Das Statistische Bundesamtes meldet: Immer weniger Schüler bleiben sitzen. Die Zahl derer, die eine Klasse wiederholen, sei innerhalb von zehn Jahren um die Hälfte zurückgegangen.
Diese Mitteilung hat den bisher in der Öffentlichkeit wenig bekannten Verband deutscher Sitzenbleiber (VdS) auf den Plan gerufen. Wenn das so weiter geht, warnt der Präsident des VdS, Professor Dr. mult. Adalbert von Schmidt, dann bleibt in wenigen Jahren gar keiner mehr sitzen. Von Schmidt wörtlich: “Schon jetzt leidet unser Verband unter Mitgliederschwund und Überalterung. Es gibt einfach keinen Nachwuchs mehr. Wie lange will sich unser Land das noch leisten?”
Den Vorwurf, nur die eigenen Verbandsinteressen im Auge zu haben, weist von Schmidt zurück. Es gehe um mehr. Von Schmidt sieht einen gefährlichen Paradigmenwechsel in der gesamten Bildungspolitik: Früher sei es völlig normal gewesen, dass Schüler, die etwas auf sich hielten, mindestens einmal sitzenblieben. Der heutige Sitzenbleiberschwund sei im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass der Streber heutzutage mehr gelte als der anständige Faulenzer. Das sei eine fatale Entwicklung.
Ähnliche Phänomene seien inzwischen in der gesamten deutschen Bildungspolitik festzustellen. So sei es früher durchaus üblich gewesen, dass Abiturienten mit einem Notendurchschnitt von drei bis vier es bis zum Vorstandsvorsitzenden, ja sogar bis zum Hausmeister bringen konnten. Diese Zeiten seien vorbei. Heute könne man sich mit einem Dreier-Abitur gleich bei Hartz IV melden.
In Kreisen der Bildungspolitik wird die Kritik des Verbandes deutscher Sitzenbleiber als abwegig zurückgewiesen. Ein Sprecher: “Wir dürfen uns in unseren bildungspolitischen Zielen nicht irre machen lassen. Wir wollen bis 2020 jedem Schüler, unabhängig vom Geldbeutel seiner Eltern, einen Notendurchschnitt von 1,1 garantieren.”
Dazu von Schmidt: “Es geht nicht nur um die Noten. Gleichzeitig nimmt ja auch die Zahl der Abiturienten dramatisch zu. Wenn dieser Trend nicht gestoppt wird, werden wir bereits in wenigen Jahren mehr Abiturienten als Schüler haben.”
Dazu der bildungspolitische Sprecher: “So wünschenswert es wäre - es ist rechnerisch gar nicht möglich, mehr Abiturienten als Schüler zu produzieren. Herr von Schmidt ist offenbar selbst mal sitzengeblieben.”
Der Sitzenbleiberpräsident weist diesen Vorwurf als “infam” zurück. Er sei nicht nur einmal, sondern zwei mal sitzengeblieben. Und er fährt fort: “Wollen wir wirklich, dass der Sitzenbleiber ganz aus unseren Klassen verschwindet, wie einst der amerikanische Büffel von der Prärie? Ich meine, es wird höchste Zeit, den Sitzenbleiber unter Artenschutz zu stellen. Eine Welt ohne Sitzenbleiber, dominiert von Einser-Abiturienten, ist eine ärmere, eine kältere Welt.” In diesem Zusammenhang verweist er auf all die berühmten Männer, die sitzengeblieben sind oder gar kein Abitur gemacht haben. Von Schmidt: “Ich sage nur: Albert Einstein, Thomas Mann, Winston Churchill, Heinrich Ebel.”
Dazu der Bildungspolitiker: “Wer ist Heinrich Ebel?”
Darauf hin meldet sich Heinrich Ebel, wer immer er auch sein mag, empört zu Wort: “Ich bin gar nicht sitzengeblieben. Außerdem habe ich ein Einser-Abitur. Sonst hätte ich doch niemals einen Praktikantenplatz bei Schlecker bekommen.”