Optisch wirkt er wie der gemütliche Hauptamtsleiter einer mittelgrossen deutschen Stadt: Jürgen Kaube (52), Ressortleiter für Geisteswissenschaften bei der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» («FAZ») und – so pfeifen es die Spatzen von den Dächern – womöglich bald für das Feuilleton zuständiger Herausgeber des deutschen Intelligenzblatts.
«Er ist ein übergewichtiger Mittvierziger, der deutlich älter aussieht und einen Schnurrbart trägt», lästerte 2007 ein Rezensent in der linken «Tageszeitung («Taz»), nachdem Kaube sein Buch «Otto Normalabweicher» veröffentlicht hatte, in dem er die These vertritt, anders sein zu wollen sei «in der nivellierten Mittelstandsgesellschaft» zum Durchschnittsfall geworden. Einen «Verteidiger der alten Norm der einheimischen, heterosexuellen, bärtigen Männlichkeit» wollte der Kritiker in Kaube sehen, einen, der Angst davor habe, dass Frauen, Homos und Migranten ihm bald schon Job und Deutungshoheit nehmen könnten.
Tatsächlich gilt Kaube manchen als Rechter. Ist er ein «Mann des klassisch-konservativen Feuilletons», wie der «Spiegel» nun behauptet? Und kann so einer den im Juni verstorbenen Frank Schirrmacher ersetzen, der Debatten à gogo lancierte und damit die Kollegen vor sich hertrieb?
Wahrscheinlich hängt das Misstrauen der Branche gegen Kaube nicht zuletzt damit zusammen, dass manche, wie der erwähnte «Taz»-Rezensent, Aussehen und Inhalt nur noch schwer auseinanderzuhalten vermögen. Telegenere Kandidaten wären durchaus vorhanden, allen voran Literaturchefin Felicitas von Lovenberg, deren Höhere-Töchter-Charme sich der klassische «FAZ»-Leser, so es ihn denn noch gibt, nur sehr schwer entziehen dürfte. Zudem hätte die Zeitung mit der Ernennung einer Frau im Land der Quote zweifellos den Zeitgeist auf ihrer Seite.
Doch das alles muss ja nicht gegen Kaube sprechen. Wer sich einmal einen Überblick über dessen Werk verschafft, sieht, dass der Mann keinesfalls ein ideologischer Betonkopf ist. Und wenn wir schon über Äusserlichkeiten reden: Viel dynamischer als Kaube sah der hyperaktive Schirrmacher nun auch nicht aus.
Erschienen in der Basler Zeitung