Zu meinen Lieblingsworten gehören einpflegen, einfliegen und zeitnah, abgesehen von ewigschönen Creativperlen aus den frühen Nullerjahren wie umfairteilen und fairkehr. Ab und zu erlebe ich Menschen in Fahrstühlen, die so reden. Zu dieser Community, Crowd, ja Posse gehört auch Michael Adler, Chef der Werbeagentur fairkehr und Mitschöpfer des berühmten Licht-Aus-Beim-Rein-Raus-Video, das neuerdings im Kino, im Internet wie auch im Auftrag von Barbara Hendricks für Lichtaus, quatsch, Stoßlüftung, nein, abermals quatsch, Klimaschutz wirbt. Millionen von Zuschauern, schrieb schon Kollege Bernd Zeller, dürften sich beim Anblick der Szene gedacht haben: Ach, so sieht unsere Umweltministerin aus.
Wer das folgende Interview mit Adler auf http://www.energieheld.de liest, der versteht in fünf Minuten mehr über Energiewendelobbyismus als beim Studium ganzer Geheimpapierstapel. Das Wichtigste schon mal in Kürze: Naturwissenschaftliche Kenntnisse schaden nur, wenn man Leute zu Klimaschutzanhängern bekehrt: „Ich mache Klimaschutz nicht, weil ich ihn verstehe, sondern weil ich ihn will.“ Es geht überhaupt eher darum, was man und frau fühlen: „Eisschollen in der Arktis sind schlimm“ (Adler). Ganz wichtig: Das Thema muss „witzig eingeflogen“ werden. Sex und Zombies helfen ungemein. Dann kommt nämlich die Target group aus der „Nachhaltigkeitsszene“ schon von vorn herein und auch hinterher nicht auf die Idee, nach dem Sinn der Veranstaltung zu fragen. Und schon gar nicht danach, wem die Sache nützt.
Die nachhaltige Video-Kampagne der Bundesumweltministerin kostete übrigens 1,5 Millionen Euro.
Hier ein Auszug aus dem Interview:
energieheld: Was wären Ihre Ansätze für eine nachhaltige Kommunikationsstrategie?
Michael Adler: Wichtig ist fundiert recherchierte Richtigkeit der Aussagen, aber einfache verständliche Botschaften, gepaart mit Witz und Überraschung. Ganz wichtig: Kommunikation, die eine Verhaltensänderung bei Menschen auslösen will, muss mehr bieten als sachliche Information. Die Botschaft muss mich emotional angehen, meine Lebenswelt betreffen und einen starken Impuls gegen meine alltäglichen Routinen setzen. Ich mache Klimaschutz nicht, weil ich ihn verstehe sondern weil ich ihn will.
Hilfreich dabei ist ein „story telling“ Ansatz und mit „Role models“ zu arbeiten. Geschichten können sich Menschen besser merken als Grafiken und fachliche Informationen und Menschen wollen eigentlich „normal“ sein. Daher sind die Videospots, die wir mit Bloggerinnen und Bloggern gedreht haben, auch sehr wichtig, weil sie Menschen zeigen, die einen etwas anderen Weg eingeschlagen haben. Das macht Mut zur Nachahmung. Wenn der oder die das kann und schon mehrere tausend Fans, Follower und Kontakte hat, dann kann beispielsweise die vegane Lebensweise nicht so exotisch sein, wie mir meine Mutter oder mein Vater das immer einreden will.
energieheld: Sie haben für das BUMB die Klimakampagne „Zusammen ist es Klimaschutz“ entworfen. Beschreiben Sie doch bitte wie es zu der Zusammenarbeit kam?
Michael Adler: Wir haben diese Kampagne mit unseren Freunden der Agentur Tinkerbelle und in intensiver Abstimmung mit dem Referaten für Presse und Öffentlichkeitsarbeit und für die „Nationale Klimaschutzinitiative NKI“ des BMUB entwickelt. Tinkerbelle ist verantwortlich für die drei Spots mit Zombies, Sex und Macho, die gerade Furore machen. Wir haben die sogenannten BlogSpots mit Bloggerinnen und Bloggern der Nachhaltigkeitsszene und mit der Ministerin gedreht und wir erarbeiten mit den Fachabteilungen des BMUB die Themenwochen und Verbrauchertipps zum Klimaschutz. Tinkerbelle und fairkehr sind Rahmenagenturen für die NKI und da lag es nahe für eine Klimaschutzkampagne uns zu fragen.
energieheld: Was ist das Ziel und für welche Zielgruppe ist die Kampagne „Zusammen ist es Klimaschutz“ gemacht worden?
Michael Adler: Das Ziel war, das Thema Klimaschutz wieder in die öffentliche Debatte zu bringen. Vor dem Klimagipfel im Dezember in Lima und mit Blick auf den wahrscheinlich sehr entscheidenden Gipfel nächstes Jahr in Paris. Die Zielgruppe war klar definiert: Die 18 bis 35jährigen jungen Multiplikatoren, die vor allem im Web und über Socialmedia Kanäle kommunizieren.
