Peter Grimm / 16.06.2023 / 08:27 / Foto: cartese / 0 / Seite ausdrucken

Morgenlage: Regierungskrise und Referendums-Pläne

Guten Morgen, es ist Freitag, der 16. Juni und wieder Zeit für eine Morgenlage. Zunächst die Übersicht: Russland kündigt "Wahlen" in den annektierten Gebieten an, der IAEA-Chef besuchte das Atomkraftwerk Saporischschja, ein russischer Antikriegsaktivist starb kurz vor der Haftentlassung, Putin plant einen Staatsbesuch in der Türkei, Polens Regierung macht gegen den EU-Asylkompromiss mobil, in Italien wurde ein weiteres deutsches Migranten-Hilfsschiff festgesetzt und die EZB hob den Leitzins weiter an.

Und nun beginnen wir den kurzen Streifzug durch die Nachrichtenlandschaft.

Moskau kündigt "Wahlen" in besetzten Gebieten an

Am Anfang auch dieser Morgenlage steht wieder der Blick auf Nachrichten aus dem Ukraine-Krieg. Russland hat angekündigt, in den besetzten Gebieten, die es im letzten Jahr für annektiert erklärt hat, sogenannte Wahlen abzuhalten. Es geht dabei um die Besetzung neuer Regionalparlamente und Gemeinderäte, wie die russische Wahlkommission am Donnerstag bekannt gegeben habe. Konkret gehe es um die vier Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson, heißt es weiter. Eine bizarre Propagandaaktion, denn zum einen sind diese Regionen nicht alle vollständig unter russischer Kontrolle und demokratische Wahlen gehören auch nicht gerade zu den Kernkompetenzen des russischen Imperiums. Ginge es nicht um einen brutalen, blutigen Krieg, wäre sie einfach lächerlich. (Quelle: Kleine Zeitung)

IAEA-Chef besuchte das AKW Saporischschja

Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, hat das russisch besetzte Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine besucht. Er habe sich nach der Teilzerstörung des Kachowka-Staudamms ein Bild von der Sicherheitslage im AKW machen wollen, heißt es. Aus dem Stausee bezieht Europas größtes Kernkraftwerk mit seinen sechs Reaktoren bekanntlich sein Kühlwasser. Der Damm war vor mehr als einer Woche zerstört worden und der Wasserstand des Stausees ist dramatisch gesunken. Und was konnte der internationale Behörden-Chef vor Ort tun? Über das reden, was er gesehen hat: „Einerseits können wir feststellen, dass die Lage ernst ist, dass es Konsequenzen gibt und dass diese real sind“. Diese Reise hat sich ja echt gelohnt. (Quelle: ORF)

Ungeklärter Tod eines inhaftierten russischen Antikriegsaktivisten

Protest gegen den Krieg ist in Russland gefährlich und mitunter sogar tödlich. Wie gestern gemeldet wurde, ist ein russischer Antikriegsaktivist nach Angaben seiner Anwältin in der Haft verstorben, vermutlich nach Misshandlungen. Der 40-jährige Anatoli Beresikow hätte gestern eigentlich aus einem Gefängnis in Rostow am Don freigelassen werden sollen, doch Tags zuvor sei Beresikows Leiche in der Haftanstalt abgeholt worden, wie Anwältin Irina Gak in einem am Mittwoch aufgenommenen Video auf Facebook mitgeteilt habe. Ihr Mandant hätte ihr gesagt, er werde geschlagen, mit Elektroschocks misshandelt und fürchte um sein Leben. Die Anwältin sei später für weitere Nachfragen zunächst telefonisch nicht zu erreichen gewesen. Die Möglichkeit, ihre Angaben unabhängig zu überprüfen, gibt es derzeit in Russland nicht. (Quelle: Kleine Zeitung)

Putin plant Staatsbesuch in der Türkei

Der derzeit auf internationalem Parkett weitgehend geächtete russische Präsident Wladimir Putin will auf Einladung seines türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan in die Türkei reisen. „Der türkische Präsident hat seine Einladung an unseren Präsidenten, die Türkei zu besuchen, bestätigt“, habe Putins Berater Juri Uschakow der Nachrichtenagentur Interfax zufolge gestern mitgeteilt. Demnach gebe es Pläne für diese Reise, aber noch keinen festen Termin. Putin wird zwar offiziell mit internationalem Haftbefehl gesucht, aber unser NATO-Verbündeter Türkei gehört nicht zu den Staaten, die den internationalen Strafgerichtshof anerkennen, welcher diesen Haftbefehl ausgestellt hat. (Quelle: ORF)

