@ Fritz Kolb Kleiner Korrekturvorschlag: “Es stimmt, DER Fehler waren zu viele ...”
Lieber Herr Rietzschel, ich widerspreche Ihnen in einem einzigen Nebensatz, in welchem Sie den Faustkeil erwähnen. Der ist mitnichten ein obsoletes Werkzeug. Ich spalte unser Kaminholz (igitt! CO2, Feinstaub und so) mit einem Faustkeil, geschmiedet vor gut 150 Jahren, das der letzte überlebende Dorfschmied für mich pflegt und schärft. “Herrgottsseiten!” spricht der alte Herr alle zwei Jahre bewundernd, “so ein guter Stahl wird heutzutag’ nimmer g’macht.” || Faustkeil zuerst, fürs Grobe, dann Axt. || Ich wollte, ich könnte dieses spaltende Vorgehen (natürlich rein rhetorisch) auch in Diskursen mit merkelverliebten Bar- und Thekengenossen anwenden. Aber dann müsste ich bisweilen gesiebte Luft atmen.
In der verblichenen “DDR” beurteilten die “Rechtgläubigen” ihre Mitmenschen nach dem simplen Schema : ‘Das ist einer von uns’ , oder ‘Der gehört nicht zu uns.’ Genossen gehörten a priori dazu, die Anderen wurden in Noch - Lernende, Unwissende, ideologisch Verblendete, Klassenfeinde oder Staatsfeinde unterteilt. Das konnte graduell gestaffelt keine bis schlimmste Auswirkungen nach sich ziehen. Die Herrschenden befürchteten keine Spaltung der “DDR” - “Nation” ; sie hatten gelernt mit ihr zu leben - und wir hatten gelernt mit der Staatssicherheit zu leben. Die Genossen fürchteten eine Neuauflage des 17. Juni oder einen Marsch auf die Mauer. Eine offene Gesellschaft lag außerhalb ihres Horizonts. Trotz staatlicher Schikanen und Präventionen haben die ” Anderen” gesiegt und die Genossen sind bis auf den jämmerlichen Rest ( Die Linke) in den Orkus der Geschichte entschwunden. Dies um der hier oft vertretenen Meinung, Deutschland würde sich den “DDR”- Verhältnissen annähern, zu widersprechen. Die Vorzeichen sind ganz andere ! Thomas Rietzschel weist völlig zu Recht darauf hin, dass Meinungsspaltung e i n Lebenselixier der Demokratie ist.
In der DDR wurde jede Diskussion abgewürgt, in dem man fragte: Bist du nun für den Frieden oder nicht. Danach war Ruhe. Was sollte man denn auch auf solch eine Banalität antworten. Wir wissen, wie weit die DDR mit dem Abwürgen der Diskussionen gekommen ist. Dem heutige Deutschland wird es ähnlich ergehen. Die westliche Gesellschaft ist nicht für den Stillstand geschaffen. Zuerst rumort es im Untergrund solange bis der Druck im Dampfkessel alles zur Explosion bringt. Wie lange es noch dauern wird bis der Druck sich Luft verschafft, das ist die spannende Frage unserer Zeit.
Wie passend dazu Welt Online von heute: “Christen treiben Keil zwischen Juden und Muslime.” Originelle Begründung des ansonsten eher starrsinnig argumentierenden Autors: bayerische Schweinshaxn.
Es stimmt, sie pfeifen aus dem letzten Loch. Es stimmt, die Fehler waren zu viele und zu gravierend in ihrer Wirkung. Es stimmt, dass es hinterher wieder alle auch gewusst haben wollen. Es geht nicht mehr um das “ob”, sondern nur noch um das “wann”. Das ist nicht unerheblich, weil der Schaden von Tag zu Tag grösser wird, die Glaubwürdigkeit der Herrschenden immer löchriger und die gesellschaftlichen Verwerfungen immer grösser. Wann also werden die, die unser Land immer weiter in den Abgrund treiben, endlich aus dem Tempel der Macht gejagt? Wer aus der Politikerkaste hat den Schneid, den andere in unseren Nachbarländern ja auch hatten. Und wann wacht das deutsche Wahlvolk endlich aus seiner Wohlstandslethargie auf? Man könnte verzweifeln, wenn man an den Zustand Deutschlands dieser Tage denkt.
Den Teufel der Spaltung der Gesellschaft an die Wand zu malen, funktioniert besonders in Deutschland immer gut. Von keiner anderen Gesellschaft ist mir dieses „Argument“ bekannt. Denn natürlich ist es keines. Warum sollte ich keine andere Meinung haben dürfen in einer Demokratie? Warum spaltet diese „andere Meinung“? Gehört es in einer Demokratie nicht dazu, anderer Meinung zu sein? Daran schon sieht man, dass das Verständnis von Demokratie in Deutschland bisweilen unterentwickelt ist. Ansonsten würde jedem die Unsinnigkeit des „Argumentes“ auffallen. Die Deutschen lassen sich offensichtlich immer noch einschüchtern mit der Warnung vor einer möglichen Isolation, vor einem Abgespaltensein, vor dem Anderssein. Sie haben das Bedürfnis als Kollektiv aufzutreten und sind unbarmherzig mit dem „Außenseiter“, mit dem, der es wagt, anderer Meinung zu sein. Dieser wird verurteilt, ausgegrenzt. Für ihn ist kein Platz. Denn das größte Unheil scheint die Vorstellung eines nicht vorhandenen Konsenses zu sein. Das ist das Schreckgespenst schlechthin : Spaltung. In Wirklichkeit wird Spaltung durch die Intoleranz gegenüber dem Andersdenkenden ja erst geschaffen.Wir sind nicht alle einer Meinung. Ja und? Nein, wir müssen lernen, Meinungsvielfalt auszuhalten. Und die bringt natürlich auch Spaltung. Aber das gehört zu einer Demokratie. Deshalb bringen wir uns ja nicht alle gleich um. Oder, Antifa? Ertragen wir doch die Unterschiede. Und fallen wir nicht darauf herein, auf dieses Schreckgespenst der Spaltung. Es ist, wie Herr Rietzschel sagt, das „Argument“ derer, die keine Argumente haben. Es scheint ein Trick zu sein, um Verunglimpfung des politischen Gegners zu rechtfertigen und ihn, wenn möglich, mundtot zu machen. Geschieht ja immer im Dienst der Vermeidung der Spaltung.
Dazu fällt mir spontan etwas von Brecht ein. Sie sägten die Äste ab, auf denen sie saßen Und schrieen sich zu ihre Erfahrungen, Wie man schneller sägen könnte, und fuhren Mit Krachen in die Tiefe, und die ihnen zusahen, Schüttelten die Köpfe beim Sägen und Sägten weiter. - Bertolt Brecht, Exil, III
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