Claudio Casula / 19.06.2014 / 22:27 / 11 / Seite ausdrucken

Man muss kein(e) AntisemitIn sein, um für SPON über Israel zu berichten, aber es schadet nicht

Ach, was waren das für Zeiten, als man im Journalismus Nachricht und Kommentar noch zu trennen pflegte! Bei Spiegel online gibt sich Julia Amalia Heyer keine Mühe, ihr Ressentiment gegen die allseits verhasste israelische Regierung zu verbergen, und wenn sie dazu in einem Verbrechensfall Täter zu Opfern und Opfer zu Tätern machen muss. Die Reaktion auf die Entführung dreier israelischer Teenager, nicht die Untat an sich, macht der deutschen Korrespondentin schwer zu schaffen. Doch halt – sagten wir Verbrechen? So weit würde die Reporterin nicht gehen. Sie spricht mal von einem „Unglück“, mal von einer „Tragödie“ – und mehrmals vom „Verschwinden“ der drei Jungs, „wie Netanjahu sie nennt“ und was sie offenbar nicht sind.

Sondern: Siedler. „Drei junge Siedler“, die am Donnerstagabend „in ihre Siedlungen trampen“. Nun wohnen zwei der drei Entführungsopfer gar nicht in einer Siedlung, sondern diesseits der Green Line, aber da Siedler gemeinhin als vogelfrei gelten, deutet Heyer damit an, dass so was schon mal passieren kann, denn schließlich leben hier Juden „auf palästinensischem Territorium“ (vulgo: umstrittene Gebiete, über welche, in dieser Reihenfolge, die Osmanen, Engländer, Jordanier und Israelis herrschten, niemals aber Palästinenser; die stellen hier rückwirkende Ansprüche, über die man reden kann oder auch muss, die aber nicht gottgegeben sind), und solche Subjekte darf man jederzeit, wie die Familie Fogel, in ihren Betten abschlachten oder eben kidnappen, um einen „Gefangenenaustausch“ in die Wege zu leiten.

Nun ist es natürlich möglich, dass Eyal, Naftali und Gilad nicht entführt wurden; vielleicht sind sie ja tatsächlich vom Erdboden „verschwunden“, wurden just for fun von Chefingenieur Scotty aufs Raumschiff Enterprise hochgebeamt, wo sie sich auf der Brücke gemeinsam mit der Crew über schwere Dachschäden bei Journalisten im 21. Jahrhundert amüsieren, auszuschließen ist nichts. Aber Julia Amalia Heyer ist großzügig genug, die Möglichkeit einer Entführung in Betracht zu ziehen. Womit sich allerdings die Frage stellt: Wer war’s? Die Hamas, der Heyer noch vor drei Monaten bescheinigte, sie sei angetreten, um „den Alltag der Palästinenser in Gaza lebenswerter zu machen“, kann es natürlich kaum gewesen sein, denn die „Bewegung, die seit 2007 im Gazastreifen regiert“, hat „die Anschuldigung ausdrücklich zurückgewiesen“. So!

Sie hat auch – nach gelungener Freipressung von mehr als 1000 palästinensischen Terroristen infolge der Geiselnahme Gilad Shalits – immer wieder dazu aufgerufen, mehr Juden zu entführen, um Israel zur Entlassung weiterer Tausend Häftlinge zu nötigen, und es auch mehrmals erfolglos versucht, aber darauf geht Frau Heyer nicht ein; ihr ist wichtiger, dass der „Hardliner“ Netanjahu die Hamas verantwortlich macht, und was einer sagt, der „Teilen der internationalen Gemeinschaft als notorischer Neinsager“ gilt (ungeachtet des Wye-Abkommens, ungeachtet der Bar-Ilan-Grundsatzrede, ungeachtet der von ihm veranlassten Gesten des guten Willens, die stets ohne Erwiderung blieben), ja „manchen sogar als Kriegstreiber“, das kann und darf ja nicht wahr sein. „Konkrete Beweise blieb Netanjahu bisher schuldig“, greint die Spiegel-Reporterin, ganz so, als seien die israelischen Geheimdienste es ausgerechnet der bis auf die Knochen feindseligen Journaille schuldig, ihre Erkenntnisse öffentlich zu machen.

