Die Deutschen haben ein Verhältnis zum Zufall wie die Griechen zum Steuerzahlen. Seit sie vom Ausgang des Ersten und Zweiten Weltkriegs kalt erwischt wurden, wollen sie in allen Lebensbereichen auf Nummer Sicher gehen. Obwohl die Erfahrung eigentlich dagegen spricht.
Der berühmte Satz des ehemaligen Arbeitsministers Norbert Blüm (CDU) aus dem Jahre 1986 – „Die Rente ist sicher!“ – provoziert heute nur noch Lacher. Wie weit freilich das Verlangen der Deutschen nach „Planungssicherheit“ geht, macht ein „Papier“ klar, das letzte Woche, kurz vor dem Ende der Olympischen Spiele, eher zufällig bekannt wurde.
Es ist eine Art Abkommen zwischen dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), den einzelnen Sport-verbänden und dem für die Sportförderung zuständigen Bundesinnen-minister, in dem festgeschrieben wurde, wie viele Medaillen die deutschen Athleten bei der Londoner Olympiade gewinnen sollten. Insgesamt (86) und in den einzelnen Disziplinen: Boxen 2, Fechten 4, Judo 4, Reiten 5, Schießen 5, Schwimmen 8 – und so weiter.
Natürlich wurden die „Zielvereinbarungen“ nicht erreicht, denn auch deutsche Leistungssportler sind nur Menschen, die mal besser und mal schlechter kämpfen. Und so blieb den Sportfunktionären am Ende des „härtesten Wettbewerbs aller Zeiten“ nichts anderes übrig, als die Peinlichkeit schön zu reden. Die Mannschaft habe „mehr Medaillen als in Peking“ 2008 gewonnen und: „Die Zielvereinbarungen waren nie als Prognose zu verstehen oder gar als Medaillen-Planwirtschaft.“
Damit hatte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes zugegeben, was er eigentlich verneinen wollte. Es war Planwirtschaft in ihrer reinsten Form, wie sie auch in der DDR praktiziert wurde, in der Wirtschaft ebenso wie im Sport, was u.a. dazu geführt hat, dass auch mehr als 20 Jahre nach dem Untergang der DDR einige Weltrekorde, die von DDR-Sportlern erzielt wurden, noch immer Bestand haben.
Nun stellt sich die Frage: Wenn sich die BRD durch Zielvorgaben im Sport ein Beispiel an der DDR nimmt, was wird dann mit den Sportlern passieren, die das Plansoll nicht erreicht haben? Dürfen sie nicht mehr ins Ausland reisen? Müssen sie wieder acht Jahre auf einen Trabi warten? Oder bekommen sie noch eine zweite Chance? Am besten bei der Zuckerrohrernte in Kuba.
Erschienen in der Weltwoche vom 16.8.12