Slowakische Expertenregierung verlor Vertrauensabstimmung

In der Slowakei bleibt es bei der Regierungskrise. Die neue slowakische Expertenregierung unter dem parteilosen Wirtschaftsexperten Ludovit Odor hat die Vertrauensabstimmung im Parlament verloren. Nur 34 von 136 anwesenden Abgeordneten hätten am Donnerstag in Bratislava für das Regierungsprogramm gestimmt. Notwendig wäre zumindest eine einfache Mehrheit von 76 der insgesamt 150 Parlamentarier gewesen. Die slowakische Präsidentin Zuzana Caputova hatte diese Expertenregierung bekanntlich nach einer langwierigen politischen Krise im Land am 15. Mai ernannt. Nach der slowakischen Verfassung habe sich das neue Kabinett innerhalb von 30 Tagen mit seiner Regierungserklärung im Parlament einer Vertrauensabstimmung stellen müssen. Es werde erwartet, dass die Präsidentin die Expertenregierung jetzt mit der Leitung der Regierungsgeschäfte bis zu den Neuwahlen am 30. September beauftragen werde. Laut aktuellen Umfragewerten würden die Parteien der bisherigen konservativen Regierungskoalition der Slowakei auf eine schwere Niederlage bei den bevorstehenden Parlamentswahlen zusteuern. Die als links-populistisch beschriebene Smer, die derzeit in allen Umfragen klar vorn liege, könnte eine außenpolitische Kursänderung vollziehen. Sie lehne beispielsweise weitere Waffenlieferungen an die Ukraine langfristig ab. (Quelle: Kleine Zeitung)

Polens Regierung macht gegen EU-Asylkompromiss mobil

Die polnische Regierung macht derweil gegen den sogenannten Asylkompromiss der EU mobil und strebe eine Volksabstimmung darüber an, heißt es in Medienberichten. Bei der EU-Entscheidung handle es sich um „ein Diktat, das darauf abzielt, Europa kulturell zu verändern“, wird aus einer Rede von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki vor Abgeordneten des Parlaments in Warschau zitiert. „Es ist der Sejm, nicht der Bundestag, und wir haben jedes Recht und die Pflicht, im Sinne der Interessen Polens zu stimmen“, hieß es weiter. Die Polen wüssten sehr genau, was Mitgefühl und Solidarität seien, sagte Morawiecki weiter. „Keiner wird uns Solidarität lehren, und schon gar nicht die Deutschen.“ Die Ankündigung eines Referendums, kam dann vom Vorsitzenden der Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski. Polen hat viele ukrainische Flüchtlinge aufgenommen, doch wehrt es sich seit Langem gegen die Aufnahme von Migranten, die auf den Schleuser-Routen in Griechenland und Italien angekommen sind. In Polen wird in diesem Jahr ein neues Parlament gewählt. (Quelle: ORF)

Weiteres deutsches Migranten-Hilfsschiff vor Italien festgesetzt

Die italienischen Behörden haben ein weiteres deutsches Migranten-Hilfsschiff vorläufig aus dem Verkehr gezogen, heißt es in Medienberichten. Die "Aurora" des Berliner Vereins Sea-Watch sei demnach auf Lampedusa festgesetzt worden, wie die Hilfsorganisation mitgeteilt hätte. Begründet worden sei dies damit, dass das Schiff ein Regierungsdekret missachtet hätte. Vor der Aurora seien schon die Mare*Go ebenfalls auf Lampedusa und die Sea-Eye 4 in Ortona festgesetzt worden. Eine Anordnung der italienischen Regierung schreibt bekanntlich vor, dass private Seenotretter unverzüglich nach einem Einsatz in den Hafen fahren müssen, der ihnen zugeteilt werde. Dagegen hätte die "Aurora" verstoßen. (Quelle: Zeit)

Weitere Zinsanhebung der Europäischen Zentralbank

Zum Schluss schauen wir noch einmal aufs Geld, konkret zur Europäischen Zentralbank (EZB). Die hat den Leitzins wegen der anhaltend hohen Inflation zum achten Mal angehoben. Der Rat habe eine Erhöhung um 0,25 Prozentpunkte auf 4,0 Prozent beschlossen. Einen höheren Stand gab es zuletzt zu Beginn der weltweiten Finanzkrise Anfang Oktober 2008 mit damals 4,25 Prozent. Derweil scheinen sich die Deutschen an das Leben mit einer Weichwährung zu gewöhnen. (Quelle: Deutschlandfunk)

Und damit endet diese Morgenlage wie immer mit den besten Wünschen für den heutigen Tag und das kommende Wochenende.

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