Bar jeglichen Mitgefühls für die „Verschwundenen“, dreht Heyer den Israelis einen Strick aus der Tatsache, dass sie mit ihren Warnungen und Befürchtungen Recht behalten haben; sie weideten „den Vorfall propagandistisch aus“, politisch komme diese Sache dem Ministerpräsidenten „zupass“, er wolle sich „endlich wieder als der Hardliner präsentieren, als der er seit Jahren gewählt wird“. Zwar hat Netanjahu einen ziemlich undankbaren Job, der ihn zwingt, am laufenden Band Antworten auf Druck und Terror zu finden, gleichzeitig Solidarität mit den Angehörigen von Terroropfern zu zeigen und ihnen Hoffnungen zu machen, zu denen es vielleicht schon keinen Anlass mehr gibt, aber für Heyer hat das alles keine Bedeutung. Was Bibi sagt, ist vom Teufel, seine entschlossene, aber auch mitfühlende Ansprache an die Israelis wertet sie als „Brandrede“, und dass der Regierungschef – gibt’s denn so was? – auch noch Mahmud Abbas mitverantwortlich macht, nur weil der sich gerade mit der Hamas verbündet hat, geht natürlich gar nicht. „Lautstark“ macht er das auch noch, meint Heyer, die vielleicht nicht an der Journalistenschule, aber doch in der täglichen Praxis gelernt hat, wie man unliebsame Typen mit negativen Attributen zur Minna macht, gern garniert mit einem unvorteilhaften Foto des Prügelknaben. Im Spiegel hat das seit jeher Tradition; schon vor 30 Jahren haben andere Regierungschefs etwas „bekräftigt“ oder „klargestellt“, nur Begin „tönte“ immer. Was die Stimmungsmache betrifft, hat Heyer den Bogen raus, sie weiß, wenn man Netanjahu oft genug als Hardliner bezeichnet, wird’s gefressen. Und nur zu gern, wie ein Blick in die Hölle zeigt, die sich bei Spiegel online „Forum“ nennt.

Da Palästinenser nach der gängigen Medienstrategie immer nur als hilflose Objekte, niemals aber als handelnde – und damit auch verantwortliche – Subjekte dargestellt werden, gilt es auch in diesem Fall, die Juden nicht als Opfer zu benennen. Zwar sind es die Israelis, die seit einer Woche um drei verschleppte Minderjährige bangen, aber wirklich leiden müssen einmal mehr die Palästinenser: Die bedauernswerten Menschen, die von den Razzien im Westjordanland betroffen sind! Und was erst der Bevölkerung im Gazastreifen droht, „die bereits seit Monaten darbt“! Wieder so eine Information, die Heyer exklusiv hat; zwar wird die „humanitäre Katastrophe“ in Hamastan seit dem Abzug der Israelis vor neun (!) Jahren immer mal wieder bemüht, aber noch hat sich niemand zu Tode gedarbt, eher im Gegenteil, und wenn jemand in dem Küstenstreifen hungert oder dürstet, dann nur nach einem Dschihad gegen die Juden.

Da ist dann Julia Amalia Heyer gern bereit, im Propagandakrieg die helfende Hand zu reichen. Im Jahr 2014 ist das in einem deutschen Massenmedium überhaupt kein Problem mehr, schließlich feiert man das Bündnis zweier Terrorgruppen inzwischen landauf, landab als begrüßenswerte „Versöhnung“, die wundersamerweise den Frieden zu befördern vermag. Unter die Räder kommt dann eben der jüdische Staat, der aus übertriebener Sorge um drei jugendliche Bürger in Feindeshand mal wieder völlig unverhältnismäßig reagiert und aus der „Tragödie“ auch noch eiskalt „den maximalen politischen Nutzen“ ziehen will. Da alles, was Israel tut oder unterlässt, unter allen Umständen falsch und verwerflich sein muss, ist ein Gesetz, das „den Austausch oder die Begnadigung von Gefangenen in Zukunft schlicht verbietet“ und das man für sinnvoll halten muss, soll sich der Rechtsstaat nicht auf ewig erpressbar machen, für Heyer selbstredend eine Monstrosität, ebenso unstatthaft wie eines, „das die Zwangsernährung hungerstreikender Häftlinge erlaubt“ und so dem ersehnten Märtyrertum einen Riegel vorschiebt.

Derweil halten die Palästinenser seit einigen Tagen feixend drei gespreizte Finger in die Kameras, Ausdruck ihrer unbändigen Freude über die Entführung der drei Jugendlichen, aber die grassierende Soziopathie in den Gebieten, die seit zwei Jahrzehnten von Fatah und Hamas beherrscht werden, ist für Julia Amalia Heyer und ihresgleichen natürlich kein Thema. Das könnte die Feinde Israels nicht gut aussehen lassen, das wäre fatal, also wird es, wie die Erziehung zum Judenhass, die Ermordung von „Kollaborateuren“ und ähnliche in Palästina gern gepflegte Traditionen, stillschweigend unter den Teppich gekehrt.

Die letzte Tinte spart man sich auf, um vor der Gefahr zu warnen, die von den Juden ausgeht. An so einer Presse hätte das Humpelstilzchen vor 70 Jahren seine helle Freude gehabt.

Mehr von Claudio Casula hier:
http://spiritofentebbe.wordpress.com/

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Claudia Cometh / 20.06.2014

Sehr treffend, leider. Der latente Antisemitismus des linksgrünversifften SPON-Personals ist notorisch. Der nächste Schritt ist eine subtil anklagende Homestory, mit einer Fotostrecke über Lebensbedingungen palästinensischer Jugendlicher im Gaza-Streifen Dann scheinheilige Worte über eine “Vermittlung” durch die EU und ein Interview mit dem “wirtschaftsweisen” Bofinger über die Schuld von Israel. Und Abends gehts in Prenzlberg wieder in das schicke koschere Restaurant, gelt?

