Eine Sechzehnjährige hat eine Beziehung zu einem Neununddreißigjährigen. Ist das ein Problem? Und wenn ja, für wen? Für die Sechzehnjährige? Wirft man einen Blick in die Thematik des Sexualkundeunterrichts an unseren Schulen, kann man eher annehmen, es sei für eine Sechzehnjährige schon fast eine Pflichtübung, eine solche Beziehung einzugehen. Was in den so genannten Teenie-Magazinen an Promiskem zur Empfehlung kommt, wollen wir gar nicht erst erörtern.
Ein Neununddreißigjähriger hat eine Beziehung zu einer Sechzehnjährigen. Das ist kein Problem. Und es macht auch keiner ein Problem daraus. Bis der Mann, der Politiker ist, unerwartet Karriere macht. Als Spitzenkandidat seiner Partei hat er plötzlich ein Problem, weil er eine Beziehung zu einer Sechzehnjährigen hatte.
Zum Zeitpunkt seines Karrieresprungs ist die Beziehung längst zu Ende. Der Mann hat sich den Fragen seines Parteivorstands zu stellen und anschließend verzichtet er auf die Kandidatur und tritt von seinen Parteiämtern zurück. Es ist, wie die Medien lakonisch kommentieren, das Ende einer politischen Karriere.
Das bisher Gesagte soll nicht ein Plädoyer für den Sex mit Minderjährigen sein, sondern auf die Ungereimtheiten unserer Öffentlichkeit verweisen. Zum einen versichert man uns, bei jeder Gelegenheit und Ungelegenheit, dass wir in der freiesten Gesellschaft aller Zeiten leben, in der alles erlaubt sei, und noch viel mehr, mit einem Wort, der ganze Ballermann, und sogar Charlotte Roche, und das lässt einen wiederum ahnen, wie wenig einem diese Art Freiheit zu bieten hat. Genau genommen ist es ja gar nicht die Freiheit, es sind vielmehr Freiheiten, um die gefeilscht wird.
Zum anderen wird aus bald jedem Anlass die Moralkeule geschwungen manchmal hat man den Eindruck die Freiheiten sind nichts weiter als der Lockvogel, um die Menschen in den Griff zu kriegen. Der zurückgetretene Politiker hat keine Straftat begangen. Er steht aber als Politiker am moralischen Pranger. Im Namen von wem und was aber sind die Moralisten unterwegs? Wer sind Sie überhaupt?
In der Politik wird nicht nur gelegentlich mit harten Bandagen gekämpft. Die Moral ist dort eher ein Aufhänger um den Konkurrenten loszuwerden. Und so ist die Moral auch nicht die Moral der Moralisten sondern ein gefundenes Fressen, und was den Zurückgetretenen anbelangt, wird man wohl sagen, was man in solchen Situationen schon zu sagen pflegt: Mann, das kannst du doch nicht machen, nicht als Politiker, wie konntest du das?
Wir leben nicht nur in der Spaßgesellschaft, wir leben auch in einer virtuellen Moral Gesellschaft die nicht etwa dazu da ist, die Spaßgesellschaft zu korrigieren sondern die Argumente zu liefern, die das politische Spiel braucht, um seine Dramaturgie in Gang zu setzen. Da man im Kolosseum der Politik längst nicht mehr so genau weiß worum es eigentlich geht, um den Staatshaushalt oder um den Fernsehauftritt, hat man die Kleinkriege und Scharmützel angefangen die am besten gar nicht politisch daherkommen, weil die Materie viel zu verkopft ist, sondern auf Anhieb so knallig dargestellt erscheinen, dass es nicht der rede wert, gäbe es nicht dieses Daumen rauf und Daumen runter.
Als Sechzehnjährige darf man im Übrigen abends allein ins Kino gehen, falls die Vorführung um 24 Uhr beendet ist und heiraten kann man auch, vorausgesetzt der Partner ist achtzehn.