Um die Zielgruppe zu erreichen haben wir drei unterschiedliche Wege eingeschlagen. Mit dem einen Teil, den hollywoodesken Kinospots versuchen wir die Zielgruppe, die bisher Klimaschutz nicht als ihr Ding begriffen hat, mit dem Thema in Kontakt zu bringen. Das funktioniert über das überraschende und witzige Einfliegen des Themas über Zombies-, Sex- und Macho-Geschichten. Wir erzählen eine kleine Geschichte, die Interesse weckt und das Zuhören der Zielgruppe möglich macht und dann setzen wir die überraschende Botschaft des Lichtlöschens oder Radfahrens. Diese Taktik geht offenbar voll auf. Fast zwei MIllionen mal wurden diese drei Spots bisher im Web angeschaut.
energieheld: Es ist schön zu sehen, dass Klimaschutz nicht immer super ernst genommen werden muss, sondern auch Spaß machen kann. Soll in diesem Zusammenhang auch das ganze Image des Klimaschutzes aufgebessert werden?
Michael Adler: Klimaschutz ist eine super ernste Angelegenheit. Aber, so wie die Psyche des Menschen nun mal tickt, erreiche ich gar nichts, wenn ich das immer wieder betone. Die schmelzenden Gletscher und Eisschollen in der Arktis sind schlimm, aber mich betrifft das ja nicht. Es hilft nichts, wenn der Adressat meiner Botschaft nicht bereit ist, mir zuzuhören, dann kann ich noch so schlüssig argumentieren. Er hört mich nicht. Und wir bei Tinkerbelle und fairkehr glauben fest daran, dass Spaß eine Möglichkeit darstellt, Menschen zum Zuhören zu bewegen.
Das Image des Klimaschutzes ist in der Tat im Keller. Alle ein zwei Jahre gibt es diese Gipfel, die regelmäßig scheitern. So jedenfalls der Eindruck der meisten Zuschauer. Und bisher ist es so, dass sich der Großteil der Bürgerinnen und Bürger als Zuschauer fühlen. Die hohe Politik verhandelt, findet keine Lösung, dann kann ich kleiner Mensch ja erst recht nicht tun. Es macht sich zunehmend die Haltung breit: Ist eh nichts zu retten, also lebe ich weiter wie bisher. Wenn wir mit unserer Kampagne dazu beitragen können, dass junge Leute über unsere Spots einen medialen Zugang zum Thema kriegen, der zu ihnen passt, dann besteht Hoffnung, dass sie sich demnächst mehr einmischen werden. Und, gelegentlich das Licht löschen oder das Fenster schließen.
Mit den Blogspots zeigen wir Protagonisten bestehender Trends, wie vegane Lebensweise, grüne Mode oder klimafreundliche Mobilität. Diese Vorbilder tragen dazu bei, diese ressourcenschonenden Lebensentwürfe gesellschaftsfähiger zu machen. Insofern surfen wir auf bestehenden Trends und verstärken sie. Nicht mehr aber auch nicht weniger leistet eine gute Kampagne.
energieheld: Oder ist eine reine Image Werbung für Bundesumweltministerin Barbara Hendricks? Der Stern schreibt dazu: „Durch die Kampagne könnte der Bekanntheitsgrad der Ministerin steigen, die fast 80 Prozent der Deutschen bisher nicht kennen.“
Michael Adler: Das kann durchaus ein Nebeneffekt sein, dass Frau Hendricks bekannter wird. Unsere Aufgabe war es nicht. Eine gezielte Imagewerbung für die Ministerin müsste viel mehr ihre Arbeit und ihre Persönlichkeit ins Zentrum der Kommunikation stellen. Und, im Web diskutiert man auch viel mehr über Strom sparen, Stoßlüften und vegane Lebensweise. Die Imageeffekte für die Ministerin entstehen eher sekundär dadurch, dass es eine Kampagne wie diese noch nie aus einem deutschen Ministerium gegeben hat. Das zeugt von Mut und wenn man das einer Bundesumweltministerin attestiert, schadet es dem Image und dem Amt meines Erachtens nicht.
energieheld: Sie erhalten viel Lob für die Klimakampagne, auf YouTube hat „Erwischt: Meine Eltern“ bereits über 1,6 Millionen Klicks. Aber für die 31. Sekunden Spots gibt es auch Kritik. YouTube Spots für 1,5 Millionen zu drehen ist teuer. Und vor allem der Spot „Rettung für einen Macho“ sorgt für Sexismus Vorwürfe. Braucht es die Provokation?
Michael Adler: Teuer ist immer relativ. Wir haben immerhin nach knapp zwei Wochen zwei Millionen Menschen in Deutschland erreicht. Hätten wir billiger gedreht und weniger Mediamittel zur Verbreitung der Kinospots eingesetzt, hätten wir vielleicht nur einen Bruchteil der Aufmerksamkeit gewonnen. Was ist teurer? Mit 1,5 Millionen ein paar Millionen Menschen zu erreichen oder mit, sagen wir 200.000 Euro dann auch nur ein paar tausend Menschen zu erreichen.
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