Karl Schuster / 20.06.2014

Ich vermisse den Link auf den Artikel.

Joe Merton / 20.06.2014

Das schlimmes ist, dass der Artikel von Herrn Casula nicht wirklich überspitzt oder sarkastisch ist, sondern einfach nur Frau Heyer’s Kakaphonie beschreibt. Der Vergleich mit Humpelstilzchen ist nicht etwa provokativ sondern drängt sich schlicht auf. Das macht schon nachdenklich.

Martin Wessner / 20.06.2014

Nun, es ist wohl keine bösartige Unterstellung, wenn man sagt, dass Spiegel-Online der Feind der Israelis und der Freund der Palästinenser ist. Aber Achtung, wer solche Freunde hat, der braucht keine Feinde mehr, denn wenn es tatsächlich mal zu einem echten palästinensischen Staatgebilde kommen sollte, dann werden “Freunde” wie Julia Amalia ihre Buddys anschließend fallen lassen wie eine ausgequetschte Zitrone und weiter zum nächsten Obstladen ziehen, wo es anderweitige frische und saftige “Opferfrüchte” gibt. Dann werden die Palästinenser für solche Leute keinerlei Wert mehr haben, weil man mit ihnen nicht mehr weitere Anhänger für die eigene Ideologie gewinnen und man sie nicht mehr als Kanonenfutter im Kampf gegen den innenpolitischen konservativen Gegner verwursten kann. Dann wird SPON seine “Palis” gewiss genauso achtlos in die Ecke stellen, wie dies die 68ziger mit dem iranischen Volk getan hatten, nachdem der Schah vom Ayatollah Khomeini abgelöst wurde oder auch, als die Nordvietnamesen sich mit den Südvietnamesen im sozialistischen Himmel voller Geigen “wiedervereinigten” und nun nicht mehr als Monstranz im Kampf wider dem “Ausbeuterkapitalismus” und dem US-Imperialismus taugten. Da konnten die “progressiven” Studenten ihre “Schützlinge” halt nicht mehr für ihre “edlen” Zwecke gebrauchen und hatten sie hernach schnöde weggeworfen, wie ein vollgerotz…Tempotaschentuch. So ist das Leben. Arme, arme Palästinenser, sie werden es wohl noch schmerzhaft lernen müssen, dass sie für Deutschlands Linke eigentlich nur Manövriermasse in ihrem zynischen Spiel um Macht, Einfluss und Pfründe sind.

Hans Michel / 20.06.2014

Hallo Herr Casual es ist gut, das sich einer den immer stärker um sich greifenden Krieg der Worte entgegenstemmt. ich habe immer mehr den Eindruck, das ein Teil der Journalisten bei Herrn Göbbels gelernt hat. Sie trauen sich nur nicht so ganz, das komplette Vokabular zu übernehmen. Allerdings habe ich bei dieser Dame den Eindruck, dass es nicht mehr lange dauert. Für mich ist es besonders Besorgnis erregend, das immer mehr dieser Leute keine Ahnung von Geschichte haben, Ursache und Wirkung durcheinander werfen, aber nicht aus “Dummheit”, sondern mit voller Absicht. Wenn ich mir noch dazu die Bildungspläne in unseren Schulen für das Fach Geschichte ansehe, kann mir ganz übel werden, wie unsere Jugend verdummt wird. Gleichgültig ob Israel, die Kreuzzüge, Russland, Religionen - ich könnte noch mehr aufzählen - die jungen Leute haben in der Regel keine Ahnung. Ich habe den Eindruck, dass ein dummer, mit Fußball, Harz IV, dämlichen Fernsehshows ruhig gestellte breiter Bevölkerungsanteil das Erziehungsziel der Zukunft ist. Es ist gut, das ich schon so alt bin und meine Kinder erwachsen, damit ich das Drama das sich vielleicht in 30 - 40 Jahren so abspielt, nicht mehr erleben muss. Eigentlich zielt alles auf einen neuen starken Mann, der die dann auftretenden Probleme lösen wird. Ach übrigens fällt mir gerade eine Weissagung des Nostradamus für unsere Zeit ein, in der ein doppelt dummer Prinz dafür sorgen wird, dass die Fahne des Propheten über dem Vatikan weht und Europa vom “gelben Mann” gerettet werden wird. Nochmals Danke für den Artikel Hans Michel

Sonja Leblhuber / 20.06.2014

Friedrich Hollaender hat schon 1931 treffend die vorherrschende Stimmung in Deutschland beschrieben: “An allem sind die Juden schuld! Die Juden sind an allem schuld!“ Daran hat sich nichts geändert. Nur sagt man heute nicht einfach „die Juden“, das wäre denn doch zu geschichtsvergessen. Heute heißt es „ Israel“ oder noch besser „Siedler“.  Was hätten wir doch für eine friedliche Welt, wenn es bloß  Israel nicht gäbe. Was mich aber nachdenklich stimmt ist die Tatsache, dass Journalisten wie Julia Heyer oder auch das ARD-Team es vorziehen, in Tel Aviv zu residieren und nicht in Ramallah.

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