft den Bach runtergeht.

Gerd Quallo / 20.09.2023

Frage mich echt, wie diese Zusammenstellung dabei helfen soll, Charakter zu zeigen, wie etwa bei den Impfverweigerern im Gesundheitswesen, die keinen neuen Job in Aussicht hatten. Interessant auch, dass solches Wischiwaschi oft von Religiösen kommt, die eigentlich eine klare Trennlinie kennen müssten zwischen richtig und falsch, gut und böse. Und für die Pragmatismus eigentlich keine Rolle spielen sollte.

Gerhard Hotz / 20.09.2023

Vor allem muss man wissen, was man kann und was nicht. Warren Buffett verwendet dafür den Begriff “Circle of Competence”. Was innerhalb des Kreises liegt, beherrscht man. Was ausserhalb liegt, versteht man nicht oder nur zum Teil. Buffetts Lebensmotto: “Kennen Sie ihren Kompetenzkreis, und bleiben Sie darin. Es ist nicht so furchtbar wichtig, wie gross dieser Kreis ist. Aber es ist furchtbar wichtig zu wissen, wo genau die Kreislinie verläuft.” Der Versuchung, den eigenen Kompetenzkreis zu verlassen, sollte man unbedingt widerstehen.

Michael Schauberger / 20.09.2023

Sehr nette Ansprache, aber es geht auch anders herum: Gut funktionierende Teams werden von Vorgesetzten absichtlich zerrissen, wenn die Chefetage darüber keine Kontrolle hat. Im Arbeitsleben geht es primär um Profitmaximimierung, und die funktioniert dann am besten, wenn alle Rädchen, jedes einzeln für sich, genau so funktioniert wie es vom Führungspersonal angedacht wurde. Es geht überhaupt nicht, daß sich verschiedene Rädchen zusammentun und in ihrem Sinne für einen reibungslosen Verlauf sorgen, ohne Steuerungsmöglichkeiten von außen. Natürlich gibt es auch die Egomanen, Selbst-Optimierer und regelrechte Sklaventreiber, die Recht & Gesetz nur im Vorbeilaufen mal gesehen haben. Man muß sich nicht alles gefallen lassen, und je nach Unternehmen kann man durch Setzen von Grenzen mit Fingerspitzengefühl bei halbwegs vernünftigen Kollegen & Vorgesetzten viel erreichen. Problematisch wird es bei anspruchslosen “chump jobs”, bei denen jeder ersetzbar ist. Da lastet der soziale Druck immens auf den Schultern, wenn das der einzige Posten ist, den man zur Zeit kriegen kann. Hier ist nicht die individuelle Selbst-Optimierung in welcher Richtung auch immer gefragt, sondern die Rücknahme der “Agenda 2010”, Hartz IV & die Sanktionen, die aus Deutschland erst ein Billiglohnland gemacht haben, in dem jeder umso mehr spurt, je mehr die Vorgesetzten mit dem Kündigungsschreiben winken und man weiß, daß man in den sozialen Abstieg rutscht. Politische Fehlstellungen für das Arbeitsleben kompensiert nicht der Arbeitnehmer, sondern die Politik als Verursacher. Selbstredend geht aber auch Eigenschutz immer vor, und bevor man auf einer Arbeitsstelle kaputt geht, sollte man die Reißleine ziehen und wechseln.

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