Die Grünen wollen im Herbst ins Berliner Rote Rathaus. Ihre Spitzenkandidatin Renate Künast hat die Plakate der Wahlkampagne vorgestellt. Der Slogan lautet: Da müssen wir ran! Für diese Art Spruch ist Frau Regierende -Bürgermeisterinnen-Kandidatin seit eh und je bekannt, sie kommt schließlich aus dem Ruhrgebiet, wo der Proll-Ton Hausmarke ist.
Sozial und gerecht für Berlin will man bei den Grünen neuerdings sein. Bildung ist alles, und über allem triumphiert der Klimaschutz. Wie wichtig der Grünen- Partei das Ganze ist, will sie uns zeitgemäß mit ihrem im Vergleich zur letzten Wahl vor fünf Jahren verdoppelten Wahlkampfbudget beweisen.
Das erinnert uns ein Bisschen an das Verhalten von Verlagen, die die Startauflage von Büchern aufbauschen, nur um beim Leser den Eindruck zu erwecken, er müsse das betreffende Buch kaufen, wenn er im Herbst mitreden wolle.
Sollen wir den Grünen ihre Triade, Bildung, Arbeit und Klima abkaufen? „Das sind die Aufreger des Tages“, sagt Renate Künast in unverkennbarem Bohlen-Deutsch. Dabei hat sie nie in einer Werbeagentur gearbeitet, sie war ursprünglich Sozialarbeiterin. 100.000 Arbeitsplätze sollen in der Stadt neu geschaffen werden, bei gleichzeitiger Gelderwirtschaftung durch Erhöhung der Gewerbesteuer und der Einführung einer City- Tax auf Hotelübernachtungen.
Unter dem Motto „Renate für Berlin“ sprintet Frau Künast derzeit von einem Palaverort der Stadt zum nächsten. Auch in diesem Jahr gab es den migrationspolitischen Frühjahrsempfang der Grünen im Abgeordnetenhaus. Er ist Teil einer „Willkommenskultur“, die man zu etablieren versucht. „ Integration“, so Renate Künast, „heißt doch einfach, das man gemeinsam lebt und sich austauscht“. Tatsächlich, so einfach ist uns das bisher nicht vorgekommen. Zumal nach der Lektüre von Kirsten Heisigs Buch: Das Ende der Geduld.
Was versteht Frau Künast unter „gemeinsam“, und was unter „Austausch“? Beide Wörter können vielerlei bedeuten. Die Kandidatin ist jetzt aber schon ein paar Häuser weiter als das Grimmsche Wörterbuch. Sie spricht gerade zu den Anwohnern auf der Flugroutendemo. Das ist der aktuelle Name einer Spießerkoalition, die zwar alle sechs Wochen mit einem eBay- Flug in den Süden startet, aber Wert darauf legt, dass das Flugzeug nicht das eigene Grundstück überfliegt.
Das Wahlprogramm der Grünen hat angeblich 230 Seiten. Ich habe das nicht überprüft. Wer 230 Seiten braucht, um ein Wahlprogramm aufzuschreiben, der hat einfach nichts zu sagen. Vielleicht ist es auch nur einer alten Tradition der Grünen zuzuschreiben, aus der seinerzeit, 1990 war es, der Slogan hervorging: Alle reden von Deutschland. Wir reden vom Wetter. Damals dachten die Grünen, es gehe nicht um die Vereinigung Deutschlands, sondern um den sauren Regen. Das war jener Niederschlag, durch den die Bäume sterben sollten, der ganze Berliner Wald.
Seither ist viel Zeit vergangen, und doch nicht genug. Und so stimmt alles immer noch für die Milieus, und das Verhalten dazu ist inzwischen Lebensstil, und nicht mehr Politik. Sollten die Grünen im Herbst gewählt werden, dann nicht wegen ihres Programms, sondern wegen der Worthülsen, die uns wie Muscheln in den Ohren singen.
Wir hocken alle gemeinsam im Tiergarten und tauschen uns aus, ich und ich, und du bist raus. Die Polizeistreife aber, Mann und Frau, bringt einen Kasten Deeskalations-Bionade mit. Da fällt mir aber doch noch etwas ein: Die zehn Gebote haben auf einer Seite Platz. Der Rest von 229 Seiten könnte also noch Baum sein!