Rainer Bonhorst / 01.08.2022 / 14:00 / Foto: Imago / 34 / Seite ausdrucken

Der Sieg der Löwinnen

Für manche GenderInnen muss die Europameisterschaft der Fußballerinnen schwer verdaulich gewesen sein. Weil die deutschen Frauen das Endspiel nicht gewonnen haben? Nein. Weil ständig von der Mannschaft die Rede war. Auch die Spielerinnen benutzen selber das nicht gendergemäße Wort. Wie es scheint, ist die Bedeutung des Genderns noch nicht in die Herzen der Fußballerinnen eingedrungen. Alexandra Popp hat sich sogar kurzfristig mit Hercule-Poirot-Bärtchen gezeigt, weil sie gelegentlich als Alexander Popp entgendert wird.

Die Engländerinnen haben es da einfacher. Sie benutzen einfach das Wort team. Das können wir auch, aber unser Team ist nun mal nicht biodeutsch, hat keinen Kartoffel-, sondern einen Migrationshintergrund. Aber das alles nur nebenbei. Die deutsche Genderproblematik dürfte im Endspiel keine entscheidende Rolle gespielt haben.

Was hat beim Zwei-zu-Eins-Sieg der Engländerinnen im Wembley-Stadion vor über 87.000 Zuschauern sämtlicher Geschlechter eine Rolle gespielt? Der nicht gegebene Hand-Elfmeter? Na ja. Die deutschen Frauen hätten einfach nur noch ein Tor schießen müssen und die Sache wäre vergessen worden. Haben sie aber nicht, weil die Engländerinnen ziemlich gut waren. Die Hand-Blindheit des Schiedsrichter-Teams wird nicht so sehr in Erinnerung bleiben, wie das umstrittene dritte Tor gegen die Deutschen, das den englischen Männern im Jahr 1966 den letzten internationalen Titel in Wembley bescherte.

In Erinnerung wird bleiben, dass die englischen Fußballerinnen nach über einem halben Jahrhundert diesen Wembley-Fluch verscheucht und dort mal wieder gewonnen haben. Dass also die Frauen das geschafft haben, was den Männern so lange verwehrt war und immer noch verwehrt ist. Eine emanzipatorische Leistung, die jedes krampfhafte Gendern um Längen überragt und überstrahlt. Die Frauen haben den 87.000 Zuschauern einfach gezeigt, was eine Harke ist. So einfach kann die Emanzipation gehen. Dass die Fußballfrauen von heute nicht nur etwas in den Beinen, sondern auch in den Köpfen haben, sollte die selbst ernannten, von oben herab agierenden SprachbeauftragtInnen wenigstens vorübergehend stummschalten.

Mit Neil Diamond und seinem „Sweet Caroline“

Warum komme ich immer wieder auf den Kontrast zwischen dem Gendern und den wahren, greifbaren Leistungen der Fußballerinnen zurück? Keine Ahnung. Muss wohl der alte weiße Mann in mir sein. Darum erwähne ich auch gerne, dass es die englischen Fußballerinnen waren, die das Lied von den „Drei Löwen“ wahr werden ließen und daraus ein Lied von den „Drei Löwinnen“ gemacht haben. Es waren die lionesses, die nach ihrem Sieg mit den Zeilen besungen werden konnten: „Football is coming home“. Entstanden ist das Lied „Three Lions“ vor 25 Jahren und sollte eigentlich die Fußball-Männer anfeuern, endlich mal wieder einen internationalen Titel nach Hause, ins Mutterland des Fußballs zu bringen. 

Ins Mutterland des Fußballs? Stimmt schon. Zwar waren es mal wieder die Chinesen, die lange vor den Engländern einen Ball gekickt haben. Aber in England, genauer: an der Universität Cambridge, sind die Regeln entstanden, die aus einem wahllosen Herumkicken einen geregelten Sport gemacht haben. Und ein paar Jahre später ist in Sheffield der erste Fußballverein gegründet worden.

Das war reine Männersache. Lange bevor die ersten Suffragetten in England das allgemeine Wahlrecht für Frauen forderten. Als sie es endlich geschafft hatten, dachten die Fußballfunktionäre aber noch lange nicht daran, Frauen und Mädchen in den hehren Kreis der kickenden Männerbeine aufzunehmen. Die Deutschen brauchten nach dem Frauenwahlrecht noch ein halbes Jahrhundert, um sich zähneknirschend mit den kickenden Frauen anzufreunden.

Heute knirschen die Zähne nicht mehr, auch die Zähneknirscher von damals zeigen heute mit strahlendem Lächeln ihre dritten Zähne, wenn sie die technisch raffinierten Fußballerinnen sehen. Egal ob in England oder in Deutschland. Und so ist es auch nur recht, dass die siegreichen Engländerinnen nicht nur mit dem ehemaligen Männergesang „Football is coming home!“ besungen wurden. Sondern auch mit Neil Diamond und seinem „Sweet Caroline“.

Die Zeiten, in denen „am Ende immer die Deutschen gewinnen“, sind vorbei

Und, wie es schien, sang die ganze Nation mit. Die Queen gratulierte und Prinz William ließ sich sogar von einigen Fußballerinnen protokollwidrig herzen. So wurde das Königreich, das der Brexit nicht nur von Europa getrennt, sondern auch im Inneren gespalten hat, auf sportliche Weise wieder zu einem Vereinigten Königreich. Für wie lange? Schwer zu sagen. Boris Johnson wird sicher die Überzeugung vertreten, dass der Sieg der Engländerinnen über die EU-Deutschen vor allem dem Brexit zu verdanken sei: „Endlich können wir frei von der europäischen Bevormundung Fußball spielen.“

Das entspräche zwar mal wieder nicht der ganzen Wahrheit. Denn die Engländerinnen wurden von Sarina Wiegman, einer Holländerin, zu ihrem Triumph geführt. Könnte das vielleicht zum Signal einer Annäherung zwischen der Insel und dem Kontinent werden? Boris Johnson, der harte Brexit-Mann (und Ex-Brüsseler), soll ja nicht mehr lange im Amt bleiben. Wie es aussieht, wird er zwar nicht von „Sweet Caroline“, wohl aber von (sweet?) Liz Truss abgelöst. Die Künftige hat im Referendum für den Verbleib in der Europäischen Union geworben und gestimmt. Aber heute gibt sie sich als harte Brexit-Frau. Vielleicht sollte Sarina Wiegman mal ein Wörtchen mit ihr reden. Ob sie sie für einen weicheren Brexit erweichen kann?

Die deutschen Frauen dürften solche Überlegungen als an den Haaren herbeigezogen empfinden. Womit sie nicht ganz unrecht hätten. Sie waren jetzt erst einmal damit beschäftigt, sich in Frankfurt feiern zu lassen. Das auf jeden Fall zu Recht. Die Zeiten, in denen „am Ende immer die Deutschen gewinnen“, sind lange vorbei. Das gilt ganz besonders für die Männer. Die können sich auch so ein Beispiel an den Frauen nehmen, die es immerhin mal wieder ins Endspiel geschafft und sich gegen die Engländerinnen hervorragend geschlagen haben. Sie haben alle Glückwünsche verdient, die Frauen der deutschen Mannschaft. 

Foto: Imago

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Leserpost

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Elias Schwarz / 01.08.2022

Ironie des Schicksals: die “Spielführerin” trägt die Binde derjenigen, die bald den Frauenfüßnball begraben und zu einer häßlichen Show mit LGBTschafft machen. Es lebe der Meister Gerwomany!!!

M.Friedland / 01.08.2022

Und wieder kein Bonhorst ohne Brexit…

Didi Hieronymus Hellbeck / 01.08.2022

An ihren Vornamen sollt ihr sie erkennen: Ann-Katrin, Merle, Almuth, Sara, Giulia, Marina, Kathrin, Sophia, Felicitas, Nicole, Jule, Klara, Linda, Laura, Alexandra….. Ich vermisse aber so etwas wie: Meltem, Sevki, Ayshe, Ilknur…. Die deutsche Männer-Nationalmannschaft: wie ein Traum aus 1001er Nacht am Nil – nicht aber die deutsche Frauen-Nationalmannschaft:. Immerhin: diese tapferen jungen Frauen sind noch nicht islamismusgefährdet und etliche sehen wirklich toll aus (super Bodies, kesse (blonde) Pferdeschwanzfrisuren – sieht man bei uns in ähnlicher Weise auch häufig bei den adretten jungen Polizistinnen).

Christian Feider / 01.08.2022

und es bleibt,was es ist,ganz unkorrekt….. Frauenfussball ist so aufregend wie die “Meisterschaft zwischen Kleinkleckersdorf und Burgweide in der bayerischen 4 Juniorenliga…. da helfen auch keine 90000 Zuschauer. Beweis? der direkte Vergleich der “Frauschaft” gegen eine drittliga-Männerschaft in den frühen 2000ern elendig anzusehen,wie das Gestolpere heute auch

Gus Schiller / 01.08.2022

@RMPetersen: ““das wohlwollende Interessen in den Medien. “” Das ist doch klar wie Kloßbrühe. Mit dem Bohei um das Frauegekicke soll der Michel abgelenkt werden von unschönen Vorgängen im Land. In sechs Wochen wundert sich der Michel dann über neue Vorschriften, Gesetzte, Abgaben etc. und fragt sich wann hat das wer entschieden?

Claudius Pappe / 01.08.2022

Und der Verlierer ist:.................................Deutschland, Deutschland, Deutschland, Deutschland

Rudi Hoffmann / 01.08.2022

  Die Würfel sind gefallen;  ….das Zeitschinden an der gegnerischen Eckfahne heißt ??  „“““ „ sarinieren````

Thorsten Gutmann / 01.08.2022

Die deutschen Fußballfrauen haben sich gegen die Engländerinnen nicht hervorragend geschlagen, wie der werte Autor so schön herablassend gnädig formuliert, die Kickerinnen beider Mannschaften waren sich total ebenbürtig. Der Sieg sei den Insulanern natürlich von Herzen gegönnt, kam aber (bezeichnenderweise?) letztlich durch ein Stocher-, vulgo Würgetor zustande und dem Glücksumstand, daß der Elfmeterkelch leer blieb. Vielleicht noch diese kleine Anmerkung: Frauenfußball ist für mich eine eigenständige Sportart, an der man sich erfreuen kann (ich tue das, wenn auch nicht allzu oft - aber solche Turniere zählen immer dazu), oder man ignoriert sie. Deshalb halte ich auch den immer wieder stattfindenden Rekurs auf die Männer irgendwie für dämlich, absolut unglücklich und überflüssig.

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